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Fakten •
STREETLIFE macht den Vergleich

Sommer- gegen Winterpneu – welcher bremst wirklich besser?

Alle sechs Monate das gleiche Theater für Autofahrende. Sie sollen von Winter- auf Sommerreifen wechseln oder umgekehrt. Das sei sicherer. Aber ist das wirklich so? STREETLIFE hat einen Bremsvergleich zwischen Sommer- und Winterreifen gemacht.

Die Schweizer Armee spart sich den Wechsel. Aus finanziellen Gründen fahren die Armee-Fahrzeuge das ganze Jahr mit Winterreifen (STREETLIFE berichtete). Viele Autofahrende haben sich auch diesen Frühling wieder gefragt, ob sie wirklich wechseln sollen. Vor allem, wenn die Winterreifen fast abgefahren sind und es sich kaum lohnt, sie im nächsten Winter nochmal zu montieren.

Der Garagist, der Reifenhändler, Auto-Versicherungen, das Driving Center Schweiz, die Touring Clubs TCS und ACS, KI-Chats wie ChatGPT und praktisch jede Ratgeberseite im Netz raten einem aber davon ab. Dabei gibt es in der Schweiz kein Gesetz, das Winter- oder Sommerreifen vorschreibt. Trotzdem hat auch STREETLIFE schon in verschiedenen Artikeln dazu geraten, die Pneus zu wechseln. Das Argument ist schwer zu entkräften: Sommerreifen seien im Sommer sicherer, weil sie für höhere Temperaturen ausgelegt sind. Das zeige sich vor allem beim Bremsen.

Theorie in der Praxis testen

Aber ist das wirklich so? STREETLIFE wollte es genau wissen und begibt sich an einem sonnigen Nachmittag Ende April auf den Weg zum Driving Center ASSR in Regensdorf. Geschäftsführer Markus Rhyner erwartet uns mit zwei Toyota bZ4X. Die elektrischen SUV unterscheiden sich nur in einem Punkt, einer fährt auf Winter-, der andere auf Sommerreifen. Die Bedingungen könnten kaum sommerlicher sein für diese Jahreszeit. Es ist 24 Grad warm, die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel. Der Asphalt auf der Testrecke des Trainingscenters hat sich auf über 30 Grad erwärmt. Vor dem Test warnt Rhyner: «Der Unterschied ist wahrscheinlich nicht sehr gross, weil es noch Frühling ist und die Temperaturen nicht so hoch sind.»

Der Test

Der Bremsvergleich wird die Antwort liefern. Also steigt Markus Rhyner in den SUV mit Winterreifen und fährt los. Er beschleunigt auf 80 km/h. Zwei orange Kegel geben den Bremspunkt an. Sie stehen nicht auf 0-Meter-Linie, sondern bei 10 Metern, um problemlos beschleunigen zu können. Auf Höhe der Kegel legt er eine Vollbremsung hin, und der Elektro-SUV mit Winterreifen steht nach 26 Metern.

Markus Rhyner steigt in den bZ4X mit Sommerreifen ein. Dieser sollte früher zum Stillstand kommen. Um keinen Blechschaden zu riskieren, fährt er auf der Nebenspur. Erneut beschleunigt er auf 80 km/h, nähert sich mit Landstrassentempo den Kegeln. Auf deren Höhe tritt Rhyner wieder mit voller Kraft in die Bremsen. Die Räder blockieren und lösen immer wieder, das ABS arbeitet, während die Bremsen die Bewegungsenergie vernichten und den rund zwei Tonnen schweren Elektro-SUV zum Stillstand bringen.

Das Resultat

Von der Seite ist zu sehen: Der Sommerreifen-Toyota hätte den Winterreifen-SUV wohl leicht angeschoben. Der zweite bZ4X steht schon nach 21 Metern. Das ist eine Fahrzeuglänge vorher. Würde das Fahrzeug mit Sommerreifen also vorausfahren und bremsen, liesse sich eine Kollision nicht vermeiden, und das Auto auf Winterpneus würde mit einer Geschwindigkeit von rund 35 km/h in das stehende Auto prallen. Bei einer solchen Auffahrkollision können sich die Insassen schwere Verletzungen zuziehen. An beiden Fahrzeugen entsteht erheblicher Sachschaden.

Rhyner bewässert die Teststrecke und führt den Bremsvergleich nochmals durch. Auf nasser Strecke bremsen die Sommerreifen noch besser. Dieses Mal steht der sommerbereifte Elektro-SUV sogar anderthalb Wagenlängen vor dem Winterbereiften.

Unerwartet deutlich

Das deutliche Resultat überrascht den Fahrsicherheitsexperten. «Ich hätte nicht erwartet, dass der Unterschied bei milden Temperaturen schon so gross ist», sagt Rhyner. Der Grund für den unterschiedlichen Bremsweg liegt darin, wie Gummi sich bei unterschiedlichen Temperaturen verhält. Je höher die Temperatur, desto weicher wird der Gummi. «Du kannst das mit einem Radiergummi zu Hause ausprobieren», erklärt Markus Rhyner. «Wenn du ihn den Kühlschrank legst, wird er hart und wenn du ihn mit der Pizza in den Backofen legst, wird er weich.»

Was aber heisst das für unsere Pneus? «Fahrzeugreifen verlieren an Haftung, wenn sie entweder zu weich oder zu hart sind», erläutert der Fahrtrainer. «Winterreifen sind eher weicher, um bei tiefen Temperaturen nicht zu hart zu werden und immer noch gute Haftung zu bieten. Sommerpneus hingegen sind eher hart, um in der Hitze noch zu funktionieren, wenn sie weicher werden.» Im Umkehrschluss werden Winterpneus im Sommer zu weich, und die Sommerpneus im Winter zu hart. Sie bieten deshalb weniger Bodenhaftung.

Für den Bremsweg von Autos mit Winter- und Sommerreifen bedeutet das: «Der Unterschied wird grösser, je wärmer es wird.» Sprich ein Auto mit Sommerreifen bremst noch besser als eines mit Winterpneus.

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