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Politik & Wirtschaft •
Auto-Schweiz-Direktor Thomas Rücker

«Die Politik muss bei der Elektro-Mobilität nachsitzen»

Der Schweizer Automarkt hat sich noch nicht von der Covid19-Pandemie erholt. Neben der Wirtschaftsflaute und globalen Krisen verunsichert auch die Elektro-Mobilität die Kundschaft. Hier sieht der Importeurs-Verband Auto-Schweiz die Politik in der Pflicht, erklärt Direktor Thomas Rücker im Gespräch mit STREETLIFE.

Über 300'000 Neuwagen haben die Schweizerinnen und Schweizer lange Zeit pro Jahr gekauft. Die Covid19-Pandemie hat diese Zahl einbrechen lassen, und im Gegensatz zu anderen Branchen hat sich der Automarkt noch nicht davon erholt.  Letztes Jahr fehlten knapp 50'000 Neuwagen. Dieses Jahr wurden bis Ende August sogar noch weniger Autos als 2023 verkauft. Trotzdem ist Thomas Rücker, Direktor des Verbandes der Schweizer Importeure Auto-Schweiz, optimistisch: «Wir befinden uns zwar derzeit in einer Phase von schwacher Nachfrage, aber der Nachholbedarf wird in den kommenden Jahren zunehmen. Das gleicht sich auch wieder aus.»

Unsichere Zeiten, verunsicherte Kundschaft

Trotzdem stellt sich die Frage, wieso es der Autobranche nicht gelingt, auf das Niveau von vor der Pandemie zurückzukehren. «Während der Pandemie, als wir mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatten, haben viele Kunden ihre Fahrzeuge länger behalten als vielleicht früher üblich», blickt Rücker zurück. «Dieser Trend hat sich fortgesetzt, weil es viele unsichere Zeichen aus der Wirtschaft gibt. Kursschwankungen an der Börse, Energiepreisentwicklung, Diskussionen um Rentenfinanzierung und Mehrwertsteuer und noch einiges mehr haben hier ihren Teil beigetragen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der Nahost-Konflikt haben die allgemeine Verunsicherung der Kundschaft weiter befeuert, folgert Rücker weiter. «Und verunsicherte Konsumenten verzichten im Zweifelsfall auf eine grössere Anschaffung wie ein neues Auto.» Keine kleine Anschaffung für Einwohnerinnen und Einwohner, ordnet der Auto-Schweiz-Direktor ein: «Ein Fahrzeugkauf ist üblicherweise die zweitgrösste Anschaffung eines Privathaushalts nach der Wohnsituation.»

Problemzone Elektro-Mobilität

Auf die globale Wirtschaftslage oder kriegerische Auseinandersetzungen kann die Schweiz nur marginal Einfluss nehmen. Anders sieht es für die Baisse am Schweizer Automarkt hinsichtlich der Elektro-Mobilität aus. Dieser Grund ist von der Politik hausgemacht, findet der Chef von Auto-Schweiz: «Wir stellen eine spürbare Verunsicherung der Konsumenten bei der Antriebsdebatte fest», sagt Rücker. Dabei seien die Elektroautos wegen steigender Reichweiten und sinkender Preisen längst nicht mehr das Problem. Das zeigen auch die Kunden-Fragen im Showroom. «Wo kann ich laden? Was kostet die Energie? Welche App ist die richtige? Kann ich am Arbeitsplatz laden? Welches Einkaufszentrum hat eine Ladestation? Und hundert weitere Fragen beschäftigen Käufer und Verkäufer im Showroom.» Das Ziel müsse sein, dass die Elektro-Mobilität einfacher wird als ein Verbrenner.

Politik gefordert

Das könne die Autobranche nicht allein schaffe. «Die Politik muss wegen der fragwürdigen Rahmenbedingungen bei der Elektro-Mobilität nachsitzen», kritisiert Rücker und nennt die Problemstellen beim Wort: «Wenn ich als Mieter oder Stockwerkeigentümer keine Chance auf eine Ladestation am eigenen Parkplatz habe und damit nicht einen der wesentlichen Vorteile der E-Mobilität nutzen kann, entscheide ich mich im Zweifelsfall gegen ein Elektroauto.»

Für Rücker ist das ärgerlich, weil die Autobranche diese Umstände nicht beeinflussen kann. Er fordert, dass die Politik aktiv werden muss, «mit verstärkten steuerlichen Abzugsfähigkeiten für Hauseigentümer, die in Ladestationen für ihre Mieter investieren. Ebenso müssen die Energiepreise für Strom sinken; die heutige Preiselastizität für das öffentliche Laden ist viel zu gross und macht denen keinen Spass, die vorwiegend unterwegs die Energie aufnehmen müssen. Gerade auch Gewerbetreibende haben so wenig Spass an der Elektro-Mobilität.»

Rücker sieht zwei Hebel, um die Elektro-Mobilität anzukurbeln. Einerseits müsse die Kundschaft die E-Mobilität «erfahren»: «Über 80 Prozent der Menschen, die ein Elektroauto Probe gefahren sind, wollen sich anschliessend auch eines zulegen.» Der zweite Hebel sei der Preis: «Wenn elektrisch fahren mittelfristig günstiger ist als die Nutzung eines vergleichbaren Modells mit Benzin- oder Dieselmotor, ist die Motivation für den Umstieg keine Frage mehr.» Hingegen ist der Auto-Schweiz-Direktor ganz klar gegen Verbote und Subventionen. Die beste Technologie müsse sich ohne Regularien durchsetzen. «Mein Lieblingsbeispiel ist dabei die Telefonzelle von früher gegen das Mobiltelefon; dort hat auch niemand die Telefonkabine der Swisscom verboten.»

Auf eigene Stärken besinnen

Gleichzeitig hält Rücker aber fest, dass die Politik Alternativen wie synthetische Treibstoffe, HVO oder Wasserstoff nicht abwürgen dürfe. «Die Automobilindustrie ist eine der innovativsten der Welt. Sie ist geübt darin, auch in schwierigen Zeiten an eine positive Zukunft und den menschlichen Fortschritt zu glauben.» Deshalb könnte die Autobranche alternative Antriebe finden, von den auch andere Anwendungen profitieren – sofern die Politik keine unnötigen Verbote verhängt. Denn in diesem Fall würden Investitionen in entsprechende Forschung keinen Sinn ergeben, weder für die Mobilität noch für andere Anwendungsformen dieser Energieträger.

Der Verband der Importeure hat im Bundeshaus also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Trotzdem schaut Rücker sehr optimistisch in die Zukunft. «Wir dürfen uns daher nicht entmutigen lassen, wenn die Zahlen derzeit nicht mehr so rasant wachsen wie in den vergangenen Jahren.» Die Autobranche müsse sich auf seine Stärken besinnen. Eine davon sei die Kundschaft: «Herr und Frau Schweizer haben mehr frei verfügbares Einkommen als Bewohner vieler anderer Länder in Europa oder auf der Welt.»

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