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Zukunft der Oldtimer gerettet
Trotz der unaufhaltsamen Elektromobilität werden auch in Zukunft Benzin- und Dieselautos fahren – darunter auch Oldtimer. Mit synthetischem Treibstoff sollen diese umweltfreundlich unterwegs sein. Aber wie reagieren jahrzehntealte Motoren auf die moderne Entwicklung? Die AMAG hat es zusammen mit der Empa untersucht.
Sobald sich im Frühling das erste Mal die Sonne zeigt, holen viele Oldtimer-Liebhaber ihren Liebling aus der Garage und machen eine Ausfahrt. Doch die künftige Mobilität scheint aktuell elektrisch zu sein. Deshalb stellt sich weniger die Frage, ob die Klassiker noch fahren dürfen. Das grössere Problem könnte sein, ob es überhaupt noch Tankstellen geben wird, wo Oldtimer-Fans Benzin oder Diesel für ihre Sammler-Fahrzeuge erhalten.
Mit ziemlicher Sicherheit lautet die Antwort ja. Die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt Empa geht davon aus, dass im Jahr 2040 immer noch rund zwei Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf den Schweizer Strassen fahren werden. Nur werden diese wahrscheinlich nicht mehr mit fossilem Benzin unterwegs sein.
Künstlicher Sprit für Oldtimer?
Die Zukunft dürfte synthetischem Treibstoff, sogenannten Synfuels oder E-Fuels, gehören. Sie werden künstlich hergestellt und gelten als klimaneutral. Denn das bei der Verbrennung ausgestossene CO₂ wurde zuvor aus der Atmosphäre entnommen, womit es sich in einem Kreislauf befindet. Bei Erdöl wird die Luft mit zusätzlichem CO₂ angereichert, welches zuvor in der Erde gebunden war. Die meisten Autobauer haben schon Entwarnung gegeben und versprochen, dass ihre aktuellen Modelle auch mit dem synthetischen Treibstoff problemlos und vor allem klimaneutral fahren.
Hört sich gut an, aber Oldtimer-Besitzende sind heute schon skeptisch. Was macht dieses moderne Zeugs mit dem Motor ihres teuren Schmuckstücks? Die Klassikabteilung des VW-Importeurs AMAG hat während anderthalb Jahren genau das zusammen mit der Empa wissenschaftlich untersucht. Für diese Studie hat der Importeur einen Chrysler Valiant mit Jahrgang 1971 sowie einen VW Golf I von 1978 zur Verfügung gestellt.
Wie sich ein Oldtimer, getankt mit E-fuel fährt, siehst du in unserem Video:
Positive Nebeneffekte
Das Resultat fällt eindeutig aus, sagt der Leiter Fahrzeugantriebe bei der Empa, Christian Bach: «Die Oldtimer laufen auch mit synthetischem Treibstoff einwandfrei.» Der künstliche Sprit unterscheidet sich in der chemischen Zusammensetzung nur minim von fossilen Bleifrei 98. Doch diese kleinen Unterschiede haben sogar einige positiven Nebeneffekte. «Der Synfuel hat leicht lösliche Eigenschaften. Dadurch reinigt er die Antriebskomponenten sogar von Ablagerungen.» Das könnte in Zukunft dazu führen, dass einige Verschleissteilen weniger oft ersetzt und Filter weniger oft gereinigt werden müssen. Da sich diese Ablagerungen teilweise im Motorenöl sammeln, empfiehlt Bach aber, das Öl sicher gleich oft zu wechseln und nicht weniger oft.
Bei den Verbrauchsmessungen hat sich weiter gezeigt, dass die Fahrzeuge leicht weniger Synfuel verbrannten als fossiles Benzin. Doch Bach relativiert diese Resultate: «Die Unterschiede waren zu gering, um daraus grundsätzlich zu schliessen, dass synthetische Treibstoffe effizienter sind. Die Differenz befindet sich im Toleranzbereich von Messungenauigkeiten.»
So hat die Empa getestet
Für die Versuchsreihe wurden zuerst verschiedene Motorenkomponenten wie Vergaser, Treibstoffschläuche, Benzinfilter, Schwimmer oder Benzintank aus klassischen Fahrzeugen in synthetischen Treibstoff eingelegt. Es zeigte sich, dass die Bauteile nicht anders auf Synfuel reagierten als auf Bleifrei 98. Es folgten Verbrauchs- und Leistungsmessungen auf dem Prüfstand, die ebenfalls keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Treibstoffen zutage förderten.
Zuletzt fanden mit den Modellen Chrysler Valiant und VW Golf Fahrversuche statt. Dafür wählten die Empa einen Zeitraum über sieben Monate von Frühling bis Herbst 2023 – die Zeit, in der Oldtimer normalerweise gefahren werden. Während den Testfahrten über rund 3000 Kilometer sassen Mitarbeiter von AMAG Classic am Steuer, welche die Fahrzeuge gut kennen. Sie stellten beim Fahrverhalten keine Unterschiede zum fossilen Benzin fest. Einzige Ausnahme: die Abgase riechen etwas anders, zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter.
Zukunft synthetischer Treibstoffe
Besitzerinnen und Besitzer von Oldtimer können in Zukunft also bedenkenlos synthetische Treibstoffe tanken. Schon in den nächsten zwei Jahren dürften erste Mengen von verschiedenen Herstellern zur Verfügung stehen. Ob sich synthetische Treibstoffe jedoch im motorisierten Individualverkehr durchsetzen wird, ist aktuell ungewiss. Erste Priorität haben Luft- und Schifffahrt, weil elektrische Antriebe dort nicht praktikabel sind. Auch grosse Landwirtschafts- und Maschinen wie Mähdrescher oder Muldenkipper könnten mit synthetischem Diesel klimaneutral betrieben werden.
Es gibt aber auch Argumente, um Synfuels für Autos einzusetzen. Man müsste keine neue Infrastruktur in Form von Ladestationen bauen. Für synthetische Treibstoffe könnten das Tankstellennetz sowie Tanklastwagen und -Schiffe, Pipelines oder Raffinerien weiter genutzt werden. Zudem müssen Kundinnen und Kunden keine funktionierenden Benzin- und Dieselautos durch neue Elektroautos ersetzen. Das wäre ressourcenschonend.
Knackpunkt wird der Preis sein. Aktuell ist synthetischer Treibstoff noch sehr teuer, weil nur kleine Mengen in Versuchsanlagen produziert wird. Christian Bach geht davon aus, dass Synfuels langfristig um die 2,50 Franken pro Liter kosten werden. Das hängt schlussendlich aber auch davon ab, wie und ob der Staat den klimaneutralen Treibstoff besteuern wird.

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