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Das Tempo-Chaos ist perfekt
Das Bundesamt für Strassen will auf Autobahnen ab 2026 zu Hauptverkehrszeiten Tempo 80 einführen, um Stau zu verhindern. Die Idee: weniger Tempo-Chaos. Dabei hat der Bund dieses Durcheinander selbst verschuldet.
Innerorts Tempo 30, ausserorts Tempo 60 und auf Autobahnen Tempo 80. Ist das die Zukunft auf Schweizer Strassen? Nicht nur Städte, sondern auch viele Dörfer wollen Tempo 30 einführen – flächendeckend auch auf Durchgangsstrassen. Damit würde «Generell 50» der Vergangenheit angehören. Um Lastwagen, Wohnmobile und Leute, die sich um ihre riesigen SUV sorgen, gondele ich oftmals eher mit 60 als 80 auf Überlandstrassen. Und jetzt will das Bundesamt für Strassen Astra uns ab 2026 auch noch auf den Autobahnen einbremsen und das Tempo auf 80 reduzieren.
Ja, es heisst aktuell nur in den Stosszeiten morgens und abends, um Staus zu verhindern. Aber bei Tempo 30 hiess es zu Beginn auch, man führe dies nur auf kleinen Quartierstrassen oder um Schulen herum ein. Heute aber sind Tempo-30-Zonen in Schweizer Zentren der Normalfall. Aber nicht nur deshalb glaube ich nicht, dass es nur in den Hauptverkehrszeiten bei Tempo 80 auf Autobahnen bleiben wird. Es ist eine Tatsache, dass es an Wochenenden an den neuralgischen Punkten ebenso staut wie unter der Woche. Teilweise sogar mehr und das mit weniger Lastwagen auf der Autobahn.
Drei Tempos für zwei Spuren
Deshalb habe ich bei der Wirkung der Astra-Massnahmen noch ein paar Fragezeichen. Das Bundesamt will mit dem neuen Tempo-Regime die Geschwindigkeitsunterschiede reduzieren. Alle Fahrzeuge, sprich LKW, Lieferwagen, Reisecars, Anhänger-Gespanne und Autos, würden gleich schnell fahren und so den Platz besser ausnützen. Nur diese Tempo-Unterschiede sind teilweise auch selbst verschuldet. Per 1. Januar 2021 wurde die Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge mit Anhänger von 80 auf 100 km/h erhöht, Reisecars durften schon immer 100 fahren. Wir haben also drei gültige Geschwindigkeiten auf Autobahnen mit mehrheitlich zwei Spuren pro Fahrtrichtung: 80 für die LKW, 100 für Anhänger-Gespanne und Cars sowie 120 für Autos.
Ist ja klar, dass sich die 120 km/h schnellen Autos hinter den 100 km/h schnellen Anhängergespannen und Cars stauen, wenn diese die 80 km/h schnellen LKW überholen. Dann kommen noch die Lieferwagen eines grossen Schweizer Detailhändlers, die freiwillig 105 km/h fahren, Autofahrende, die sich fürchten 120 km/h zu fahren, aber doch nicht mit 80 hinter den LKW herfahren wollen. Wenn dann noch ein Lastwagen zum Elefantenrennen ansetzt und einen anderen LKW überholen will, reihen sich die Autos in Massen dahinter auf. Und gerade die LKW werden bei Tempo 80 noch mehr auf die Überholspur drücken, um langsamere Autos zu überholen.
Tempo-Limits angleichen
Deshalb fände ich es zielführender, das Tempo-Chaos auf der Autobahn zu reduzieren. Entweder werden Cars und Anhängergespannen auf 80 eingebremst oder die LKW sollen auch 100 km/h fahren dürfen. Dazu fände ich es an der Zeit, über ein generelles Überholverbot für Lastwagen zu sprechen. Mit beiden Massnahmen würden sich weniger Pfropfen auf der linken Spur bilden, weil weniger langsame Fahrzeuge die Überholspur blockieren und sich die Autos dahinter aufreihen würden. Dann blieben nur noch die unlösbaren Probleme der notorischen Linksfahrenden sowie jenen, die das Gefühl haben, mit 110 km/h auf der Überholspur fahren zu müssen.
Bevölkerungswachstum bringt mehr Verkehr
Aber diese Tempo-Lösungen sind nur eine Pflästerli-Politik. Am Ende führt kein Weg an einem Ausbau vorbei. Ich weiss, dass viele das nicht gerne lesen und auch ich sorge mich um die Natur. Aber seit der Einführung des Nationalstrassengesetzes 1960 haben wir über sechsmal mehr Fahrzeuge in der Schweiz. Im Jahr 1960 belief sich der Motorfahrzeugbestand gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) noch auf 858'882 Motorfahrzeuge (inklusive LKW, Motorräder, Traktoren und Anhänger). Ende letzten Jahres verzeichnete das BFS 6'368'579 Motorfahrzeuge in der Schweiz. Im gleichen Zeitraum ist die Schweizer Wohnbevölkerung von knapp 5,3 Millionen auf über 8,7 Millionen Menschen gestiegen. Und beim Bevölkerungswachstum ist kein Ende in Sicht.
Die Gegner von Ausbauprojekten befürchten, mehr Strassen würden zu mehr Verkehr führen. Aber mehr Verkehr wird es mit mehr Menschen sowieso geben. Nur wird dieser noch länger stauen, noch mehr Ausweichverkehr generieren und so die Umwelt noch mehr belasten. Wenn wir nicht das Bevölkerungswachstum einschränken oder unsere Freiheit in Form von Mobilität einschränken wollen, müssen wir jetzt handeln: Das heisst, die Strassen ausbauen, um die zukünftigen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft abdecken zu können.

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