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Tabuthema «freiwillig im Stau»
Gemäss ASTRA sind die Staustunden auf dem Schweizer Nationalstrassennetz auf beinahe 40'000 Stunden jährlich angestiegen. In der 9-Millionen-Menschen-Schweiz stösst das Nationalstrassennetz an seine Grenzen. Wobei unter den Pendlern manche zu finden sind, welche dem Verweilen im Stau auch positive Seiten abgewinnen können.
29,3 Milliarden Fahrzeugkilometer legten die Schweizerinnen und Schweizer 2022 auf den Nationalstrassen zurück. Nachdem während Corona weite Teile der Bevölkerung auf Homeoffice umgestiegen sind, stiegen die Staustunden jetzt auf ein Rekordhoch von 39'863 Stunden.
Gemäss dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) bedeutet dies eine Zunahme von 22,7 Prozent. Hauptursache sei die Überlastung des Strassennetzes. Vor allem auf den Zufahrten in Grossstädte wie Zürich, Basel oder Genf verlieren viele Pendler morgens und abends massiv Zeit im Stau.
Weshalb alle zur gleichen Zeit?
Wenn man sich die langen Autoschlangen ansieht, welche Tag für Tag auf die Grossstädte zuschleichen, stellt sich die Frage: Sind wirklich alle diese Autofahrer gezwungen, täglich im Stau zu stehen? Weshalb nutzen nicht mehr Autofahrer die extrem frühen Morgenstunden oder den deutlich ruhigeren Abend zum Pendeln? Und weshalb umfahren im Zeitalter von Apple CarPlay und Android Auto nicht mehr Autofahrer die Staus?
Heute zeigen die Satelliten-unterstützen Navigationshilfen in Echtzeit metergenau jeden Stau an und schlagen die entsprechenden Alternativrouten vor. Weshalb also verlassen nicht mehr Pendler die Autobahnen und gönnen sich eine etwas längere aber oftmals schnellere Route? Eine Antwort lautet: Viele Pendler können dem Verweilen im Stau auch positive Seiten abgewinnen.
Keine mitteilsamen Wichtigtuer
Die meisten Autofahrer fühlen sich allein im eigenen Auto ausgesprochen wohl. Keine fremden Mitreisenden husten einem ins Gesicht. Keine mitteilsamen Wichtigtuer schreien in voller Lautstärke in ihr Smartphone. Keine Sitznachbarn vertilgen eine grenzwertig riechende Pizza Gorgonzola, welche partiell auf dem Boden landet.
Das eigene Auto bietet eine ideale Mischung aus grenzenloser Mobilität und geschützter Privatsphäre. Im eigenen Auto kann man zur Lieblingsmusik auch noch so falsch mitsingen – niemand stört sich daran. Im eigenen Auto kann man über die Freisprechanlage mit seinen besten Freunden den neusten Tratsch austauschen und niemand hört mit. Und benötigt man einen 10-minütigen Power Napp, steuert man den nächsten Parkplatz an. Bei all diesen Vorteilen wird die tägliche Zusatzzeit eines Staus in Kauf genommen.
Staustunden als Quality time
Vielleicht gibt auch die aktuelle Scheidungsrate der Schweiz von 41,5 Prozent einen Hinweis darauf, weshalb so viele Pendler die tägliche Stauzeit in Kauf nehmen. Wer sich zuhause von einem nervigen Ehepartner bereits am Morgen beim Frühstück erste Vorwürfe anhören muss und am Abend ständig in die Enge getrieben wird, dem spielt es kaum eine Rolle, wenn er externe Zeit im Stau verbringt. Aus der Perspektive eines disharmonischen Zuhauses werden Staustunden plötzlich zur Quality time.

Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.
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