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Politik & Wirtschaft •
Lage spitzt sich an Brennpunkten zu

Verkehr löst sich nicht einfach in Luft auf

Schweizer Städten droht der Verkehrskollaps. Blechlawinen kämpfen sich mühsam im Schritttempo über die Hauptverkehrsachsen. Die vermeintliche Lösung rot-grüner Städte: Verbannung des motorisierten Individualverkehrs aus den Zentren. Doch wo soll er stattdessen hin?

Für Pendler gehört das zur Routine: Der morgendliche Blick auf den Staumelder. Er entscheidet über gemütliches Kaffeetrinken oder gehetztes Duschen und Zähneputzen. Wo sind die Strassen bereits verstopft? Schaffe ich es noch rechtzeitig ins Büro, in die Firma oder zu meinem Kunden?

Zeigt der Staumelder die gewünschte Strecke leuchtend rot, löst das Stress pur aus. Wer rund um die grossen Ballungszentren lebt und in der Stadt arbeitet, fährt definitiv nicht freiwillig mit dem Auto zur Arbeit. Trotzdem stürzen sich Tausende in den Morgenverkehr, denn ja, es gibt die Autofahrerinnen und Autofahrer, die schlicht auf dieses Verkehrsmittel angewiesen sind.

Zürich lässt Millionenmetropolen hinter sich

Und das zeigt sich auf den Strassen deutlich. 2022 standen Autofahrerinnen und Autofahrer in Zürich 50 Stunden im Stau. Aufs Jahr gerechnet sind das zwei verlorene Tage, den Ärger hinter dem Steuer noch gar nicht mit eingerechnet. Die Staustunden stammen aus dem «Global Traffic Scorecard». In der Studie werden Verkehrsdaten aus mehr als 200 Städten in 38 Ländern ausgewertet.

Spannend ist hier der internationale Vergleich: Bezüglich Staustunden lässt Zürich Millionenstädte wie Barcelona (47 Stunden) oder Wien (37 Stunden) locker hinter sich. Was Autofahrende also längst wissen, zeigt diese Erhebung deutlich: Das Zürcher Strassennetz ist am Limit. Für eine Verbesserung aller Verkehrsteilnehmenden bräuchte es dringend bauliche Massnahmen. Konkret: Mehr Platz und mehr Strassen – eine einfache Rechnung.

In den letzten Jahrzehnten standen diverse Bauprojekte zur Diskussion. Ende der 1960er-Jahre wurde das Projekt zur «Expressstrasse Y» oder «Zürcher Ypsilon» in Angriff genommen. Die Baupläne sahen vor, die Autobahnen A1 und A3 im Verkehrsdreieck Zürich-Letten zusammenzuführen.

Statt Autos, Velos im Tunnel

Gegen diese Pläne machten die Linken massiv Stimmung. Zwar verloren sie 1974 und 1977 zwei kantonale Volksabstimmungen. Doch die Baupläne wurden zum politischen Ladenhüter ­– bis heute sind sie nicht umgesetzt. Vielmehr beantragte der Zürcher Regierungsrat 2017, das Zürcher Ypsilon endgültig aus dem Nationalstrassennetz zu streichen

Bereits gebaute Teilstücke werden jetzt kurzerhand umgenutzt. Der 192 Meter lange Tunnel unterhalb des Hauptbahnhofes wird 2024 für den Veloverkehr freigegeben.

Ein Affront für alle Autofahrerinnen und Autofahrer, die sich täglich im Schritttempo durch die Stadt quälen und dazu noch die Proteste der Klima-Kleber oder die der Velo-Hardliner von Critical Mass erdulden müssen. Und wer heute mit dem PW in die Innenstadt fährt, muss sich gefühlt für diese Fahrt bereits rechtfertigen. Kommt nach der «Flugscham» jetzt die «Autoscham»?

Tatsächlich könnte es noch schlimmer kommen. Zürich plant für grosse Teile des Strassennetzes Tempo 30. Auch auf den Hauptverkehrsachsen wie der Rosengartenstrasse. Mit über 55'000 Fahrzeugen täglich ist sie verkehrstechnisch Zürichs Hauptschlagader. Aktuell läuft eine Bauausschreibung, die dort zwei zusätzliche Fussgängerstreifen vorsieht, STREETLIFE hat darüber berichtet. Auf der ohnehin schon überlasteten Strasse droht der Stillstand.

Kantonale Autoflotten steigen kontinuierlich an

Und genau hier geht die Rechnung der Stadtregierung nicht auf. Wegen einer verkehrsberuhigten Hauptverkehrsachse fahren nicht weniger Fahrzeuge in die Stadt. Die Zahl der immatrikulierten Autos im Kanton nimmt stetig zu, Klimadebatte hin oder her.

2022 waren 737'000 Personenwagen eingelöst. Das sind 100'000 mehr als noch 2006. Und allein in der Stadt Zürich sind 134'000 Fahrzeuge registriert.

Ähnlich wie bei einem mit Steinen gestauten Bach werden sich diese Fahrzeuge ihren Weg suchen. Ist die Rosengartenstrasse beruhigt, ergiesst sich der Verkehr auf die anliegenden Quartierstrassen. Denn irgendwo muss er ja hin. In Luft auflösen wird er sich sicher nicht.

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