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«Autoposer»: Links-Rechts-Schema versagt
Dröhnende Motoren sind für die einen eine Symphonie, für die anderen eine Pest, die verboten gehört. Für einmal versagt dabei das Links-Rechts-Schema.
Männer und ihre Motoren, das ist eine Geschichte für sich. Heute stellt man fest: Auch immer mehr Frauen zelebrieren ihre Leidenschaft für laute und weniger laute Motoren. Als politischer Kampfbegriff hat sich «Autoposer» etabliert. Er steht für Leute, die Freude am Fahren haben und das auch zeigen – oder eben negativ formuliert: Für Bluffer und Protzer, die in belebten Orten unnötige Runden drehen und unnötig Lärm verursachen, um aufzufallen.
Interessant ist dabei, dass bei der Beurteilung des Phänomens die parteipolitischen Grenzen verschwimmen. Das Links-rechts-Schema hilft für einmal nicht weiter. «Lärmige Folgen der Zuwanderung: Protz-Poser in Rorschach beschallen die ganze Region. Manchmal fast rund um die Uhr», beschwerte sich SVP-Politiker Christoph Mörgeli in der «Weltwoche» (STREETLIFE berichtete). Auch von anderen bürgerlichen Zeitgenossen hört man, dass sie «diesen Lärm» am liebsten verbieten lassen würden.
Umgekehrt konnte man im «Magazin» des linken «Tages-Anzeiger» einen einfühlsamen Bericht über eine «Spritztour mit Autoposern» lesen («Von der Polizei fühlen sie sich schikaniert, von den Medien missverstanden»). Auch das Schweizer Radio und Fernsehen gab sich verständnisvoll und konnte dabei «mehr als nur Lärm» erkennen: nämlich eine tiefsitzende «Leidenschaft».
«Protz-Poser» aus dem Balkan?
Kolumnist Mörgeli macht daraus ein Ausländerpolitikum: «Dass die Fahrer dieser veränderten Lärmmonster hauptsächlich aus der Balkanregion stammen, ist ein offenes Geheimnis.» Allerdings gibt es auch zahlreiche Schweizer und alteingesessene Eidgenossen, die durchaus Freude an kernigen Motorengeräuschen haben (der Schreibende inklusive).
Eine Kollegin erzählte mir begeistert von ihrer Harley Davidson und von deren Klappenauspuff. Ein richtiger Sound gehöre da einfach dazu. Das Praktische an der Klappe: Man kann sie schliessen. «Halt die Klappe» sozusagen, wenn man durchs Wohnquartier fährt.
Die Motorgengeräusche – für die einen eine Symphonie, für die anderen eine Pest – haben längst auch die Berner Politik erreicht. Der Bundesrat hat bereits im September 2022 Massnahmen vorgeschlagen, um «unnötigen Lärm» zu «verhindern». Dazu soll die Liste der Fahrmanöver, die als Erzeugung von unnötigem Lärm gelten, erweitert werden. Entsprechendes Fahrverhalten soll nicht mehr nur in Ortschaften und nachts, sondern «überall und zu jeder Tageszeit als strafbare Belästigung gelten». Um solche Verstösse sowie «lärmrelevante Fahrzeugmanipulationen» einfacher zu ahnden, wurden neue Ordnungsbussentatbestände definiert. So soll beispielsweise gebüsst werden, wer den Motor «unnötig aufheulen» lässt.
«Allgemeine autofeindliche Ideologien»
Die Verschärfungen haben aber auch Kritik hervorgerufen. Der Schweizerische Gewerbeverband sieht darin einen «Ausdruck einer allgemeinen autofeindlichen Ideologie, welche die Gefahr von Willkür birgt». Der Automobilclub Schweiz (ACS) kritisiert, dass die Massnahmen «generell auf alle Motorfahrzeuglenkerinnen und -lenker» abzielten, obwohl nur eine ganz kleine Minderheit von ihnen absichtlich unnötigen Lärm verursache. Zudem würden Motorfahrzeuge international entwickelt und könnten bereits heute nur importiert werden, wenn sie die hiesigen Gesetzgebungen, auch bezüglich Lärmemissionen, einhielten.
Eine weitere in dieser emotionalen Debatte gerne unter den Tisch fallende Tatsache ist, dass die technologische Entwicklung der Motoren eindrückliche Fortschritte gemacht hat. Sie werden nicht nur immer kleiner, sondern auch leiser. Eine völlig unverdächtige Quelle in diesem Zusammenhang ist das Bundesamt für Umwelt. Es schreibt: «Das Abrollgeräusch der Reifen verursacht bei konstanter Fahrt bereits ab 20 km/h mehr Lärm als das Antriebsgeräusch der Autos.» Mit leiseren Reifen lasse sich deshalb «der Lärm markant reduzieren, und zwar direkt an der Quelle».
Da kann man schon ins Grübeln geraten. Autoposer – also viel Lärm um nichts? Auf jeden Fall aber lässt sich festhalten: ziemlich viel Lärm um wenige.

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