Werbung
Stadtpräsident will Autoposern die Einbürgerung erschweren
Sogenannte Autoposer sorgen in Rorschach regelmässig für ohrenbetäubenden Lärm und ziehen damit den Zorn der Stadtbewohnerinnen und -bewohner auf sich. STREETLIFE hat das Streitgebiet am Bodensee besucht und mit Anwohnenden und Autofans gesprochen.
Rorschach – eine Stadt am Brennpunkt. Während auf der einen Seite Menschen die idyllische Szenerie am Bodensees geniessen, wollen andere mit ihren getunten und teuren Autos die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vor allem an der Hauptstrasse belästigen sie mit Lärm und Abgasen die ganze Stadt.
Der laute Motorenlärm und die knallenden Auspuffe sind zum Leid der Anwohnerinnen und Anwohner omnipräsent. «Wohnt man direkt an der Hauptstrasse, ist man diesem Krach völlig ausgeliefert. Ältere Leute, Tiere oder Eltern mit Babys erschrecken sich regelmässig auf den Strassen. Das ist hochgradig unanständig», kritisiert Stadtpräsident Robert Raths die anhaltende Lärmbelästigung der Stadt durch Autoposer. «Das zerrt schlichtweg an der Lebensqualität», schiebt der FDP-Kantonsrat nach.
Lärm wertet Stadt ab
Auch unter den Anwohnerinnen und Anwohner hat man vom Autokrach die Schnauze voll. «Hält man mit einer Freundin ein Schwätzchen auf der Strasse ab und ein solches Auto fährt laut vorbei, ist das sehr unangenehm», sagt Annemarie Lütscher aus Rorschacherberg gegenüber STREETLIFE. Auch Maria Signer ist von den Autoposern genervt: «In Rorschach ist vieles neu und sehr schön gemacht. Dieser dauernde Lärm wertet die Stadt ab.»
Hansueli Keller geht sogar einen Schritt weiter. Der Rentner aus St. Gallen besucht das Städtchen am Bodensee regelmässig und kann den Motorenlärm nicht mehr hören. «Dieses Problem besteht seit Jahren, und der Kanton macht einfach nichts dagegen. Wenn du als Anwohner deshalb sogar wegziehen willst, läuft politisch etwas mächtig falsch.»
Die Situation im Ort eskalierte vor einigen Wochen, als unbekannte Anwohner die teuren Autos mit faulem Gemüse und Kartoffeln bewarfen. Eine Tat, die Stadtpräsident Raths nicht gutheisst, aber auch nicht verurteilt. «Die Toleranzgrenze der Leute, die den Lärm seit zehn, zwanzig Jahren mitmachen müssen, ist ausgeschöpft. Sie haben keine Nerven mehr. Dennoch: Das ist nicht die Lösung des Problems.»
Einbürgerung erschweren oder verhindern
Die Lösung des Problems sieht Raths in der Einführung von härteren gesetzlichen Vorgaben, die das Autoposen im weitesten Sinne verbietet. «Die Massnahmen, die im Kanton St. Gallen bisher eingeführt wurden, haben nicht nachhaltig gefruchtet. Vielleicht kommt irgendwann endlich ein Verbot für offene Auspuffklappen an Neuwagen oder sonst irgendwelche Massnahmen zu unseren Gunsten.»
Bis dahin geht Raths seiner eigenen Strategie nach, um die andauernde Störung auf den Rorschacher Strassen zu bekämpfen. So hat der Kanton einen Flüsterbelag an der Hauptstrasse auslegen lassen. «Doch dieser hilft nicht, wenn die Auspuffe knallen», so Raths frustriert. Weiter notiere er sich die Kennzeichen der auffälligen Autos und schreibe den Halterinnen und Haltern Briefe, worin er sie dazu auffordert, mit der Lärmbelästigung aufzuhören. Und: «Sind die Lenkerinnen und Lenker auch in der Stadt Rorschach wohnhaft, so wird eine Notiz zu den Akten gelegt, um eine potenzielle Einbürgerung zu erschweren oder gar zu verhindern», so der Stadtpräsident.
Polizei ist in Bereitschaft
Das Lärmproblem durch Autoposer geht über die Stadtgrenze von Rorschach hinaus. Auf Anfrage von STREETLIFE gehen bei der Kantonspolizei St. Gallen wöchentlich mehrere Meldungen von Lärmbelästigung durch Autoposer aus dem ganzen Gebiet ein. «Wir sind zur Bekämpfung dieses Problems im Rahmen unserer Möglichkeiten im Einsatz», heisst es seitens der Kapo SG.
Weiter gibt die Polizei zu verstehen, dass ihnen gesetzlich die Hände gebunden sind. «Ein Ordnungsbussenverfahren ist seitens Gesetzgebung nicht vorgesehen. Aber auch das Ausstellen einer Ordnungsbusse würde nicht automatisch dazu führen, dass eine gebüsste Person danach das Verursachen von vermeidbarem Lärm unterlässt.»
Dennoch: Gemäss Robert Raths sind häufigere und gezielte Kontrollen durch die Kantonspolizei St. Gallen in Rorschach geplant. Wie diese aussehen sollen, könne man aber aus strategischen Gründen nicht verraten.
«Ich fahre nicht durch Rorschach, um zu posen»
Doch wie sehen die Verursacher die Situation? Fühle sich Fans von sportlichen Autos in Rohrschach zu Unrecht an den Pranger gestellt? STREETLIFE hat in der Umgebung Rorschach mit Autoposern gesprochen. Der 19-jährige Sam Salgrif aus Amriswil sagt: «Laute Autos zu fahren, ist etwas Geiles. Das gehört zu unserem Alter dazu». Er fährt regelmässig durch Rorschach, um zu einem der Hotspots in der Region zu kommen. Wegen seines lauten Auspuffs hat der Neulenker auch schon böse Blicke im Ort kassiert. Dennoch ist das Bewerfen von Autos mit Gemüse nicht okay, findet er: «Statt uns zu bewerfen, würden die Leute lieber direkt zu uns kommen und mit uns reden».
Auch G.I* fährt mit seinem BMW M5 regelmässig durch das Städtchen am Bodensee. «Es ist die beste Strecke, um herumzufahren», meint er. Er selbst sieht sich nicht als Autoposer, seinen BMW zeigt er aber gern auf der Strasse. «Ich finde meinen Wagen toll und möchte ihn zeigen. Ich drücke dafür aber nicht unnötig aufs Gas», sagt er.
Die Selbstjustiz der Anwohner kann er nicht verstehen. «Ich sehe regelmässig Streifenwagen der Kapo SG. Dass wir dann mit Dingen wie Gemüse beworfen werden, gefällt mir nicht.» Darum wünscht sich der Autofan: «Lasst uns in Ruhe. Wenn ihr euch gestört fühlt, kommt auf uns zu, aber bewerft uns nicht mit Dingen. Dann nehmen wir uns auch zurück.»
Ob sich eine Lösung für das Lärmproblem in Rorschach finden lässt? Eines ist sicher: Im Kampf um seine Stadt wird Robert Raths nicht aufgeben. «Solange ich in dieser Stadt etwas zu sagen habe, akzeptiere ich diesen Lärm nicht. Ob es nun durch direkte Briefe oder Gespräche passieren muss – ich gebe nicht auf.»
*Name der Redaktion bekannt.
Schweizweit gezielte Lärmkontrollen
Von Autos und Töffs verursachter Lärm ist in der Schweiz ein viel diskutiertes Thema. So testet der Bund derzeit eine Lärmmessanlage in Röschenz im Kanton Baselland, um die Lärmproblematik, welche besonders Anwohnerinnen und Anwohner an Passstrassen oder an Strassen mit viel Verkehr betreffen, in den Griff zu kriegen.
Bis dahin werden immer wieder Polizeikontrollen an stark frequentierten Strassen und Hotspots durchgeführt. Zuletzt im Kanton Wallis. Am Wochenende des 30. Augusts auf den 1. September wurden 13 Fahrzeughalter wegen illegal modifizierter Autos angezeigt.

Hast du etwas beobachtet?
Werbung






