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Reichweiten-Angst: Wenn 200 Kilometer zu knapp sind
Der RZ ist der zweite elektrische Lexus. Leider ist in Sachen Reichweite kein Fortschritt zu spüren, sondern eher ein Rückschritt. Das trübt den STREETLIFE-Auto-Check eines ansonsten guten Elektro-SUV.
Noch eine Kurve. Nochmal die fast leere Batterie bemühen und herausbeschleunigen. Ich schwitze, aber nicht vom Kurbeln am Lenkrad. Die Ladestandanzeige ist auf unter 20 Prozent gefallen. Noch 19 Kilometer, bis die Batterie leer ist. Wann kommt endlich die Ortseinfahrt zu Arosa? Das Navi sagt: Noch knapp einen Kilometer. Sollte reichen. Das habe ich auch vor 176 Kilometer gedacht, als ich zu Hause in Schaffhausen mit voller Batterie losgefahren bin.
Es tut mir leid, Lexus, aber das ist zu wenig. Wenn ich mit voller Batterie losfahre, müssen mehr als 200 Kilometer möglich sein – nicht nur auf der Anzeige. Vor allem, wenn der RZ schon das zweite Elektromodell nach dem kleinere UX ist und dieser mit einer ähnlich grossen Batterie gleich weit kommt.
Ich kann dem RZ zugutehalten, dass er schon bei der Abfahrt in Schaffhausen eine Reichweite von 260 Kilometern anzeigte. Da gibt es andere aktuellen Elektroautos, die bei der Abfahrt über 400 Kilometer versprechen und dann auch nur 200 Kilometer schaffen. So oder so, 200 Kilometer sind für ein Alltagsauto zu wenig. Mit einem vollgeladenen Elektroauto sollte in der Schweiz jeder Ort erreichbar sein – ohne unterwegs laden zu müssen. Am Ziel dann für den Rückweg zu laden, geht in Ordnung, aber ein Weg sollte machbar sein. So gross ist die Schweiz nicht.
Kälte und zu viel Vorsicht
Es bleibt die Frage, wieso der RZ bei voller Batterie nur 230 Kilometer Reichweite anzeigt. Denn gemäss offiziellere Lexus-Angabe beträgt die WLTP-Reichweite über 400 Kilometer. Ein Teil der geringen Reichweite ist auf die winterlichen Temperaturen zurückzuführen. Diese kostet gemäss einem umfangreichen Test des TCS rund 25 Prozent. Dann müssten aber immer noch rund 300 statt 200 Kilometer drin liegen.
Die weiteren Verluste lassen sich am besten mit japanischer Vorsicht erklären. Bei der Batteriekapazität von Elektroautos wird zwischen Brutto und Netto unterschieden. Denn die Hersteller geben nicht die gesamte Bruttokapazität der Batterie frei, um das Fahrzeug anzutreiben. Ein Teil wird zur Energieversorgung der Fahrzeugelektronik und als Reserve genutzt, sollte einem doch einmal der Strom ausgehen. «Diese Sicherheitsmarge ist bei der aktuellen Programmierung grosszügig berechnet», erklärt Importeur Lexus Schweiz auf Anfrage von STREETLIFE. «Die Kundinnen und Kunden sollen sich sicher fühlen und bei leerer Batterienanzeige noch eine Reserve zu Weiterfahrt nutzen können.» Mir stellt sich die Frage, wer fährt das Elektroauto wirklich leer? Ich würde es nicht tun und fühle mich sicherer, wenn das Elektroauto diese offensichtlich vorhandene Reichweite auch anzeigt.
Besserung in Sicht
Der Lexus-Importeur sagt hierzu: «Mit dem in Kürze anstehenden Software-Update wird sich die Reichweite merklich verbessern». Hierzu wird die verfügbare Netto-Kapazität erhöht und die Sicherheitsmarge verkleinert. Die neue Software soll voraussichtlich im ersten Quartal auf alle Fahrzeuge ausgespielt werden. Dann dürfte der Elektro-SUV Reichweiten erreichen, um ihn als Erstauto nutzen zu können und den Einstiegspreis von 69'900 Franken in der Liga akzeptabel machen.
Von der Ausstattung ist der Preis schon heute gerechtfertigt und der RZ auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes. Auf den bequemen Alcantara-Sitzen mit Heizung und Lüftung könnte ich locker mehr als 200 Kilometer am Stück fahren. Der grosse Touchscreen lässt sich einfach und intuitiv bedienen – gleiches gilt für die Smartphone-Kopplung.
Bis auf die neuen EU-Sicherheitswarnungen für Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit lassen sich für wichtige Bedienungen Shortcuts einrichten, die dank grosser Schaltflächen auch während der Fahrt leicht zu treffen sind. Nur in der Navikarte könnten sich die Strassen teilweise etwas besser vom Hintergrund abheben, um sie zu erkennen. Aber die Richtungsänderungen projiziert mir das scharfe Head-up-Display auch auf die Strasse.
Gutes Winterauto
Die geringe Reichweite bei Kälte ist doppelt ärgerlich, denn gerade bei winterlichen Strassenverhältnissen kann der RZ überzeugen. Sein Allradantrieb vermittelt mir bei der Fahrt durch den winterlich weissen Schwarzwald auf den Feldberg jederzeit ein sicheres Gefühl am Steuer. Mit je einem Elektromotor pro Achse und 313 S (230 kW) sowie 435 Nm Systemleistung ist immer genug Vortrieb vorhanden und auch in schneebedeckten Kurven hält der Lexus-SUV die Spur.
Die Beschleunigung ist für ein Elektroauto überraschend zurückhaltend. Aber der RZ ist ja auch kein Sportwagen. Zudem ist es angenehm für einmal das Gaspedal eines Stromers nicht antippen zu müssen, als würde ich über rohe Eier gehen, damit meine Frau auf dem Beifahrersitz nicht gleich ein Schleudertrauma von der Beschleunigung bekommt. Praktisch: mit den Lenkradpaddels kann ich je nach Fahrsituation zwischen vier Rekuperationsstufen wählen.
Fazit
Wagt etwas mehr, liebe Japaner. Der RZ ist grundsätzlich ein gutes Auto. Aber ich will mit einem 70’000-Franken-Fahrzeug im Winter nicht frieren, weil ich die Heizung abstelle, um mehr als 200 Kilometer weit fahren zu können. Es braucht nicht so viel versteckte Sicherheitsmarge, denn praktisch niemand fährt den Akku wirklich leer. Das kommende Software-Update sollte hier Abhilfe schaffen. Denn abgesehen von 234 Kilometern Testreichweite ist der RZ ein attraktiver Elektro-SUV für alle, die sich etwas vom Mainstream abheben wollen
Lexus RZ Furry 450e Excellence: Fakten
- Motor: 2 Elektromotoren, 313 PS (230 kW) und 434 Nm@1/min
- Antrieb: 1-Stufen-Automatik, Allrad
- Batterie: Brutto/Netto 71,1/64 kWh
- Fahrleistung: 0-100 km/h in 5,3 s, Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
- Verbrauch: Werk/Verbrauch 18,3/27,3 kWh/100 km = 404/234 km Reichweite
- Länge/Breite/Höhe: 4,91 m / 1,90 m / 1,64 m
- Laderaum: 522 bis 1515 Liter
- Leergewicht: 2181 Kilogramm
- Preis: ab 86’400 Fr, (Basis-Ausstattung Impression: 69’900 Fr.)
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