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Ist dieser Jeep ein Blender?
Die amerikanische Geländemarke Jeep wird elektrisch. Der Avenger ist das erste reine Elektromodell der Kultmarke. Aber die grosse Historie der Marke kann zur Bürde werde. Denn Fans haben klare Vorstellungen, was ein Jeep ist und können muss. Ob der Avenger diese Vorstellungen erfüllt, lässt die Auto-Checker von STREETLIFE hitzig debattieren.
Aellig: Der Jeep Avenger erinnert mich ein wenig an eine französische Bulldogge. Optisch voll auf robust gestylt. Ein kleiner Geländekampfzwerg, der in der Begegnung mit grösseren Gegnern insgeheim hofft, dass es nicht zur ernsthaften Auseinandersetzung kommt. Mir gefällt der Avenger auf Anhieb, weil er stimmig und frech gestaltet ist. Ein modischer SUV. Die Produktstrategen von Stellantis haben erkannt, dass den urbanen Kunden ein wenig Jeep-Optik für das Freiheitsgefühl ausreicht. Wichtiger scheint, während der Fahrt zur nahegelegenen Kita unseren Planeten zu schonen. Eigentlich geht Stellantis mit dem Jeep-Erbe recht locker um. Der Name Avenger bedeutet Rächer und damit lacht der urbane Elektrojeep auch gleich über sich selbst. Ein cooles und schönes Auto.
Bartholdi: Aellig lässt sich von Jeep blenden. Ich bin gar nicht überrascht, dass ihm der Avenger gefällt. Auf den ersten Blick hat er alles, was ein SUV haben muss: selbstbewusste Front, grosse Räder und Plastikverkleidungen an den Radhäusern. Aber wer sich den Stromer genauer anschaut, findet heraus, mit einem SUV hat das nicht mehr viel zu tun. Die Abmessung sind die eines Kleinwagens wie dem VW Polo. Im Vergleich zu diesem hat der Avenger nur sechs Zentimeter mehr Bodenfreiheit. Das ist marginal und macht aus ihm noch keinen echten Jeep. Ja, er sieht cool aus, aber die Optik blendet und verspricht mehr als der Avenger kann.
Liebe zum Detail
Aellig: Die Designer haben liebevoll den berühmten Jeep-Frontgrill mit seinen sieben Lüftungsschlitzen als Piktogramm auf den Felgen oder auf dem Frontstossfänger zitiert. Die Liebe zum Detail setzt sich auch im Innendesign fort. Aktuell ist mir nur der kommende Volvo EX30 bekannt, welcher über ein noch reduzierteres und noch minimalistischeres Interieur verfügt. Auf nur zwei Tastenreihen sind alle manuellen Funktionen platziert. Die restlichen Funktionen werden am Steuerrad oder über das Display angewählt. Besonders gefällt mir, wie sich die Aussenfarbe innen fortsetzt.
Bartholdi: Was den Innenraum angeht, bin ich für einmal mit Aellig einig. Er ist sehr aufgeräumt: wenige wichtige Knöpfe und Drehschalter für Lautstärke und Klimaanlage, dazu ein schicker Touchscreen mit 10,25 Zoll (ca. 26 cm). Das gefällt mir. Die offene Ablagefläche von der Mitte zur Beifahrerseite weckt den Abenteurergeist. Bei den Jeep-Details hingegen teile ich Aelligs Meinung nicht. Ja, sie sind hübsch gemacht und gefallen vielen Kundinnen und Kunden bestimmt. Trotzdem frage ich mich: Braucht es die, damit die Insassen nicht vergessen, dass sie in einem Jeep sitzen? Ich glaube, echte Fans kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Avenger nur ein anderes Elektroauto ist, aber eben kein Elektro-Jeep.
Pentti Aellig
Schon als Kind begeisterte ich mich für Autos. Mit 12 fuhr ich (unerlaubterweise) bereits mit dem elterlichen Citroën 2CV herum. Mit 15 reiste ich alleine an ein Formel-1-Rennen in Monza. Und mit 22 kaufte ich mir einen Peugeot 205 GTI. Die Liebe zu dynamischen Hot Hatches ist geblieben: Als jahrelanger Porsche 911-Fahrer bin ich im Zeitalter der Klimaproteste auf einen unauffälligen Toyota GR Yaris umgestiegen. Die vielen neu erscheinenden Steckerautos verfolge ich neugierig, aber die Entwicklung ökologisch verbesserter Verbrennermotoren schreibe ich noch nicht ab.
Der Franzose im Ami-Pelz
Bartholdi: Der Grund ist relativ einfach. Unter der Jeep-Hülle steckt Peugeot-Technik. Durch die Fusion mit dem französischen Konzern zu Stellantis hat die US-Marke nun Zugriff auf die Elektroplattform von Peugeot. Vorteil: Jeep spart sich Entwicklungszeit sowie Kosten und kann mit dem Avenger schneller ein Elektromodell auf den Markt bringen. Nachteil: der SUV wird dem Offroad-Anspruch der Marke nicht gerecht. Er hat noch nicht einmal Allrad, weil das die Peugeot-Technik noch nicht hergibt. Auch hier blendet der Jeep. Ich bin gespannt, wie Aellig das schönreden will...
Aellig: Jetzt nennt Bartholdi den Avenger einen Blender, nur weil er auf der französischen Elektroplattform eCMP2 von Stellantis aufbaut? Für Bartholdi muss ein Jeep vermutlich zwingend in Ohio produziert werden und sich durch den berüchtigten Rubicon Trail schleppen können. Aber der Avenger ist halt next generation und multikulti: Sein Markenursprung stammt zwar aus Ohio. Geboren wurde er aber im Designstudio in Italien. Produziert wird er in Polen. Und er nutzt halt die Stellantis-Plattform seiner französischen (Peugeot, Citroën, DS), italienischen (Fiat) und deutschen Geschwister (Opel). Bartholdi muss sich halt erst daran gewöhnen, dass im modernen Autobau bestehende Grenzen überwunden werden.
Martin A. Bartholdi
Mit dem Autofieber haben mich die Kult-TV-Serie «Knight Rider» und das Formel-1-Rennen in den Strassenschluchten von Monte Carlo infiziert. Noch heute zaubern mir US-Sportwagen mit langen Motorhauben wie der Ford Mustang und wendige Kurvenkratzer wie der Mazda MX-5 ein Lächeln ins Gesicht. Mit Kombis und vor allem SUVs kann ich allerdings nur wenig anfangen, dann doch lieber echte Geländewagen. Wohl die Schuld des Computerautos K.I.T.T. ist auch, dass ich gerne neue technische Spielereien ausprobiere, seien es Assistenten, Infotainment oder Vernetzung.
Zwischen schwammig und souverän
Bartholdi: Vielfalt ist wundervoll, aber umso wichtiger ist es doch, seiner eigenen Identität treu zu bleiben. Erst recht, bei einer so grossen Automobil-Vergangenheit wie Jeep. Aber diese wird beim Avenger ausgeblendet und er so zum Massen-SUV. Was ihm bei den Fahreigenschaften sehr guttut. Hier kann mich der Avenger überzeugen. Er fährt sich souverän und dank des kurzen Radstandes kommt sogar etwas Fahrspass auf. Die Lenkung könnte dafür etwas direkter sein, aber ein Jeep soll ja auch kein Kurvenmeister sein. Vielmehr ist der Avenger ein ideales Alltagsauto ohne viel Kompromisse. Vom Fahrwerk über Bremsen und Beschleunigung bis zur Lenkung sticht er in keiner Disziplin negativ oder positiv heraus. Selbst die Reichweite ist alltagstauglich, auch wenn es im Test nicht ganz für 300 Kilometer reichte.
Aellig: Beim Fahrwerk des Avenger scheint mir Bartholdi wieder ein weniger objektiver zu sein. Er bemängelt zu Recht die zu indirekte Lenkung. Ich sehe das noch eine Stufe kritischer. Mir ist der urbane Elektrojeep schlicht zu schwammig und weich. Selbst bei der Fahrt zur Kita hätte ich gerne eine etwas deutlichere Rückmeldung von der Strasse. Der Elektroantrieb ist im Eco-Modus schlicht zu schmalbrüstig, aber für das Überholen eines Lastenrades reicht es allemal. Wären wir bei unseren Testfahrten weniger auf der Autobahn unterwegs gewesen, hätten wir die 404 Kilometer Reichweite nach WLTP vermutlich erreicht.
Unser Schlusswort
Fazit Bartholdi: Ich bleibe dabei, Aellig. Der Jeep Avenger ist ein Blender. Nicht etwa, weil er ein schlechtes Auto wäre. Das ist er nicht. Er ist ein sehr gutes Elektroauto für den Alltag, mit dem nötigen Komfort und Platz. Aber er ist meiner Meinung nach schlicht kein Jeep. Die heutigen Jeep-Fans wird er nicht für sich begeistern können. Aber ich kann ihm zugutehalten, dass er wahrscheinlich viele neue Fans für die US-Geländemarke gewinnen kann
Fazit Aellig: Der Jeep Avenger ist kein Blender, sondern ein witziges, modernes, urbanes Elektroauto im SUV-Look. Der optisch voll gelungene Stellantis-Nachwuchs ist zwar kein klassischer Jeep, aber er ist ein modischer Öko-Jeep, der ein neues Kapitel aufschlägt und damit ein neues Zielpublikum erschliesst. Übrigens hat der Avenger überdurchschnittlich viele Komplimente bekommen.
Jeep Avenger Summit: Fakten
- Motor: Elektromotor, 156 PS (115 kW) und 260 Nm@1/min
- Antrieb: 1-Stufen-Automatik, Frontantrieb
- Batterie: Brutto/Netto 54/51 kWh
- Fahrleistung: 0-100 km/h in 9,0 s, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
- Verbrauch: Werk/Verbrauch 16,4/18,6 kWh/100 km = 404/275 km Reichweite
- Länge/Breite/Höhe: 4,08 m / 1,78 m / 1,53 m
- Laderaum: 355 Liter
- Leergewicht: 2146 Kilogramm
- Preis: ab 43’990 Fr, Testfahrzeug mit Ausstattung (Lackierung 1200 Fr.): 45’190 Fr. (Basis, 100 PS, Benzin: 29’990 Fr.)
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