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Sportskanone im Schnell-Check

Wie es der stärkste Abarth aller Zeiten seinen Kritikern zeigt

Abarth wird zur reinen Elektromarke. Als Folge präsentiert die italienische Sportmarke mit dem 600e das stärkste und grösste Modell aller Zeiten. Aber reichen diese Superlative, um im Schnell-Check von STREETLIFE zu punkten?

Paparazzi-Faktor

Ja, ich bin ein Farben-Fan. Meiner Meinung nach müssen unsere Strassen wieder bunter werden und mehr Freude verbreiten. Deshalb haben Autos mit knalligen Farben einen Pluspunkt bei mir. Und Abarth scheint ähnlich zu denken, denn vom 600e gibt es die sportlichere Version «Scorpionissima» nur bunt. Schwarz und weiss sind nur für die schwächere Einstiegsversion «Turismo» verfügbar. Aber nicht nur das Violett «Hypnotic Purble» lässt den neuen Abarth 600e richtig scharf aussehen. Besonders am Heck lässt der sportliche Italiener seine Muskeln spielen.

Das Dach endet in einem schwarzen, kantigen Heckspoiler und an Stelle eines Stossfängers gibt es unten einen ebenfalls schwarzen Diffusor.

Damit macht der 600e schon mal optisch seinem Namen alle Ehre. Abarth ist die Sportwagen-Marke von Fiat wie beispielsweise AMG bei Mercedes oder GTI bei VW. Der Name geht auf den in Wien geboren Gründer Carlo Abarth (1908 -1972) zurück, der über das Südtirol Italiener wurde. Er motzte sehr erfolgreich Fiats für Autorennen auf. Drei Merkmale prägten seine Sportwagen: stark, klein und bissig! Wie der Skorpion im Markenlogo, der auch Abarths Sternzeichen war. Dieselben Tugenden sollen auch die jetzt kommenden elektrischen Abarths prägen.

Harassen-Faktor

Nur das Merkmal klein scheint zu verschwinden. Das deutet zumindest die jüngste Inkarnation des Skorpions an. Mit dem 600e springt Abarth auf den SUV-Trend auf und präsentiert somit sein bisher grösstes Modell. 4,19 Meter lang und 1,8 Meter breit ist die italienische Sports-Kanone und bietet im Kofferraum ein Ladevolumen von 360 bis 1231 Liter. Das übertrifft zwar jeden Abarth, aber unter den City-SUV hat der 600e damit einen eher kleinen Kofferraum. Wer jedoch nicht gerade jede Woche ins Möbelgeschäft fährt, sollte immer noch eher selten an Grenzen stossen.

Monza-Faktor

280 PS liefert der Elektromotor im 600e und macht den City-SUV zum stärksten Abarth aller Zeiten. Und das ohne Gehörschutz wie bei den benzinbetriebenen Alternativen. Mit der Leistungsspritze sollen die zahlreichen Kritiker besänftigt werden, die in einem Elektroantrieb einen Verrat an Carlo Abarth sehen. Dass es Abarth ohne diesen Wandel gar nicht mehr geben würde, ignorieren diese Kritiker. Aber will Abarth auch die Fans vergraulen, die der Elektromobilität offen gegenüberstehen? Diese Frage beschäftigt mich auf den ersten Kilometern, den die vermeintliche Rennsemmel fährt sich ganz gesittet.

Selbst wenn ich am Ortsausgang das Gaspedal ganz durchtrete, lässt der Skorpion jeglichen Biss vermissen. Ist der 600e ein Täuscher? Macht optisch auf sportlich und liefert dann nicht?

Nein. Es liegt am Fahrmodus «Turismo». In diesem ruft das System nur 150 PS Motorleistung ab. Wer die volle Leistung von 280 PS ausfahren will und somit in 5,9 Sekunden auf Tempo 100 sprinten will, muss in den Modus «Scorpion Track» wechseln. Der ist aber, wie es der Name schon andeutet, eher für die Rennstrecke gedacht. Dazwischen positioniert sich der Fahrmodus «Scorpion Street», in dem 200 PS Motorleistung zur Verfügung stehen. In beiden wird der 600e deutlich bissiger und tritt flotter an. Auch die Gasannahme und die Lenkung werden direkter.

Aber will ich einen grundsätzlich zahmen Abarth, den ich bei jeder Fahrt zuerst schärfen muss? Oh ja! Denn sobald ich in den sportlicheren Fahrmodus wechsle, fällt die Reichweite um über zehn Kilometer – von Turismo auf Street und von Street auf Track gleich nochmal.

Nerd-Faktor

Während die Reichweite mit Lichtgeschwindigkeit sinkt und der 600e im richtigen Modus eine rasante Sportskanone ist, entschleunigt das Infotainment. Das verbreitete System aus dem Stellantis-Konzern, welches unter anderem auch im Jeep Avenger, Peugeot 208 oder Opel Mokka zum Einsatz kommt, reagiert eher gemächlich auf Eingaben. Die Reaktion ist so träge, dass ich oft denke, der Touchscreen hätte meinen Fingertipp nicht registriert – ich tippe erneut und löse dadurch versehentlich die falsche Funktion auf dem nächsten Bildschirm aus.

Wenn sich das nicht per Software-Update beheben lässt, braucht das Facelift dringend neue Hardware.

Nur per Zufall habe ich in dem System den Sportsound für den Abarth 600e gefunden. Vermisst habe ich ihn nicht. Ich schätze zwar den vollen Klang eines schönen V8-Motors, aber wenn ich schon ein E-Auto fahre, dann geniesse ich auch die damit verbundene Ruhe. Die künstlichen Sounds in Stromern haben mich bisher nicht überzeugt und eher genervt. Der Abarth bildet hier keine Ausnahme.

Planeten-Rettungs-Faktor

Der Elektroantrieb ist eigentlich wie gemacht für Sportmarken wie Abarth. E-Motoren liefern mehr Leistung, die unvermittelte Kraftentfaltung sorgt mit dem E-Punch für einen rasanten Antritt und die Batterie im Unterboden senkt den Schwerpunkt für eine bessere Strassenlage. Nur – die sportliche Fahrweise lässt auch die Reichweite purzeln und selbst die knapp 300 Kilometer im STREETLIFE-Test sind dann eher unwahrscheinlich. Damit ist die Reichweite im Abarth 600e eher bescheiden und längere Roadtrips eine Herausforderung.

Check-Bilanz

Damit bleibt auch der 600e wie die bisherigen Abarths eher ein Zweitauto. Wobei er dafür nicht nur etwas gross, sondern ab 47'400 Franken auch eher teuer ist. Das ist viel Geld für ein Auto, das mit den meisten Traditionen der Marke bricht. Es muss Abarth gelingen, mit den E-Modellen neue Fans zu gewinnen. Der 600e hat das Zeug dazu. Die knalligen Farben sprechen eine neue, junge Generation an. Und mit den drei Fahrmodi lässt sich die Power im Alltag viel effizienter bändigen als nur über den Gasfuss.

Und allen Kritikern sei gesagt: Eigentlich ist die E-Mobilität nur die nächste Regeländerung, mit der versucht wird, Abarth einzubremsen. So war es früher schon im Motorsport. Doch Carlo Abarth hatte seine Boliden immer wieder an die Spitze gebracht. 

Abarth 600e «Scorpionissima»: Fakten

  • Motor: E-Motor mit 280 PS (207 kW), 345 Nm
  • Batterie: Brutto / Netto 54 / 51 kWh = 321 km Reichweite, Test: 298 km
  • Antrieb: 1-Gang-Automatik, Front
  • Fahrleistung: 0-100 km/h in 5,9 s, Höchstgeschwindigkeit 200 km/h
  • Verbrauch: Werk / Test: 19,0 / 20,3 l/100 km, 0 / 0 g CO₂/km, Energieeffizienz C
  • Masse: Länge/Breite/Höhe: 4,19 m / 1,80 m / 1,56 m
  • Laderaum: Kofferraum 360 - 1231 l
  • Gewichte: Leergewicht: 1716 kg, Anhängelast: --- kg
  • Preis: ab 47’400 Fr., Testwagen mit Extras: 51’900 Fr. (Basis: «Turismo», 240 PS: 43’400 Fr.)

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