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Geländewagen im Schnell-Check

Der neue Toyota Land Cruiser lässt dich nicht hängen

In der Schwemme an SUV sind echte Geländewagen eine Seltenheit. Der Land Cruiser von Toyota gehört dazu. Er ist erst in zweiter Priorität für die Strasse entworfen worden. Vielleicht gerade deswegen überrascht er im Schnell-Check von STREETLIFE mit einem nützlichen Autobahn-Feature.

Monza-Faktor

Wenn ich aus der Frontscheibe schaue, sehe ich nur noch Asphalt und keinen Himmel mehr. Ich hänge im Sicherheitsgurt, mein Rücken und mein Hintern haben keinen Kontakt mit dem Sitz mehr. Nein, ich hatte keinen Unfall und der Land Cruiser hat sich nicht überschlagen. Ich teste den Geländewagen im Eventcenter Seelisberg UR und bin auf den letzten Metern einer Rampe, die über das Gebäude führt. Im Teil der Rampe, der steil wieder vom Dach herunterführt, habe ich angehalten, um etwas auszuprobieren.

Der Land Cruiser verfügt über einen Offroad-Autopiloten. Dieser hält die Geschwindigkeit im Gelände oder fährt bei Bedarf langsamer, vor allem bergab, damit ich mich am Steuer aufs Lenken konzentrieren kann. Dieser Crawl-Modus, wie ihn Toyota nennt, soll auch rückwärts den Berg hochfahren können. Das will ich jetzt hier testen. Während ich also auf der Rampe stehe und im Gurt hänge, lege ich den Rückwärtsgang ein. Jetzt heisst es den Fuss von der Bremse nehmen und hoffen, dass der Land Cruiser nicht einfach die Rampe runterrollt. Doch im ersten Moment macht er tatsächlich einen Ruck nach vorne…

Dann Stillstand, der Dieselmotor dreht hoch und langsam schieb sich der Toyota rückwärts wieder die Rampe hoch auf das Gebäude – ohne, dass ich Gas geben muss. Es funktioniert. Aber es brauchte Überwindung, auch wenn ich vorher auf der Geländepiste des Eventcenter Seelisberg Vertrauen in die Offroad-Fähigkeiten des Land Cruiser hatte sammeln können. Ob Treppen, Schräglage oder Wippen, der Gelände-Toyota meisterte alle Prüfungen und Herausforderungen problemlos.

Genau deshalb erhält der Land Cruiser von mir die maximale Punktzahl in der Rennstrecken-Bewertung. Denn für den Toyota ist nicht Monza die Rennstrecke, die es zu meistern gilt, sondern eine Geländepiste. Im Land Cruiser muss ich nicht Umwege über befestigte Strassen fahren, sondern kann querfeldein Luftlinie fahren. Über die Sanddünen in der Sahara, durch die Flussbetten im Amazonas oder durch die Schweizer Wälder – der Land Cruiser ist überall zu Hause.

Sogar auf dem Gurnigel-Pass zwischen den Kantonen Bern und Fribourg macht der Toyota eine gute Figur. Die Zeiten, in denen sich ein Geländewagen auf asphaltierten Strassen wie ein Traktor fuhr, sind vorbei. Klar, ist er nicht so wendig wie ein Kleinwagen oder so komfortabel wie eine Limousine. Aber ich brauche nicht mehr zwingend einen strassentauglichen Zweitwagen daneben.

Paparazzi-Faktor

Echte Geländewagen sehen aus, als kämen sie gerade aus dem Computerspiel «Minecraft». Die Spielwelt besteht in Anlehnung an die Pixel, aus denen sich ein Computerbild zusammensetzt, nur aus Würfeln. Und ähnlich quadratisch, praktisch, gut präsentieren sich Geländewagen wie die Mercedes G-Klasse, der Ineos Grenadier oder eben der Toyota Land Cruiser. Diese klassische eckige Form ist nicht auf Nostalgie oder Wiedererkennungswert zurückzuführen, sondern hängt direkt mit den Offroad-Eigenschaften zusammen.

Damit weiss ich vom Steuer aus, wo das Auto aufhört, was im Gelände noch wichtiger ist als im Parkhaus. Klar, gibt es heute Kameras und 360-Grand-Ansichten, aber die eckige Form geht in der Wildnis weniger kaputt als eine Kamera oder Sensor

Dieses kantige Design sorgt zusammen mit seiner schieren Grösse (fast fünf Meter lang und zwei Meter hoch) für Aufsehen. Doch den aktuellen Design-Trends im Autobau entspricht der japanische Offroader nicht wirklich. Mich erinnert er ein wenig an ein Playmobil-Auto, und das passt. Sind das doch sehr robuste Spielzeuge, die viel aushalten – wie ein Land Cruiser.

Harassen-Faktor

Die simple Form hat noch einen weiteren Vorteil: Die Fahrzeuggrösse schlägt sich direkt in einem grosszügigen Platzangebot nieder. Bis zu 1875 Liter Ladevolumen bietet der Kofferraum im Land Cruiser. Oder wie im Testwagen bis zu sieben Sitzplätze. Damit lässt der Offroader in Sachen Platz kaum Wünsche offen. Gerade die zweite Sitzreihe ist so luftig wie in den besten Luxuslimousinen dieser Welt. Einziges Hindernis ist die Bodenfreiheit von über 20,5 Zentimeter. Sie macht das Ansteigen trotz Trittbrett selbst für durchschnittlich grosse Menschen zur Kletterpartie.

Wer also mit dem Land Cruiser zum Date fährt, nimmt besser einen zusätzlichen Tritt mit, um dem Gast das Einsteigen zu erleichtern – empfiehlt sich auch für die Mutter.

Nerd-Faktor

Das coolste Feature des Land Cruiser kommt auf der Autobahn zum Zuge, beziehungsweise, bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h. Sobald sich von hinten ein Auto nähert, erscheint im digitalen Instrumente-Display und im Head-up-Display (ja, der Offroader hat ein Head-up, dafür gibt’s Plus-Punkte) ein entsprechender Hinweis. Ich persönlich finde: Das sollten alle Fahrzeuge haben, denn viel zu viele Autofahrende schauen auf der Autobahn zu wenig in den Rückspiegel und blockieren so unnötig die Überholspur. Kleiner Nachteil, er schaut nur auf der eigenen Spur nach hinten.

Wenn ich also die Spur wechsle, muss ich immer noch selbst in den Rück- und Seitenspiegel schauen, um herannahende Fahrzeuge auf der Nebenspur zu sehen. 

Planeten-Rettungs-Faktor

Diesel sind nicht so schlecht wie ihr Ruf. Gerade bei Geländewagen haben sie immer noch ihre Berechtigung dank des starken Drehmoments bei tiefen Drehzahlen. Auch deswegen kommt der Land Cruiser so gut über Stock und Stein. Und im Schnell-Check von STREETLIFE unterbietet der Toyota den Werksverbrauch sogar deutlich um einen Liter. 9,6 Liter Diesel gönnt er sich im Test, was sich für einen über 2,6 Tonnen schweren, überhaupt nicht aerodynamischen Geländewagen mit Allradantrieb sehen lassen kann.

Und wer sich doch besser fühlt, wenn er elektrifiziert fährt, kann den Land Cruiser seit kurzem auch als Mild-Hybrid kaufen.

Check-Bilanz

Der Land Cruiser ist definitiv kein SUV. Er pfeift auf irgendwelche Design-Trends und Spielereien und will vor allem eines sein: praktisch. Mit Allradantrieb, Geländeuntersetzung, mehren Sperren und noch mehr Offroad-Fahrprogrammen, ist er im Gelände fast besser unterwegs als auf der Strasse. Was nicht heisst, dass er auf der Strasse fehl am Platz ist. Die leichte Lenkung, bis zu sieben Sitze, zahlreiche Assistenzen, ein modernes Infotainment-System und viel Platz machen den Land Cruiser auch für Familien interessant – wäre da nicht der stolze Preis ab fast 90'000 Franken. Immerhin braucht es daneben keinen Zweitwagen mehr.

Toyota Land Cruiser «Invincible»: Fakten

  • Motor: 2,8-l-R4-Turbo-Diesel mit 205 PS (151 kW), 500 Nm@1600-2800/min
  • Antrieb: 8-Gang-Automatik, 4x4
  • Fahrleistung: 0-100 km/h in 12,0 s, Höchstgeschwindigkeit 170 km/h
  • Verbrauch: Werk / Test: 10,6 / 9,6 l/100 km, 278 / 253 g CO₂/km, Energieeffizienz G
  • Masse: Länge/Breite/Höhe: 4,93 m / 1,98 m / 1,94 m
  • Laderaum: Kofferraum 621-1875 l
  • Gewichte: Leergewicht: 2625 kg, Anhängelast ungebremst / gebremst: 750 kg / 3500 kg
  • Preis: ab 89’800 Fr., Testwagen mit Extras (Metallic-Lackierung 2100 Fr., Panorama-Dach + 7 Sitze 3700 Fr.) 95’600 Fr. (Basis: «Active», 205 PS, 4x4: 69’900 Fr.)

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