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Politik & Wirtschaft •
Nachwuchsmangel

«Viele bewerben sich, doch nicht alle sind geeignet»

Mit dem Wandel der Automobilbranche verändert sich das Berufsbild des klassischen Automechanikers stark. Durch die steigenden Anforderungen kämpft die Branche aktuell mit einem Mangel an fähigem Nachwuchs. STREETLIFE wollte von Experten wissen, wie das Problem gelöst werden kann.

Wer früher an Autos herumschrauben wollte, musste autoaffin und gut in Mathe sein, aber auch keine Scheu vor dreckigen und öligen Fingern haben. Doch das Handwerk des Automechanikers hat sich im Laufe der Jahre mit der Digitalisierung und der Entwicklung der hybriden und vollelektronischen Autos stark verändert – selbst in der Berufsbezeichnung.  

Doch genau diese Veränderung stellt die Branche nun vor eine grosse Herausforderung. Mit dem Wandel des technischen Handwerks verändern sich auch die Anforderungen an kommende Generationen. So beginnen jährlich zirka 900 Lernende eine Ausbildung zur Automobilmechatronikerin/ Automobilmechatroniker, doch die Zahl an Bewerberinnen und Bewerber ist weit grösser. «Es ist schwierig, genügend potenzielle Lernende zu rekrutieren, welche sich für die vierjährige Grundausbildung eignen», meint Olivier Maeder, Geschäftsleiter Bildung des Autogewerbeverbands Schweiz (AGVS).

Hohe schulische Anforderungen

Die schulischen Anforderungen seien nicht zu unterschätzen, betont Maeder weiter. «Nicht alle Schülerinnen und Schüler eignen sich dafür. Für die vierjährige Grundbildung zur Automobil-Mechatronikerin EFZ oder zum Automobil-Mechatroniker EFZ wird eine abgeschlossene Volksschule in der Regel in der obersten Schulstufe empfohlen. Von Vorteil ist, wenn man Freude an Mathematik und Physik hat.» 

Nebst der Automechatronik -Ausbildung kann man sich alternativ auch zur Automobil-Fachfrau oder zum Automobil-Fachmann oder zur Automobil-Assistentin oder zum Automobil-Assistent ausbilden lassen. Diese dauern jeweils drei beziehungsweise zwei Jahre. In diesen Bereichen werden laut dem AGVS-Bildungschef 1300 beziehungsweise 400 Lehrverträge jährlich ausgestellt.  

Doch wie weiss ich, welche Ausbildung für mich infrage kommt? «Empfohlen wird unser Eignungstest für die technischen Autoberufe. Aufgrund des Resultats wird die schulische Eignung für die vier-, drei- oder zweijährige Grundbildung der technischen Autoberufe empfohlen», erklärt Maeder das Auswahlverfahren. Weiter sei ein Schnupperpraktikum sehr wichtig, um der jugendlichen Person einen Einblick in die Autoberufe zu geben. 

Das Berufsfeld im Wandel

«Neue Technologien fordern generell weitere Kompetenzen der Fachkräfte für die Wartung, Reparatur und Diagnose von Fahrzeugen. Dies gilt etwa für Fahrerassistenzsysteme wie auch für E-Fahrzeuge», erklärt Maeder die Veränderung des Berufsbildes.

Weiter seien auch Arbeitsregeln im Umgang mit Hochvolttechnik einzuhalten, denn «die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz der Fachkräfte muss sichergestellt werden. So muss ein solches Fahrzeug zuerst spannungsfrei geschaltet werden, damit am Fahrzeug sicher gearbeitet werden kann.» 

Identische Kompetenzen aber anderer Umfang

Seit 2018 sind die Bildungspläne der Berufsausbildungen im Automobilbereich nicht mehr fächer-, sondern handlungskompetenzorientiert aufgebaut. So stehen Kompetenzbereiche wie etwa das Prüfen und Warten von Fahrzeugen, das Austauschen von Verschleissteilen, das Unterstützen von betrieblichen Abläufen, das Überprüfen und Reparieren von Systemen und das Diagnostizieren von mechatronischen Systemen auf dem Lehrplan von angehenden Mechatronikerinnen und Mechatronikern.  

Die Ausbildung zur Fachfrau oder zum Fachmann unterscheidet sich lediglich im Umfang der Kompetenzen und des fehlenden Diagnostik-Unterrichts. «Die kompetenzorientierten Bildungspläne sind nicht mehr so starr wie bei der Fächerorientierung aufgebaut. Dies erlaubt geforderte neue Inhalte einfacher und somit rascher zu integrieren», beurteilt Maeder die Lehrpläne. 

Wie bei jeder Berufsausbildung gibt es aber auch in diesem Bereich Lehrabbrüche. Allerdings sei Dank der Durchlässigkeit der zweijährigen Ausbildung zur Automobil-Assistenz EBA über die dreijährige Ausbildung zur Automobil-Fachperson EFZ, bis zur vierjährigen Lehre ein flexibles System, welches den Lernenden erlaubt, die Lehre auch auf einer anderen Stufe als der ursprünglich gewählten zu beenden.  

«Eine Abstufung kann vorkommen, wenn Lernende in der Berufsfachschule überfordert sind», erklärt Olivier Maeder und ergänzt: «Die Durchlässigkeit erlaubt es Lernenden jedoch auch, beispielsweise die dreijährige Grundbildung zu absolvieren und danach mit zwei Zusatzjahren die verkürzte Ausbildung zur Automobil-Mechatronikerin oder zum Automobil-Mechatroniker anzuhängen.» 

Berufskompetenzen verändern sich stetig

Ein Blick in die Zukunft verrät, dass sich das Berufsfeld rund um die Automobilbranche stetig verändert und weiterentwickelt. «Die Technologieentwicklungen fordern laufend weitere Kompetenzen und werden regelmässig in die Berufsbilder integriert», meint Maeder und prophezeit: «Bestimmt werden die Kompetenzen zu den alternativen Antrieben erweitert, nicht nur in den Bereichen Elektro- und Hybridantriebe, sondern wohl auch für Brennstoffzellenfahrzeuge, die aus Wasserstoff elektrische Energie gewinnen.»  

Dabei sei auch die neuste Technologie im Auto-Cockpit nicht zu unterschätzen. «Ebenfalls werden Kompetenzen im Bereich der Fahrassistenzsysteme noch an Bedeutung gewinnen.» Diese vielfältigen Veränderungen der Technologie sowie die individuelle Mobilität seien eine stetige Herausforderung, weiss Maeder. Aber gleichzeitig «machen sie unsere Branche für Berufsleute spannend und attraktiv.» 

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