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Politik & Wirtschaft •
Rosengarten Zürich: Tempo 30 und Umgestaltung geplant

«Der günstige Wohnraum wird wegfallen»

Seit einem halben Jahrhundert trennt die Rosengartenstrasse das Stadtzürcher Quartier Wipkingen in zwei Teile. Mithilfe von zwei Fussgängerstreifen soll sich das nun ändern. Von der Massnahme ist nicht nur der Individualverkehr betroffen – die Einsprachefrist läuft.

Autos, Lastwagen, Busse, Transporter, Töffs und Velos – besonders zu den Hauptverkehrszeiten merkt man: Der Rosengarten ist keine gewöhnliche Strasse. Mit täglich rund 55'000 Fahrzeugen ist sie quasi die Hauptschlagader des Zürcher Stadtverkehrs. Doch das Verbindungsstück zur Hardbrücke droht, abgeklemmt zu werden. Denn derzeit laufen politisch mehrere Projekte rund um die stark befahrene Quartierstrasse.

Nachdem die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich das Projekt «Rosengartentram und Rosengartentunnel in der Stadt Zürich» im Februar 2020 an der Urne abgelehnt hatte, musste eine neue Lösung her für die Anwohnenden, die sich vom Lärm belästigt fühlen. Tempo 30 soll es sein, hat der Stadtrat entschieden. So veranlasste die Stadtzürcher Exekutive, die Herabsetzung der allgemeinen auf der Rosengartenstrasse zu prüfen. Das verkehrstechnische Gutachten beurteilt die Temporeduktion als positiv. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis der Verkehr über die Achse schleicht – spätestens mit der Vollendung der Strassenlärmsanierung der Stadt bis 2030 wird das neue Temporegime Realität sein.

Vereint durch Fussgängerstreifen

Doch damit nicht genug. Mit ihrer Motion vom 26. Februar 2020 fordern die Fraktionen SP, Grüne, GLP, AL und die Parlamentsgruppe EVP eine Entlastung und stadtverträgliche Umgestaltung der Rosengartenachse. Das Ziel ist klar: Die Reduktion des Verkehrsaufkommens. Dies insbesondere zugunsten des Fussverkehrs.

Nun schreitet die Stadt zur Tat. Mitte August startete im Zusammenhang mit der Entlastung des Rosengartens und einem damit verknüpften Postulat die öffentliche Planauflage. Konkret vorgesehen sind zwei lichtsignalgesteuerte Fussgängerstreifen und Veloquerungen, wobei die bereits bestehenden Unterführungen bestehen bleiben. Durch das kurzfristig umsetzbare Bauvorhaben solle die trennende Wirkung, welche die Hauptverkehrsachse für das Quartier Wipkingen habe, reduziert werden.

Die Stadt gegen das Auto

Für völligen Unsinn hält das Camille Lothe, Präsidentin der SVP Stadt Zürich. «Diese Strasse ist eine der Hauptverkehrsachsen, die nicht nur für die Stadt, sondern auch für den ganzen Kanton wichtig ist», sagt sie und ist überzeugt: «Man sucht alle möglichen Massnahmen, um den Verkehr an dieser Stelle zu verhindern.» Es sei ein weiterer Schritt in Richtung autofreies Zürich. «Es soll möglichst unangenehm sein, mit dem Auto in die Stadt zu fahren», sagt Lothe. Zwar könnten die Autos trotz Fussgängerstreifen nach wie vor auf der Rosengartenstrasse fahren, die Fahrzeit verlängere sich jedoch deutlich.

Die SVP war mit ihren Argumenten die einzige Fraktion, die sich im Gemeinderat – dem Zürcher Stadtparlament – gegen die Überweisung des Postulats an den Stadtrat stellte und dessen Ablehnung beantragte. Ohne Erfolg. Das Geschäft wurde im Januar 2021 von einer linken Mehrheit für dringlich erklärt. «Was man hier macht, ist rein ideologisch», ist für Lothe klar.

Anti-Gentrifizierungs-Utopie

Neben dem beeinträchtigten Verkehrsfluss befürchtet die SVP-Präsidentin Stadt Zürich noch ein weiteres Problem: «Die günstigen Wohnungen, die es an der Rosengartenstrasse noch gibt, werden nicht mehr lange existieren.» Denn durch diese Massnahme werde das Quartier attraktiver und die Konsequenz von solchen Aufwertungen sei jedoch, dass der bezahlbare Wohnraum wegfallen wird. «Darüber wird aber nicht nachgedacht», bemängelt sie.

Die Begründung der Motion lässt vermuten, dass sich Links-Grün wohl doch mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Demnach verlangen die Motionäre, dass bei der Umsetzung von verkehrsberuhigenden Massnahmen darauf geachtet werden solle, dass diese sozialverträglich seien und ohne negative Auswirkungen auf die Gentrifizierung umgesetzt würden.

Die günstigen Wohnungen, die es an der Rosengartenstrasse noch gibt, werden nicht mehr lange existieren.

Camille Lothe, Präsidentin SVP Stadt Zürich

Eine völlig utopische Forderung, wie SVP-Vizefraktionschef Stephan Iten vor über zweieinhalb Jahren im Gemeinderat zu Protokoll gegeben hat. Als Beispiel führt er die Weststrasse im Kreis 3 an. Seit Anfang August 2010 ist die Strecke im Kreis 3 für den Durchgangsverkehr gesperrt. «Ihr habt den Anwohnern der Weststrasse versprochen, dass die Mietpreise nicht steigen werden, wenn sie autofrei wird», wirft er den links-grünen Gemeinderatsmitgliedern vor. Was passiert sei? Die Mietpreise seien durch die Decke geschossen. «Warum sollte dies bei der Aufwertung der Rosengartenstrasse anders sein?», fragt Iten und rät den Ratskolleginnen und -kollegen: «Ihr müsstet den Leuten zuhören, statt mit Scheuklappen unrealistische, utopische Träume durchsetzen zu wollen.»

Verkehr ist Gewöhnungssache

Nachgefragt bei Beni Weder, Präsident des Quartiervereins Wipkingen, teilt dieser mit, dass die Menschen jeweils nicht lange an der Rosengartenstrasse wohnen würden. «Die meisten Leute ziehen wegen der günstigen Wohnung her», stellt Weder fest und führt aus: «An der Rosengartenstrasse findet man noch einen der wenigen bezahlbaren Wohnräume in der Stadt Zürich.»

Nähme die Attraktivität des Quartiers jedoch zu, hätte das steigende Mietpreise zur Folge. Die geografische Spaltung des Quartiers durch die Verkehrsachse sei eher für die ältere Generation ein Problem. Die übrigen Anwohnenden würde das nicht gross stören. Sie hätten sich auch an den Verkehr gewöhnt. Und trotzdem wünscht sich der Quartierverein, dass die Stadt zusammen mit dem Kanton Lösungen zur Behebung der Lärm- und Feinstaubbelastung finde. 

Die Auflagefrist des Bauprojekts auf der Rosenbergachse läuft noch bis Montag, 18. September. Bis dahin kann Einsprache machen, wer durch das Vorhaben direkt betroffen ist, und ein schutzwürdiges Interesse hat, dieses zu ändern oder aufzuheben. «Bis jetzt haben wir noch keine Anfragen von Direktbetroffenen erhalten, die Einsprache machen wollen», weiss Camille Lothe von der SVP Stadt Zürich. Das werde aber bestimmt noch kommen. So würden sich immer wieder Bürger an sie wenden, etwa wegen Velovorzugsrouten oder wegen Parkplatzaufhebungen .

Ob und wie viele Einsprachen schon eingegangen sind, ist nicht bekannt. Das zuständige Tiefbauamt informiert erst nach Fristablauf. Bei der SVP Stadt Zürich zeigt man sich kämpferisch. «Wir werden uns weiter gegen solche Verkehrsbehinderungen wehren und nicht akzeptieren, dass der Verkehrsfluss weiter abgewürgt wird», versichert Lothe.

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