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Politik & Wirtschaft •
Fragwürdiger Paragraf

«Unnötiges Herumfahren» ist verboten – aber was ist schon nötig?

Die flotte Tour über die Passstrasse oder die gemütliche Ausfahrt aufs Land – bei Vergnügungsfahrten denkt sich eigentlich niemand etwas Böses. Doch Achtung: Die Verkehrsregelnverordnung VRV untersagt das Autofahren ohne Grund. Damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

«Freie Fahrt für freie Bürger», heisst es. Doch das gilt in der Schweiz längst nicht in jedem Fall. Was viele nicht wissen: Die Verkehrsregelnverordnung VRV untersagt in Artikel 33 Buchstabe d das «fortgesetzte unnötige Herumfahren in Ortschaften». Doch was ist nötig, was unnötig?

Das Verbot soll dem «Vermeiden von Lärm» dienen, «namentlich in Wohn- und Erholungsgebieten und nachts». Verboten sind weiter «andauerndes, unsachgemässes Benützen des Anlassers und unnötiges Vorwärmen und Laufenlassen des Motors stillstehender Fahrzeuge», «hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf, beim Fahren in niedrigen Gängen» sowie «zu schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs, namentlich beim Anfahren» oder «quietschende Reifen beim Befahren von Kurven».

Busse oder Verzeigung

Die Kantonspolizei St. Gallen hielt schon vor einigen Jahren ausdrücklich fest: «Eine Autofahrt bedarf eines Grundes und sollte, insbesondere im Innerortsbereich, nicht zu Vergnügungszwecken durchgeführt werden.»

Demnach darf ein Autofahrer also nicht ziellos in seinen Wagen steigen und nach Herzenslust spontanen Wegen folgend herumfahren, er muss die Fahrt irgendeinem äusseren Zweck unterordnen und entsprechend zweckrational begründen können. Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Busse von 100 Franken rechnen und kann verzeigt werden, wie auch das Bundesamt für Strassen betont.

Dass der Gesetzgeber versucht, die Lärmbelastung zu begrenzen, ist nachvollziehbar. Dass er dabei aber so weit geht, nötiges von angeblich unnötigem Herumfahren zu unterscheiden, darf man durchaus infrage stellen. 

Es drohen weitere Eingriff

In einem liberalen Rechtsstaat sollte der Bürger selbst entscheiden dürfen, wann und weshalb er sein Auto benützt. Zu Ende gedacht, führt dieses Verbot zu einem Kontroll- und Überwachungsstaat und öffnet der Willkür Tür und Tor. Wenn der Staat entscheidet, wann eine Autofahrt berechtigt und erlaubt ist, und nicht mehr der Bürger, sind auch weitere Einschränkungen und Eingriffe in die Freiheitsrechte denkbar, etwa aus Gründen des «Klimaschutzes».

Interessant ist im Zusammenhang mit dem «unnötigen Herumfahren», dass es laut der Kantonspolizei des Kantons Graubünden nicht mehr lärmige Autofahrer gibt als früher. Die Bevölkerung sei vielmehr sensibler geworden, wie ein Polizeisprecher gegenüber der NZZ ausführte.

Diese Einschätzung denkt sich mit Messdaten unter anderem des Bundes: Die Motoren sind heute leiser geworden. Massgeblich verantwortlich für den Lärm sind die Abrollgeräusche der Reifen – und auch die Reifentechnologie hat Fortschritte gemacht, ebenso die Beläge. Umso fragwürdiger bleibt das autoritär anmutende Verbot des freien Fahrens.

 

Schärfere Regeln gegen Auspuffgeräusche

Beim Lärmschutz hat der Bund bereits eine Verschärfung angekündigt. Er verbietet es ausdrücklich «unnötigen Lärm mit Auspuffanlagen zu erzeugen». Es werden keine neuen Bussen eingeführt, aber teils die Buss-Beträge erhöht, teilte der Bundesrat mit. So kostet die Strafe für das unnötige Laufenlassen des Motors neu 80 Franken (vorher 60).

Zudem prüft der Bund die Einführung von «Lärmblitzer». Dabei verweist er auf ein erfolgreiches Pilotprojekt in Genf. Aktuell werden noch offene Fragen wie zum Beispiel die rechtliche Grundlage und die dann geltenden Grenzwerte abgeklärt.

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