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Politik & Wirtschaft •
Gigaliner auf Schweizer Strassen?

«Mit den EU-Verträgen droht ein Verkehrskollaps»  

Die dem Volk immer noch vorenthaltenen Verträge mit Brüssel könnten massive Auswirkungen auf die Schweizer Verkehrspolitik haben. Dies befürchten nicht nur Parlamentarier der SVP, sondern auch links-grüne Organisationen oder Kantone wie Genf.

Das Versteckspiel um die neuen Abkommen zwischen Bern und Brüssel geht weiter. Das Volk darf immer noch nicht wissen, was genau drin steht. Allerdings mehren sich die Befürchtungen, dass das ebenfalls vorgesehene Rahmenabkommen, das die Schweiz in rechtlich-politischer Hinsicht der EU unterordnet – Stichworte: «dynamische Rechtsübernahme», Europäischer Gerichtshof als letzte Instanz – auch «massive Auswirkungen im Verkehrsbereich» haben könnte. Der Vertrag sei ein «verkehrspolitisches Risiko», wie sich SVP-Nationalrat Gregor Rutz ausdrückt. Es stelle sich gar die Frage, ob die Schweiz mit der Übernahme des EU-Diktats vor einem «Verkehrskollaps» stehe.

Rutz geht davon aus, dass sowohl Strasse wie Schiene betroffen wären. Während die EU darüber nachdenke, den internationalen Schienenverkehr über den nationalen Fahrplan zu stellen, gelte in der Schweiz das Gegenteil: «Bei uns hat der nationale Taktverkehr Priorität.» Eine Umkehrung dieses Prinzips hätte gemäss Rutz «fatale Folgen». Da in der Schweiz alle Trassen belegt seien, würde eine Liberalisierung und Priorisierung des internationalen Bahnverkehrs dazu führen, dass regionale Verbindungen wegfallen würden. Dass diese Befürchtungen berechtigt seien, zeigten Unterlagen des Bundes, nach welchen die Schweiz auch im Bereich Landverkehr «Entwicklungen des EU-Rechts in Zukunft dynamisch übernehmen» soll.

Eine weitere Folge einer verstärkten EU-Anbindung könnte sich durch das Beihilfeverbot ergeben. Der Bundesrat hat wiedergeholt festgestellt, dass gewisse Dienstleistungen zwar für die sichere Versorgung aller Landesteile wichtig, aber ohne Subventionen nicht überlebensfähig seien. «Bundesrat oder Parlament könnten künftig wohl nicht mehr frei entscheiden – eine empfindliche Kompetenzeinschränkung für die Behörden», so die Einschätzung von Rutz

EU könnte Schweiz zwingen

Befürchtungen, das drohende EU-Regime könnte verkehrspolitisch einschneidend sein, bestehen auch in Bezug auf die Strasse. Sie kommen nicht nur vonseiten der integrationskritischen SVP, sondern auch von links-grünen Organisationen, Verkehrsverbänden und einzelnen Kantonen.

Weit oben auf der Sorgenliste steht die mögliche Zulassung von sogenannten Gigalinern auf Schweizer Strassen, die bis 25 Meter lang und bis zu 60 Tonnen schwer sind. In der Schweiz liegt das Maximalgewicht bei 40 Tonnen, und die Lastenzüge dürfen nicht länger als 18,75 Meter sein. Der Kanton Genf hat dazu eine Standesinitiative eingereicht («Gegen Gigaliner auf Schweizer Strassen!»). Er macht insbesondere geltend, dass die Schweizer Zoll- und Strasseninfrastrukturen nicht auf solche Fahrzeuge vorbereitet seien, dass die Gigaliner «unsere Strassen vorzeitig beschädigen würden», dass ihre Zulassung der Verlagerungspolitik widersprechen würde und dass sie für andere Verkehrsteilnehmer «Risiken bergen».

Der Kanton Genf hält deshalb fest: «Heute kann die EU Druck ausüben, damit die Schweiz ihre Richtlinie übernimmt. Morgen schon könnte eine europafreundliche Ausrichtung von Bundesrat und Verwaltung eine dynamische Übernahme von EU-Recht zur Folge haben und die Schweiz dazu zwingen, sich vollständig der EU zu unterwerfen, ohne Rücksicht auf unsere Bundesverfassung und unsere demokratischen Rechte.»

Auch der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG spricht sich «kategorisch» gegen Gigaliner auf Schweizer Strassen aus. Die geographischen Gegebenheiten der Schweiz seien für Gigaliner «ungeeignet und das Strassennetz ist nicht für sie ausgelegt». Folglich müssten teure Anpassungen an Brücken, Tunnels und Auffahrten vorgenommen werden. Das Geld für diese Infrastrukturanpassungen würde wiederum anderswo fehlen, so der ASTAG. Auch würden sich die Effizienzgewinne von Gigalinern erst bei längeren Stecken realisieren lassen. Im Binnenverkehr lohne sich deren Einsatz kaum

«Kein Platz für Monster-Trucks»

Kritik an den Riesenlastwagen äussert auch die Organisatin Pro Alps, vormals Alpeninitiative. Sie geht davon aus, dass die EU mittelfristig «alles unternehmen» werde, «um den wichtigen Nord-Süd-Korridor durch die Schweiz für Gigaliner zu öffnen».

Und die Entwicklung gehe noch weiter: In einzelnen Ländern wie beispielsweise Schweden donnerten bereits «Monsterlastwagen mit 90 Tonnen Gewicht und 30 Meter Länge über die Strassen». Pro Alps lehne Gigaliner entschieden ab, da sie den Alpenschutz und die Lebensqualität der Menschen entlang der Transitachsen gefährdeten.

In dieser Frage herrscht Einigkeit von links bis rechts: Auch SVP-Nationalrat und Transportunternehmer Benjamin Giezendanner sagt, es gebe «keinen Platz für EU-Monster-Trucks» auf Schweizer Strassen. Doch genau dieses Szenario würde eintreten, wenn die Schweiz den EU-Deal annimmt. Mit dem «EU-Unterwerfungsvertrag» würde in der Schweiz das bisherige und auch künftige EU-Recht gelten, auch beim Landverkehr. Der Druck auf die Schweiz werde massiv steigen, denn die EU wolle «einheitliche Regeln für alle». Es sei daher «völlig naiv zu glauben, dass wir das Verbot von Gigalinern aufrechterhalten können», so Giezendanner.

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