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Mit dem E-Bulli zurück zu den Hippies
Gelingt es dem Volkswagen ID.Buzz, die Aura des legendären VW-Hippiebus T1 ins E-Zeitalter zu transferieren? Sind sich die beiden STREETLIFE-Checker Pentti Aellig und Martin A. Bartholdi ausnahmsweise einig bei der Beurteilung des ID.Buzz?
Aellig: Wann gilt ein Auto-Revival als Erfolg? Dann, wenn das Design des neuen Autos die Brücke zum glorreichen Vorgänger schlägt. Das gesamte Erscheinungsbild des neuen VW ID.Buzz zitiert seinen berühmten Urahn VW-Bus T1 – liebevoll Bulli genannt. Der VW T1 verkörpert die wilden Zeiten der Hippies wie kein anderes Auto. Mit seiner rundlichen Front und dem markanten Volkswagen-Logo strahlt auch der neue ID.Buzz Flower-Power-Feeling aus.
Zur Hippiekultur gehörte auch der Genuss von Magic Mushrooms, den Pilzen mit psychoaktiven Substanzen, welche zu tiefen spirituellen Erfahrungen oder einem Gefühl der Verbundenheit mit der Umwelt und dem Universum führte. Dem Neo-Hippiebus VW ID.Buzz gelingt die Umweltverbundenheit locker auch ohne halluzinogene Pilze. STREETLIFE-Kollege Bartholdi kann Flower Power und dem ID.Buzz vermutlich weniger abgewinnen.
Bartholdi: Die Flower-Power-Ära war lange vor meiner Zeit, von daher erlaube ich mir dazu kein Urteil. Aber wie mein STREETLIFE-Kollegen Aellig in einer bunten Kutte und mit langen Haaren barfuss über eine Wiese tanzt, will ich mir gar nicht vorstellen. Da lasse ich mich lieber von VWs ID.Buzz zurück in die Hippie-Zeit versetzen. Denn wie mein Kollege für einmal treffend bemerkt hat, ist der Elektrobus vom Aussehen her eine gelungene Hommage an den Ur-Bulli aus dieser Zeit.
Hier stört mich im Gegensatz zu ID.3, ID.4 und ID.5 auch nicht, dass sein Design an einen Smiley erinnert. Ein bisschen wie das entrückte Lächeln nach dem Genuss von Magic Mushrooms. Oder ist es doch ein selbstgefälliges Grinsen – weil er weiss, wie gut er aussieht? Der ID.Buzz darf sich das erlauben, er zieht definitiv die Blicke auf sich.
Entspannende Bevormundung
Aellig: Ich finde, der VW ID.Buzz transformiert das entspannte Lebensgefühl aus der Bulli-Ära perfekt in das E-Zeitalter. Er ist fossilfrei angetrieben, voll vernetzt und bietet bis zu fünf erwachsenen Blumenkindern ein sehr luftiges Raumgefühl. Ob für eine Indie-Rockband oder eine interkulturelle Patchworkfamilie – der ID.Buzz ist ein rundum cooler Begleiter.
Der Travel Assist hat mich nach wenigen Kilometern in einen entspannten Verkehrsgenossen verwandelt, indem er schon deutlich vor der Ortseinfahrt das Tempo reduziert. Das System verarbeitet Schwarmdaten für die Spurhaltung, den Abstand zum vorderen Fahrzeug oder das korrekte Tempo. Man überlässt die Tempoänderungen der Assistenz und gibt sich dem intensivierten Fluss von Gedanken hin, als würden Magic Mushrooms ein Mind Racing auslösen. Auch auf den immer leicht hibbelig wirkenden Bartholdi könnte der entspannende ID.Buzz positiv einwirken.
Bartholdi: Ich habe mich wohl verlesen. Aellig lässt sich von der Software im ID.Buzz sagen, wann er vor der nächsten Ortseinfahrt vom Gas gehen muss? Anders gesagt: Er lässt sich vom Auto bevormunden. Dabei hatte er sich gerade erst kürzlich noch in seiner Kolumne darüber ausgelassen, wie die Politik das Volk bevormundet und uns quasi die Elektromobilität aufzwingen will. Ich gebe zu, dass der Travel Assist durchaus seine Vorzüge hat. Das System rekuperiert optimal, während es den Abstand zum vorderen Fahrzeug hält und uns gut mit dem Verkehr fliessen lässt.
Aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Erstens funktioniert die Geschwindigkeitserkennung teilweise noch nicht gut genug. Zudem bremst es auf der Autobahn grundlos von 80 auf 60 km/h runter. Zweitens finde ich gerade diesen «intensivierten Fluss von Gedanken» beim Fahren gefährlich. Solche Systeme lassen Menschen am Steuer unkonzentriert werden und sie vergessen, dass Kontrolle und Verantwortung immer noch bei ihnen liegt. Ich lasse mich gerne beim Fahren assistieren – aber ich will mich nicht vom Auto bevormunden lassen.
Zivilisierter Hippie
Aellig: Designmässig bekommt der ID.Buzz aussen wie innen 9 von 10 Punkten. Die permanenterregte Synchronmaschine, welche die Hinterachse mit 204 PS (150kW) antreibt, passt charakterlich sehr gut zum Neo-Bulli. Die Leistung genügt; fahrwerkmässig unterstützen die eher weiche Federungen und Aufhängungen das entspannende Reisegefühl mit dem ID.Buzz.
Einzig die Hinterachse ist zu hart ausgelegt. Hinten sind die Abrollgeräusche eindeutig lauter und rumpeliger als vorne. Bei Fahrwerkabstimmungen sind sich Bartholdi und ich bekanntlich selten einig. Mir kann die Rückmeldung von der Strasse nicht direkt genug sein. Beim ID.Buzz erweitere ich mein Mindset: Das Reisen durch Raum und Zeit darf ausnahmsweise etwas weicher sein. Bulli-entspannt eben.
VW ID.Buzz «Pro Launch»: Fakten
- Antrieb: permanenterregte Synchron-Elektromotor an Hinterachse
- Leistung: 204 PS (150 kW), 310 Nm@1/min
- Fahrleistung: 0-100 km/h in 10,2 s
- Höchstgeschwindigkeit: 145 km/h
- Verbrauch: WLTP / Test 22.0 / 26.3 kWh/100km
- Reichweite: WLTP / Test 402 / 293 km
- Batteriekapazität: Brutto / Netto 82.0 / 77.0 kWh
- Länge/Breite/Höhe: 4,71 m / 1,99 m / 1,93 m
- Ladevolumen: 1121 bis 2205 Liter
- Leergewicht: 2471 kg
- Preis: ab 67'860 Fr. Testwagen mit Extras (Innenraumpaket, Komfortpaket, Infotainment-Paket, Zweifarblackierung, etc.) 85'001 Fr.
Bartholdi: Der ID.Buzz hat Kollege Aellig wohl geflasht wie ein Magic Mushroom, wenn er dem Innenraum 9 von 10 Punkten gibt. Dafür gibt es zu viele Baustellen: Das Multimediasystem reagiert langsam, es gibt viel Plastik im Innenraum und die Rückbank lässt sich nicht ausbauen. Damit verliert der ID.Buzz einen der grössten Pluspunkte seines Vorgängers: die Variabilität des Bullis. Denn das Platzangebot im Elektro-Bus ist mit 1121 bis 2205 Liter Ladevolumen gigantisch, aber es kann eben nicht komplett ausgenutzt werden.
Wer eher Ladung als Fracht herumkutschieren muss, greift deshalb besser zur Cargo-Variante ohne Rückbank oder wartet auf die Langversion, die in Kürze in der Schweiz erhältlich sein soll. Beim Fahrverhalten kann ich Aellig allerdings zustimmen. Der ID.Buzz fährt sich sehr entspannt und ist ein idealer Familien-Stromer. Vor allem, weil ihm der typische Elektro-Punch fehlt. Er beschleunigt zivilisiert, und das Drehmoment von 310 Nm lässt sich gut über das Gaspedal dosieren.
Unser Schlusswort
Fazit Aellig: Nebenwirkungen der Magic Mushrooms sind Flashbacks, bei denen Erlebnisse der psychedelischen Trips später wiederkehren. Ähnlich ist es beim ID.Buzz. Mit ihm kehrt ein Teil der Hippiephilosophie zurück. Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft. Rückbank umklappen und sich spontan einen Schlafplatz einrichten. Als universelle Gegebenheit hinnehmen, wenn der Travel Assist das Tempo vorgibt.
Bei Fahrpausen durch die beiden grossen Schiebetüren den Wind ziehen lassen. Dank dem tierlederfreien Interieur und der bilanziell CO2-neutralen Auslieferung das Karma optimieren. Und im fast zwei Meter hohen Neo-Bulli auf konforme SUV-Bankangestellte runterschauen. Für eher leistungskritische Neo-Hippies sollte der Kaufpreis von 85'000 Franken dank vorgezogener Erbbezüge kein Hindernis darstellen.
Fazit Bartholdi: Der ID.Buzz als Exit-Strategie für die Leistungsgesellschaft? Dafür fehlt ihm mit der elektrischen Reichweite im STREETLIFE-Auto-Check der Schnauf. Alle rund 300 Kilometer muss der Elektro-Bulli zum Laden an die Steckdose. Für den Alltag sicher kein Problem, aber für eine Abenteuerreise nach Indien wie mit dem Ur-Bulli sehe ich eher schwarz. Denn leider stehen die Ladestation meistens nicht an den schönsten Übernachtungsplätzen.
Aber er muss ja auch keine neue Hippie-Generation entfachen. Es reicht, wenn er eine Prise Gelassenheit in unseren mobilen Alltag bringt. Selbst die Magic Mushrooms machen plötzlich Sinn, wenn das psychedelische Ambiente-Licht nicht nur in allen möglichen Farben vor sich hin leuchtet, sondern bei aktivierter Navigation auch anzeigt, wann und in welche Richtung abgebogen werden soll.

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