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Aellig gegen Bartholdi: Maserati GranTurismo Trofeo

Sound zum Abheben, Design zum Verlieben

Leider will Maserati seine akustischen Wunderwerke wie das Nettuno-Triebwerk bald vom Markt nehmen. Mit dem GranTurismo Trofeo nehmen die beiden STREETLIFE-Auto-Checker Aellig und Bartholdi Abschied von Maseratis Verbrenner-Ära.

Herzschmerz bei Maserati Liebhabern

Aellig: Erklären Sie einem Liebhaber von Orgelmusik, dass in seiner Kirche demnächst die Orgel ausgebaut werde. Vertrösten Sie ihn mit dem Hinweis, dass als Ersatz eine elektronische Hammondorgel hingestellt werde. Dem Orgelfan wird es das Herz brechen. Ähnlichen Herzschmerz werden Maserati-Liebhaber verspüren, wenn akustische Wunderwerke wie der GranTurismo Trofeo vom Markt genommen werden.

Die beeindruckende Klangkulisse des 6-Zylinder-Nettuno-Twin-Turbo-Motors kann durchaus mit einer gewaltigen Symphonie verglichen werden. Wenn das Nettuno-Triebwerk aufspielt, vereinen sich Motorsport und Musik. Hochtourige Attacken werden zu Chorälen. Der tieftourige Vorwärtssturm verwandelt die vier Endrohre des GranTurismo zu Orgelpfeifen, dessen Vibrato den Zuhörern tief in der Brust dringt.

Das Nettuno-Triebwerk garantiert satte Leistung: 550 PS und 650 Nm Drehmoment bei 6.500 U/min. und markiert sowohl Höhepunkt als auch Endpunkt der Ära von Maseratis GranTurismo mit Verbrennermotoren. Mein STREEETLIFE-Autochecker-Kollege Bartholdi stänkert häufig an Autos herum. Wegen seiner Zuneigung zu übertrieben langen Motorhauben wird er am GranTurismo vermutlich wenig Kritik äussern – wobei man bei Bartholdi nie sicher sein kann

Bartholdi: Kritik? Die bleibt bei diesem Anblick doch jedem im Halse stecken. Der GranTurismo wirkt wie aus einem Guss. Schwungvolle Kurven, glatte Flächen und filigrane Details stehen in ihrer sorgfältigen Ausarbeitung den prunkvollen Ornamenten einer Orgel in einer Kathedrale in nichts nach. Die lange Haube ist sicher ein schönes und gelungenes Element in Maseratis sportlichem Coupé, aber nur ein Detail. Seine Proportionen sind als Ganzes sehr gelungen. Die stattliche Länge von fast fünf Metern kombiniert mit einer Höhe von lediglich 1,35 Metern ergeben für mich eine harmonische Symbiose. Der GranTurismo schmiegt sich an die Strasse und verbindet die Person am Steuer selbst mit der Strasse, wie die Musik unseren manchmal entrückten Geist wieder mit unserer Seele verbindet. So ist eine Ausfahrt mit dem GranTurismo beinahe therapeutisch.

Leider teuer

Aellig: Wer 252'300 Franken für eine zweitürige, italienische Sportlimousine hinblättert, der legt garantiert grossen Wert auf Ästhetik. Und da liefert Maserati mit dem GranTurismo Trofeo. Aussen. Und im Interieur. Die rundlichen und muskulösen Formen des GranTurismos wirken harmonisch und dynamisch. Wer sich diese Sportlimousine leistet, sucht nicht die grosse Show vor der Gesellschaft. Dieses Auto ist weniger auf neureiche Exponenten ausgelegt. Der GranTurismo wird von Geniessern gefahren, welche den ruhigen, gediegenen Auftritt gelegentlich mit brachialer Fahrdynamik ergänzen wollen.

Die Symbiose zwischen dem beeindruckenden Drehmoment von 650 Nm bei 6.500 U/min und dem leistungsorientierten Fahrwerk fördert zwischendurch das sportive Verlangen auf der Strasse. Passstrassen mit langgezogenen Kurven und Zwischengeraden für satte Beschleunigungen gehören zu den Paradestrecken des Maseratis. Das lautstarke Hochwuchten des muskulösen Reisewagens auf ein beeindruckendes Zwischentempo macht süchtig.

Und immer im Mittelpunkt: Der orchestrale Klang des Nettuno-Motors. Vermutlich generiert die Zündreihenfolge des 6-Zylinders eine ähnlich therapeutische Tiefenwirkung wie Bachs Matthäus-Passion. Ich bin unsicher, ob Bartholdi den Nettuno-Motor akustisch genügend mitbekommt. Denn ob Musik oder Hörbücher, Bartholdi dreht bei den Soundsystemen jeweils gnadenlos auf

Pentti Aellig

Schon als Kind begeisterte ich mich für Autos. Mit 12 fuhr ich (unerlaubterweise) bereits mit dem elterlichen Citroën 2CV herum. Mit 15 reiste ich alleine an ein Formel-1-Rennen in Monza. Und mit 22 kaufte ich mir einen Peugeot 205 GTI. Die Liebe zu dynamischen Hot Hatches ist geblieben: Als jahrelanger Porsche 911-Fahrer bin ich im Zeitalter der Klimaproteste auf einen unauffälligen Toyota GR Yaris umgestiegen. Die vielen neu erscheinenden Steckerautos verfolge ich neugierig, aber die Entwicklung ökologisch verbesserter Verbrennermotoren schreibe ich noch nicht ab.

Bartholdi: Auch die Soundanlage eines Autos gehört getestet. Als Kenner guter Musik sollte Aellig wissen, dass die volle Wirkung eines musikalischen Werkes nicht nur vom Talent des Orchesters, sondern auch von der Qualität des Soundsystems abhängig ist. Wenn der Sound im Auto überschlägt, wird auch das Rigoletto aus der Zauberflöte zu einer einfachen Tonleiter. Oder um es in den Worten der Autofans zu sagen: Der GranTurismo würde mit einem banalen Zweiliter-Vierzylindermotor daherkommen. Doch wer einmal dem Klang des Nettuno gelauscht hat, braucht keine Musik im Maserati.

Seit Aelligs jüngsten Schwärmerei für praktisch alle neuen Elektromodelle erstaunt es mich allerdings, dass er diesen Klang zu schätzen weiss. Was die Ingenieure mit dem Nettuno-V6 geschaffen haben, lässt kaum einen Autofan kalt. Wenn der Drehzahlanzeiger am Kurvenausgang unter dem Bollern des Triebwerkes wieder steigt, geht einem am Steuer das Herz auf. Gleichzeitig drückt einen die Beschleunigung sanft in den Sitz.

Eindrücklich, wie die Maserati-Ingenieure dem Nettuno Manieren beigebracht haben. Er hat das brachiale aus dem MC20 verloren, bleibt aber kraftvoll und sportlich. Bleibt nur ein Problem: Der GranTurismo kostet mit 252’300 Franken etwa gleich viel wie der Sportwagen MC20. Wieso also das Reise-Coupé kaufen, wenn ich den ungezügelten Nettuno-V6 für praktisch denselben Preis haben kann?

Martin A. Bartholdi

Mit dem Autofieber haben mich die Kult-TV-Serie «Knight Rider» und das Formel-1-Rennen in den Strassenschluchten von Monte Carlo infiziert. Noch heute zaubern mir US-Sportwagen mit langen Motorhauben wie der Ford Mustang und wendige Kurvenkratzer wie der Mazda MX-5 ein Lächeln ins Gesicht. Mit Kombis und vor allem SUVs kann ich allerdings nur wenig anfangen, dann doch lieber echte Geländewagen. Wohl die Schuld des Computerautos K.I.T.T. ist auch, dass ich gerne neue technische Spielereien ausprobiere, seien es Assistenten, Infotainment oder Vernetzung.

Italien kann Qualität

Aellig: Von der sehr hohen Verarbeitungsqualität waren wir bereits beim Grecale begeistert. Auch beim GranTurismo ist das gesamte Interieur sowie die Karosserie durchgehend hochwertig produziert. Italien kann Qualität. Wer die perfekte Sitzposition eingestellt hat, das schwarze, perforierte Leder mit den sportiv wirkenden Kontrastnähten bewundert hat, das Steuerrad in die Hand nimmt, den blauen Startknopf drückt und den Maserati mit den Aluminium-Schaltwippen vorwärtstreibt, der wird augenblicklich von einer sportlichen Noblesse erfasst.

Auf die Grenzerfahrung des radikalen Corsa-Modus haben wir verzichtet. Auch der Sport-Modus bietet ausreichend Dynamik, welche nur in sehr engen Kurven durch den 2929 mm langen Radstand an seine Grenzen stösst. Aber der GranTurismo ist nicht für Kurvenkrawall konzipiert, sondern für die gediegene Mischung aus Stil und Sport. Die hintere Sitzbank bietet sogar für Bartholdis schwungvoll aufdrapierte Haarkonstruktion ausreichend Platz.

Bartholdi: Ich glaube, um Aelligs kahlen Schädel muss es hallen im GranTurismo. Ja, es hat in der Höhe genug Platz auf den Rücksitzen. Aber ich bin doch immer wieder überrascht, wie eng es in einem fast fünf Meter langen Auto werden kann. Wer hier von einem Vierplätzer spricht, mag seine Freunde oder Kinder nicht. Der Platz reicht höchstens für ein Baby, aber dieses durch die lange Fahrertür und am nach vorne gekippten Fahrersitz vorbei im Kindersitz anschnallen? Nein, danke!

Ich sehe die beiden hinteren Plätze eher als Ergänzung zum Kofferraum. Denn wer den GranTurismo kauft, ist bestimmt nicht auf der Suche nach einem Familienauto. Für Kinder ist das elegante und, wie Aellig korrekt feststellte, top verarbeitete Interieur sowieso viel zu schade. Jeden Tag müsste man sich um das Leder sorgen. Der enge Maserati lädt viel mehr zu einem romantischen Wochenende zu zweit ein.

Maserati GranTurismo Trofeo: Fakten

  • Motor: V6-Nettuno-Twin-Turbo, 2992 cm³
  • Leistung: 550 PS. 650 Nm Drehmoment bei 6.500 U/min
  • Automatikgetriebe: 8 Gänge
  • Fahrleistung: 0-100 km/h in 3,5 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 320 km/h
  • Verbrauch kombiniert WLTP: 10,2 l/100 km
  • Verbrauch STREETLIFE: 11,6 /100 km
  • Länge/Breite/Höhe: 4,97m/2,11m (inkl. Rückspiegel) /1,35 m
  • Leergewicht: 1795 kg
  • Preis Maserati GranTurismo Trofeo: CHF 252'300 (inkl. Matrix-LED Scheinwerfer, Luftfederung, Dachhimmel in Alcantara, Applikationen aus Carbon, rot lackierte Bremssättel und beheiztes Lenkrad.

Unser Schlusswort

Fazit Aellig: Maseratis Designchef Klaus Busse hat die Gratwanderung zwischen italienischem Sportwagen und kosmopolitischem Reisefahrzeug ausgezeichnet gemeistert. Der GranTurismo strahlt Noblesse aus und überzeugt vor allem mit seinem fantastischen Nettuno-Treibwerk, dessen Klangspektrum jeden Autokennern in seinen Bann zieht.

Fazit Bartholdi: Von ergreifenden Klängen verstehen die Italiener etwas. Das zeigte schon Guiseppe Verdis Rigoletto. Wie eine Oper ist Maseratis GranTurismo eher für Kenner und Geniesser – und nicht zwingend für jedes Budget. Dafür berühren die skulpturalen Klänge des Nettuno die Herzen aller Autokenner.

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