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«Menschen mit teuren Autos prahlen mit Erfolg»
Ist es Neid oder gar ein Minderwertigkeitsgefühl? Besitzende einer Luxuskarosse sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Warum sie entstehen, erklärt die Zürcher Verkehrstherapeutin Silvie Hildering.
Fast jeder hat einen solchen Moment im Alltag schon erlebt: Eine Person fährt mit ihrem grossen und teuren Luxusauto vor. Ohne, dass du die Person kennst, noch jemals mit ihr ein Wort gewechselt hast, ist sie dir unsympathisch – nur weil sie einen teuren Luxusschlitten fährt. Doch warum entwickeln wir eine solche Antipathie?
Teure Autos und Prestigeobjekte als Erfolgsmassstab
Laut Silvie Hildering, Verkehrstherapeutin des Zentrums für Fahrkompetenz in Zürich, hat dieses Phänomen verschiedene Gründe. «Zum einen kann es sein, dass ein erster Impuls, ob bewusst oder nicht, Neid auslöst.» Besonders bei Männern ist Neid ein grosses Thema, weiss Hildering: «Gerade in unsere Leistungsgesellschaft wird der Erfolg häufig anhand von Luxusgütern wie Uhren oder Autos gemessen. Das zieht sich vor allem bei Männern durch alle Schichten und Bildungsniveaus. Ein Gefühl von Konkurrenzkampf macht sich in einem breit.»
Luxuswagen als Selbstwertsteigerung
Als zweiten Grund für die plötzlich empfundene Ablehnung nennt Hildering auch das Prahlen – unbewusst oder bewusst – der Automobilisten. «Menschen mit grossen und teuren Autos versuchen oft ihren eigenen Selbstwert zu erhöhen, in dem Sie durch Luxusgüter ihren Erfolg zur Schau stellen. Mit diesem Gockel-Verhalten lösen sie dann Antipathie bei anderen aus», erklärt die Verkehrstherapeutin.
Die Politische Meinung als Moralkompass
Ein dritter Aspekt für die Antipathie gegenüber Luxusautofahrenden sei gemäss Hildering auch die eigene politische Gesinnung. «Menschen mit einem Umweltbewusstsein empfinden die Autofahrer von solchen Autos als ignorant, weil sie der Ansicht sind, dass ein solches Auto durch seine Grösse und Leistung und seinen Verbrauch ungesund und nicht umweltfreundlich ist.» Die Folgen davon lassen sich aktuell gerade in den Städten Paris und Koblenz sehen. Sie haben kürzlich Preiserhöhungen für Parkplätze für SUV-Fahrende und grosse Autos beschlossen, um die Anzahl in der Innenstadt zu reduzieren (STREETLIFE hat berichtet).
Teure Objekte dienen als Kompensation
Die unabsichtlich negative Wirkung von teuren Autos auf andere ist ein Aspekt. Doch was macht ein Luxuswagen mit der Person am Lenkrad? Hildering erörtert: «Die Besitzerin oder der Besitzer glaubt, dass sie mit ihren Prestigeobjekten, wie etwa einem teuren Auto, mehr wahrgenommen wird und dadurch auch mehr Anerkennung und Wertschätzung von der Gesellschaft erhält. Zuletzt dient es jedoch nur der Erhöhung des Selbstwerts.»
Wie Hildering weiter ausführt, seien durch diese Selbstwerterhöhung die Personen oft auch egozentriert und leiden an mangelnden Sozialintelligenz oder Sozialorientierung und an einem fehlenden Sinn für die Gemeinschaft. Dies zeige sich besonders in ihrem rücksichtslosen Verhalten im immer dichter werdenden Verkehr. «Wenn sie dann mit ihren grossen SUVs daherkommen, wirkt das, als wären sie einfach nur Ich-fokussiert und realitätsfremd», so Hildering.
Doch das Phänomen sitzt gemäss der Verkehrstherapeutin noch viel tiefer in der Psyche. «Durch das Luxusobjekt schaffen sie es, zumindest kurzfristig, ihr Selbstwertgefühl zu erhöhen. Allerdings funktioniert das langfristig nicht. Das führt dazu, dass sie sich immer wieder etwas Neues und Teures kaufen müssen.» So besitzen viele dieser Protzer-Autolenkenden auch kostspielige Uhren, Schmuck und ein grosses Haus. «Diese Kompensation breitet sich mit der Zeit immer weiter aus, da sie die betroffene Person nur kurz- oder mittelfristig befriedigt.»
Die Sympathie hinter der Maske entdecken
Während wir also Automobilisten mit herkömmlichen Kleinwagen laut Hildering als «harmlos und für gewöhnlich auch unauffällig wahrnehmen», ist es verständlich, dass wir Menschen, die Luxuskarossen fahren, auf den ersten Blick unsympathisch finden. «So geht es auch mir», räumt die Verkehrspsychologin ein. Doch wenn man sich authentisch gebe und offen auf die Menschen zugehe, passierte oft erstaunliches. «Plötzlich legen sie die Maske ein Stück weit ab und man lernt die Person ganz anders kennen. Dahinter zeigt sich häufig eine grosse Selbstunsicherheit und ein grosses Bedürfnis nach echter Wertschätzung.Teilweise fangen sie sogar an, sich und ihr Verhalten selbst zu hinterfragen – das macht sie automatisch sympathischer.»

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