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Kleinstwagen sterben aus – auch wegen neuen EU-Vorgaben
Jahrelang waren sie Einstiegsmodelle für Junge oder Autos für Leute mit kleinem Portemonnaie. Doch Kleinstwagen wie der VW Up oder der Ford Fiesta sterben aus – weil neue EU-Anforderungen an Sicherheit und Nachhaltigkeit sie zu teuer machen.
An sein erstes Auto erinnert man sich ein Leben lang. Zumal das bei den meisten ein kleines, nicht allzu teures Modell gewesen ist, das man so richtig ins Herz geschlossen hat. Cityflitzer wie der VW Up, Ford Ka+ und Fiesta, Opel Karl und Adam, Citroën C1, Peugeot 108, Smart Fortwo, Škoda Citigo, Seat Mii und sogar der elektrische BMW i3 – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Einstiegsmodelle für Junge und Leute mit kleinem Budget. Und: Sie gibt es nicht mehr oder wird es bald nicht mehr geben. Denn die ganz kleinen Autos sterben aus.
Klein und günstig, das war gestern
Tatsächlich sind günstige Kleinstwagen nahezu vom Markt verschwunden. A-Segmentmodelle sind selten geworden oder kosten deutlich mehr als früher. Aktuelle Zahlen belegen das: Wurden beispielsweise in Deutschland vor fünf Jahren noch knapp 230'000 Autos aus dem Segment abgesetzt, so waren es 2023 mit gut 110'000 Einheiten weniger als die Hälfte. Der Marktanteil ist im gleichen Zeitraum von 6,3 Prozent auf 3,9 Prozent geschrumpft.
Das Problem ist dabei nicht etwa die Nachfrage. Es ist das Angebot: Anfang 2024 waren nur noch zehn unterschiedliche A-Modelle in 60 Varianten bestellbar. 2019 waren es noch doppelt so viele mit fast sechsfach grösserer Auswahl. Zugelegt haben dafür die Preise – von durchschnittlich 12'750 Euro auf heute 18'260 Euro, wie die Vermarktungsagentur Jato Dynamics recherchiert hat.
Schuld ist die EU – aber nicht nur
Die Ursachen für das Kleinstwagensterben sind vielfältig. Einer der Killer ist die Elektrifizierung. Der Umstieg ist für die Hersteller mit hohen Kosten verbunden. Das lohnt sich bei kleinen Modellen oft nicht, respektive: Die Preise für Kleinstmodelle mit einem E-Motor oder einem Hybridantrieb würden so stark steigen, dass die Autos eines ihrer wichtigsten Argumente verlieren würden: ihren tiefen Preis.
Doch es sind auch neue Bestimmungen der EU, die den kleinen Autos den Garaus machen. Schon das Erreichen der Euro-6-Abgasnormen war bei vielen Modellen mit hohen Entwicklungskosten verbunden gewesen, die sich über Verkäufe nicht amortisiert hätten. Die für 2025 anstehende Euro-7-Norm dürfte deshalb das Aus für weitere Kleinstwagen bedeuten. Doch bereits jene Bestimmungen, die für Neuwagen ab nächster Woche zur Pflicht werden, sind für viele kleine Autos, respektive deren Hersteller, schlicht too much.
Tatsächlich ist das eine ganze Menge: Ab dem 7. Juli müssen neu zugelassene Autos mit ISA ausgestattet sein. Der Sicherheitsassistent weist Autofahrerinnen und Autofahrer durch akustische oder optische Signale auf Überschreitungen des Tempolimits hin. Auch eine automatische Temporeduktion, bei der das Gaspedal leicht gegen den Fuss drückt, kann ISA in bestimmten Fahrsituationen vornehmen.
Das ist jedoch längst noch nicht alles. Die neuen EU-Vorschriften sehen weitere verpflichtende Assistenzsysteme vor. Dazu gehört eine Blackbox, die im Falle von Unfällen Daten liefert, sowie ein Notbremsassistent, der Gefahrensituationen selbständig erkennt und das Fahrzeug automatisch abbremst. Passend zu diesem System muss hinten am Fahrzeug zudem ein Notbremslicht vorhanden sein, das starke Bremsmanöver sofort anzeigt.
Müdikeitwarner und «Alcolocks»
Weitere Vorschriften sind: Ein Müdigkeitswarner, der die Wachsamkeit des Fahrenden überwacht, ein Rückfahrassistent, der Personen oder Objekte hinter dem Fahrzeug erkennt – sowie ein Notfall-Spurhalteassistent, um die Fahrspur zu halten. Ach ja: Ein Muss für Neuwagen ist auch eine Schnittstelle für alkoholempfindliche Wegfahrsperren, sogenannte «Alcolocks». Diese Sperren sind nicht Pflicht, müssen sich aber zumindest nachrüsten lassen.
All diese Auflagen führten dazu, dass die Hersteller bei vielen Kleinstwagen das Handtuch werfen mussten. Denn die kleinen Flitzer entsprechend aufzurüsten, ist teuer – und würde den Preis in Dimensionen hochtreiben, die für Käuferinnen und Käufer nicht mehr attraktiv sind. Ähnliche Überlegungen hatten zuletzt zum vorübergehenden Aus des Fiat 500 mit Vebrennermotor geführt – bevor Fiat kleinlaut zurückkrebste.
Tatsächlich ist die Nachfrage nach kleinen Autos ungebrochen. Denn Kundschaft mit kleinem Budget wird es immer geben. Zudem sind Kleinstwagen in grossen Städten enorm praktisch. Deshalb wird deren Produktion im E-Bereich denn auch nicht zurück- sondern hochgefahren. Das Problem dabei ist: Es gibt zwar immer mehr Modelle, aber sie kosten auch immer mehr.
In die Bresche springt ein Konkurrent, der in Europa nicht nur mit offenen Armen empfangen wird. Chinesische Hersteller scheinen den Spagat zwischen E-Aufrüstung und Tiefpreispolitik aktuell besser hinzukriegen als viele traditionellen Marken. Während diese mit Hochdruck an bezahlbaren E-Autos arbeiten und dafür den klassischen Kleinwagen opfern, schickt beispielsweise mit MG ein Hersteller aus China einen aussichtsreichen Konkurrenten für Polo, Clio und Co. ins Rennen. Der MG3 kommt als Hybrid zu Preisen für deutlich unter 20'000 Franken in den Handel und könnte mit einer weiteren Motorvariante sogar noch 10 bis 15 Prozent günstiger werden. Nicht zuletzt bei der jungen Kundschaft könnte MG damit durchaus auf viel Gegenliebe stossen.
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