Werbung
Durch das «umfassende Überwachungsnetz»
Manchmal schadet ein Blick von aussen nicht. Wie sehen unsere Nachbarländer die Schweizer Verkehrsregeln? Und wie raten Online-Portale ausländischen Autofahrenden, sich auf den Schweizer Strassen zu verhalten? STREETLIFE hat die teils kuriosen Ratschläge einem Fakten-Check unterzogen.
«Die Eidgenossen bestimmen in direkter Demokratie über die kleine finanzstarke Alpenrepublik, die (…) so reich an Sprachen und Kulturen wie an Naturschätzen ist.» Mit diesen freundlichen Worten beginnt der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) seine Länderseite über die Schweiz. Hier finden Reisewillige alle relevanten Informationen für ihren Urlaub bei uns. Ein Besuch auf der Internetseite des ADAC zeigt uns die wichtigsten Verkehrsregeln sind sachlich und übersichtlich zusammengefasst. Selbst bei den für viele drakonischen Schweizer Bussen bleibt das deutsche Pendant zum Touring Club der Schweiz (TCS) sachlich. Unter «Bussgelder – Besonderheiten» heisst es:
Schwere Verkehrsverstösse, Alkoholdelikte und Geschwindigkeitsüberschreitungen werden mit besonders hohen Bussgeldern und Strafen (Haftstrafe, Führerscheinentzug, Fahrzeugenteignung) geahndet. Von Ausländern wird das Bussgeld in der Regel an Ort und Stelle verlangt.
Teure Fotos
Auf die hohen Bussen in der Schweiz wird auf praktisch allen Plattformen in Deutschland, Frankreich und Italien hingewiesen. Wenn wir die Formulierungen lesen, wundern wir uns teilweise, dass sich Reisende aus anderen Ländern überhaupt noch in die Schweiz trauen. Die deutsche Plattform für Rechts-Experten, beratung.de, schreibt beispielsweise, dass in der Schweiz eine Null-Toleranz für Geschwindigkeitsüberschreitungen gelte.
Ein umfassendes Überwachungsnetz aus Radarfallen und Blitzern sorgt dafür, einen grossen Teil der Verkehrssünder zu überführen.
Die Autovermietung Sixt verpackt es in einem Ratgeber auf ihrer Internetseite in einem Lob für unsere Polizistinnen und Polizisten:
Die Schweizer Polizei ist bekannt dafür Ihren Job sehr genau zu nehmen.
Es liegt uns fern, die Leistungen der Schweizer Polizeikorps zu schmälern, aber die Polizeibeamten in anderen Ländern dürften ebenfalls sehr akkurat arbeiten und ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nicht auf die leichte Schulter nehmen. Leider haben sich im Ratgeber von Sixt Frankreich aber auch falsche Informationen eingeschlichen. Es stimmt zwar, dass sich Geldstrafen bei uns nach dem Einkommen des Verkehrssünders richten. Beim Beispiel eines Schweden, der eine Million Franken habe bezahlen müssen, sind die Franzosen, nicht als einzige, auf irreführende Medienberichte hereingefallen.
Der Fall des schwedischen Rasers
Fakt ist: Im Sommer 2010 hat die Kantonspolizei Fribourg einen 37-jährigen Schweden mit 290 km/h auf der Autobahn A12 zwischen Flamatt und Düdingen (Guin) geblitzt, womit er damals der schnellste Temposünder der Schweiz war. Schweizer Medien, allen voran der Blick, spekulierten daraufhin über die mögliche Strafe und erfuhren vom Bundesamt für Strassen (Astra), es könnte die Höchststrafe drohen: Eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu 3600 Franken. Das wären insgesamt tatsächlich 1,08 Millionen Franken gewesen. Aber die zuständigen Behörden im Kanton Fribourg griffen nicht zur Höchststrafe. Sie verurteilten den Schweden zu einer unbedingten Geldstrafe von 27’000 Franken.
Was dabei gerne vergessen geht und der ADAC nur in einer Klammer bemerkt: Der Schwede musste damals nicht nur seinen Führerausweis vor Ort abgeben. Die Polizei hat auch sein Auto konfisziert (Details siehe Box). Diese Möglichkeit haben die Schweizer Behörden tatsächlich und die meisten Plattformen geben diese Information korrekt weiter.
Wann wird das Auto eingezogen?
Wer innerorts mindestens 40 km/h, ausserorts 60 km/h und auf der Autobahn 80 km/h zu schnell fährt, gilt in der Schweiz gemäss Via sicura seit 2013 als Raser. Diese müssen nicht nur die hohen, vom Einkommen abhängigen Geldstrafen bezahlen, sondern auch für mindestens ein Jahr ins Gefängnis und den Führerausweis mindestens zwei Jahre abgeben. Hier haben Richterinnen und Richter aber seit diesem Monat mehr Handlungsspielraum (STREETLIFE berichtete). Zudem kann ihr Auto je nach Fall konfisziert werden. Das Gericht entscheidet, ob es verkauft wird, um die Strafe sowie Verfahrenskosten zu bezahlen, oder ob man es verschrotten lässt.
Auch Dänemark, Deutschland und Italien beschlagnahmen Fahrzeuge. In Italien ist davon betroffen, wer mehr als 1,5 Promille Alkohol im Blut hat, und der deutsche Staat greift bei illegalen Strassenrennen zu. In Dänemark trifft es Raser, wenn sie mehr als 2 Promille Alkohol haben, sowie die Verursacher von schweren Verkehrsunfällen mit Personenschaden unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. Österreich und Polen verschärfen ihre Gesetze nächstes Jahr, um Rasern ebenfalls das Auto abnehmen zu können.
Kleine Auffälligkeiten
Ebenfalls sehr sachlich präsentiert sich die italienische Plattform sicurauto.it. Hier finden sich die wichtigsten Regeln zur Schweiz zusammengefasst. Der Hinweis, dass in der Schweiz eine Leuchtweste im Auto sein muss, ist allerdings falsch. Nur das Pannendreieck ist Pflicht, die Leuchtweste nur eine Empfehlung.
Was auffällt: Obwohl in den meisten Ländern Rechtsvortritt bekannt ist und ebenfalls gilt, wird dieser Verkehrsgrundsatz für die Schweiz besonders stark hervorgehoben. Dazu gehört auch die Erklärung, dass «Kein Vortritt» oftmals mit Dreiecken am Boden signalisiert wird. Was selbst viele Schweizer vergessen: Auch für Bergstrassen gibt es Vortrittsregeln! Grundsätzlich hat der von unten Kommende Vortritt. Ausser von oben kommt ein Lastwagen oder ein Postauto. Das Postauto hat immer Vortritt.
Natürlich wird überall auf die Vignette hingewiesen und dass sie nicht abgenommen und wieder aufgeklebt werden darf. Noch ist aber nicht auf allen Plattformen angekommen, dass es die Vignette seit 1. August auch digital gibt. Wichtige Hinweise sind zudem, dass bei uns nicht rechts überholt werden darf oder dass im Auto nur per Freisprechanlage telefoniert werden darf. Hier wird erneut vor hohen Bussen gewarnt, vor allem wenn man Nachrichten schreibt. Ablenkung, egal ob durchs Smartphone, den Touchscreen im Auto oder auch Essen, Trinken sowie Schminken, kann teuer werden. Hier droht eine Verzeigung und durch die Staatsanwaltschaft verhängte Geldstrafen.
Gefährliche Berge
Selbst für uns überraschend war der Hinweis von myswissalps.com, dass das Fahren in den Bergen und auf Passtrassen spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse erfordert. Sind wir Schweizer für die Berge gerüstet, wie diese Seite sich das vorstellt? Jein … So soll man schneller Fahrende auf Bergstrassen überholen lassen, indem man zur Seite fährt oder per Blinker anzeigt, wann sicheres Überholen möglich ist. Damit haben leider auch viele Schweizerinnen und Schweizer Mühe. Ebenso mit dem Hinweis, sich in Kurven möglichst rechts zu halten, um nicht vom Gegenverkehr überrascht zu werden.
Amüsant waren die Hinweise zu «Bremsen und Getriebe». Wir sollen doch bitte bergauf die Drehzahl zwischen 3000 und 4000 Umdrehungen halten. Deshalb reiche es normalerweise, die Gänge 1 bis 3 zu verwenden. Das sollte sich eigentlich von selbst ergeben, wenn man in höheren Gängen kaum den Berg hochkommt.
Hilfreich für Autofahrende aus dem vor allem flachen Ausland sind hingegen die Hinweise zum Bergabfahren. Auch hier empfiehlt sich ein tiefer Gang. Die Motorbremse lässt das Auto nicht zu schnell werden, wodurch die Bremsen weniger belastet und nicht heiss werden. Erscheint im Armaturenbrett eine Temperaturwarnung oder macht sich ein unangenehmer Geruch bemerkbar, sollte man bei nächster Gelegenheit anhalten und dem Fahrzeug die Möglichkeit geben sich abzukühlen. «Wahrscheinlich haben Sie einen falschen Gang verwendet», vermutet myswissalps.com. Kann sein, muss aber nicht. Aber die Seite weiss auch im schlimmsten Fall Rat:
Wenn Sie feststellen, dass Ihre Bremsen ausfallen, sollten Sie schnell handeln.
Versteht sich von selbst. Aber wie sieht dieses Handeln aus? Zuerst die Bremse wiederholt treten und wieder loslassen. Guter Ansatz: Durch dieses «Nachpumpen» lässt sich meist wieder etwas Bremsdruck aufbauen, wenn die Bremsflüssigkeit nur überhitzt ist. Zur Handbremse rät myswissalps.com nur, wenn es nicht rutschig ist, um die Kontrolle nicht zu verlieren. Das lässt sich auch verhindern, indem man die Handbremse langsam und vorsichtig betätigt. Die elektronische Handbremse funktioniert aber nicht bei allen Autos während der Fahrt. Wenn auch die Handbremse nicht hilft, bleiben nur noch zwei Lösungen:
Sie können in eine aufsteigende Nebenstrasse oder Wiese abbiegen, um abzubremsen. Oder versuchen Sie, Ihr Auto vorsichtig mithilfe einer Felswand entlang der Strasse anzuhalten.
Hier liegt myswissalps.com richtig. Wichtig ist, das Auto zum Stehen zu bringen, damit die Insassen sicher aussteigen können.
Andere Hinweise lassen sich mit gesundem Menschenverstand lösen, wie beispielsweise nicht an Stellen mit Geröll auf der Strasse anzuhalten, weil mehr Steine herunterfallen könnten. Den Rat, vor der Abfahrt zu prüfen, ob ein Pass schon oder noch gesperrt ist, sollten Schweizerinnen und Schweizer im Blut haben – auch jetzt in den Herbstferien!

Hast du etwas beobachtet?
Werbung