Werbung
Pro und Contra Oben-ohne-Fahren: Sind Cabrios von gestern?
Temperaturen rauf, Dach runter: Im Frühling kurven Cabrio-Fans auch in der Schweiz wieder en masse über Pässe und Landstrassen. Ist das cool oder nervig? Tatsächlich scheiden sich an Cabriolets seit eh und je die Geister. Ein Pro und Contra aus der STREETLIFE-Redaktion.
Mit dem Frühling kehrt eine neue Leichtigkeit in unseren Alltag. Wir räumen die schweren Winterkleider weg, holen stattdessen die leichten Sommerkleider hervor. Auf den Strassen vollzieht sich ein ähnlicher Wechsel. Viele lassen ihre SUVs und Kombis in der Garage stehen. Stattdessen sehen wir mehr Motorräder, Oldtimer oder Cabrios auf den Strassen. Letzteres ist quasi das automobile Gegenstück zu den kurzen Sommerkleidern.
Doch wie bei der Mode sind auch Sommerfahrzeuge Geschmacksache – und nicht immer en vogue. Cabrios kriegen das zu spüren. Seit 2010 hat sich ihr Verkauf in der Schweiz halbiert. Vor 14 Jahren wurden noch 8638 Fahrzeuge mit abnehmbarem oder versenkbarem Dach verkauft. Das entsprach schon damals einem eher kleinen Marktanteil von 2,9 Prozent. Im letzten Jahr entschieden sich gerade noch 3715 Kundinnen und Kunden für ein Cabrio. Das entspricht noch 1,5 Prozent aller Neuwagen.
Ein Grund und gleichzeitig auch eine Folge davon: Das Angebot nimmt ab, Cabrios drohen auszusterben – vor allem bezahlbare. Umso besser, freuen sich die einen – schade, jammern die anderen. Denn an Cabriolets (und ihren Besitzerinnen und Besitzern) scheiden sich seit eh und je die Geister. Auch auf der STREETLIFE-Redaktion gehen die Meinung über Cabriolet stark auseinander, wie unser Pro und Contra zeigt.
Contra: «Cabrio-Fans wollen beachtet werden»
Kennst Du das? Du gehst an den Strand, bist früh dran. Weit und breit kein Mensch, Sonne, Ruhe, wunderbar. Dann kommt jemand und installiert sich mit Boom-Box und Hund einen Meter neben dir, obwohl es kilometerweit freien Platz hätte. Ich will hier niemandem zu nahetreten. Aber ich habe den Verdacht: Solche Personen könnten Cabriofahrende sein. Denn: Die müssen beachtet werden, die brauchen immer Aufmerksamkeit.
Seht her, seht mich, seht mein Auto! Dazu noch die obligaten Accessoires: Sonnenbrille, Schal und Hut, Nerv-Sound aus den Boxen, fertig ist der Ballermann auf vier Rädern.
Image ist das eine. Technik das andere. Dank diversen Testautos hatte ich schon öfters das «Vergnügen», ein Cabriolet zu fahren. Und immer mal wieder hat das ach so innovative und vollautomatische Top irgendwo geklemmt, nicht richtig geschlossen, oder es war sonst irgend etwas nicht gut. Oben-Ohne-Profis werden darüber lachen, die haben das sicher besser drauf. Ich aber will in ein Auto einsteigen, losfahren, fertig. Ausserdem ist ein Autodach in der Regel etwas Ästhetisches; viele Cabriolets dagegen sehen aus wie Sardinendosen auf vier Rädern. Offene, versteht sich.
Und was ist mit dem vielbeschworenen Freiheitsgefühl, dem Fahrtwind, der frischen Luft? Nun, wenn ich Wind im Haar will, schaue ich «Dances with Wolves». Wenn ich Natur und Landschaft geniessen will, gehe ich wandern oder fahre mit dem Bike herum. Und wenn ich mir unbedingt eine Erkältung holen will, kann ich mich auch anderswo in den Durchzug setzen. Mein Auto hat übrigens abgedunkelte Scheiben. Aber immerhin: Auch ein Panorama-Dach, das sich per Knopfdruck öffnen lässt. So viel Cabrio darfs trotz allem sein.
Wenn ich Wind im Haar will, schaue ich «Dances with Wolves».
Pro: «Cabrio-Fahrende sind mutig und folgen ihrem Herzen»
Sorry, lieber Kollege: Ich sehe mich eher als introvertierten Menschen. Ich muss auch nicht immer Zentrum stehen; dafür reicht normalerweise, wenn mein unüberhörbares Lachen durch die Gegend hallt. Das heisst aber nicht, dass ich gegen Individualität bin. Diese drückt sich bei mir vor allem bei der Auto-Auswahl aus, wo ich mich allgemeinen Trends widersetze. Privat kommt mir nie ein unpersönlicher SUV in einer farblosen Massen-Lackierung (weiss, grau oder schwarz) in die Garage. Und individueller als mit einem Cabrio geht es gar nicht. Es geht mir auch überhaupt nicht darum, gesehen zu werden. Im Gegenteil: Ich stelle eher das Radio ab, weil man sowieso nichts hört.
Ich wähle auch lieber wenig befahrene Strecken, um das Gefühl der Freiheit ohne andere Autos zu geniessen, während ich einen weiteren schönen Flecken Erde erkunde. Ich liebe Roadtrips und mache sie am liebsten mit einem Cabrio. Und ja, es gibt genug Platz fürs Gepäck zu zweit. Eine Woche Korsika hat mit dem kleine Mazda MX-5 problemlos funktioniert. Abgesehen davon empfehle ich sowieso, nicht zu viel Gepäck auf einen Roadtrip mitzunehmen.
Aber ja: Die Haarbürste darf nicht fehlen, um nach der Fahrt die Frisur zu richten. Das ist bei offenem Fenster oder Panoramadach aber auch nicht anders. Und genau so fahren im Sommer doch plötzlich alle herum, um auch noch einen Hauch Frischluft-Vergnügen zu erleben. Obwohl sie nicht mutig genug waren, ein Cabrio zu kaufen.
Für mich sind offene Fahrzeuge die einzigen, die noch mit dem Herzen und nicht dem Verstand gekauft werden. Wer sich ein Cabrio in die Garage stellt, denkt nicht schon beim Konfigurieren an den Wiederverkaufswert. Kommt dazu: Ein Cabrio erfordert auch viel Selbstdisziplin, um die Bequemlichkeit zu überwinden. Schliesslich sollte das Verdeck mit einem Cabriolet wirklich bei jeder Fahrt runter – sofern es nicht gerade regnet.
Cabrios sind die einzigen Autos, die noch mit dem Herzen und nicht mit dem Verstand gekauft werden.
Werbung