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Wer braucht Fake-Motorensound aus den Boxen?
Die Schweiz hat brummenden Motoren und röhrenden Auspuffanlagen den Kampf angesagt. Bei Autos liegen maximal noch 75, bei Töffs 80 Dezibel drin. Eine Alternative ist der Fake-Motorensound. Sinnvoll oder Unsinn? Ein Pro und Contra aus der STREETLIFE-Redaktion.
Das neue Gesetz sorgte 2016 für einen Aufschrei in der Tuningszene. Und es löste richtige Hektik aus: Wer noch konnte, verbaute vor der Gesetzesänderung einen Klappenauspuff nach altem System. Mit gutem Grund: Auspuff-Hersteller nutzten ein Schlupfloch, um das Fahrzeug durch die Prüfung zu bringen. Der Trick: Es wurden Auspuffklappen eingesetzt, die bei der Messung geschlossen wurden, was zu einem vermeintlich korrekten Messergebnis führte. Seit 2016 sind genau solche Systeme verboten und ein Klappenauspuff nur erlaubt, wenn er auch «offen» die Lärmbeschränkung einhält.
Fans von knallenden Auspuffanlagen suchen seither nach Alternativen für den richtigen Motorensound. Mittlerweile bieten Autohersteller sogenannte In-Car-Audiosysteme an: Sie liefern den Fake-Motorensound aus dem Lautsprecher. Oder mittels Generator wird ein Brummen wie bei einem V8-Sound garantiert – immer unter Einhaltung der geltenden Lärmbestimmung. Aber sind die künstlich generierten Klänge auch wirklich cool? Die STREETLIFE-Redaktion diskutiert das Thema hitzig.
Contra: «Fake-Motorensounds sind wie Push-Up-BHs»
Der erste Kontakt mit einem Fake-Motorengeräusch hat mich schwer irritiert. Ich sass bei einem Bekannten in seinem leistungsstarken BMW 5er. Das Auto mit Verbrennermotor grummelte und brummte und ich dachte noch: Wow, das ist ein geiler Motorensound. Und: Ist halt schon ein cooles Auto. Das Design, das Interieur, der Klang – zwar nicht ganz billig, aber man bekommt definitiv was für sein Geld.
Doch dann passierte etwas, was bei mir die Stimmung trübte. Er so: «Und das Beste ist, ich kann den Motorensound auch lauter machen.» Ich so: «Hä, wie geht das?». Seine Erklärung: «Der Sound ist ja nicht echt, der kommt aus den Boxen.»
Ich gebe zu: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie was von künstlichem Motorensound gehört. Wusste nicht, dass die Technologie für Soundengineers ein richtiges Business ist. Ich wollte es genauer wissen und öffnete das Fenster. «Du hast recht. Drinnen ist der Sound lauter, draussen hör ich nix», erwiderte ich. Ernüchterung machte sich breit. Und ich fühlte mich richtig veräppelt. Wirklich? Fake-Motorengeräusche? «Das ist ja wie bei Push-Up-BHs», schoss es mir durch den Kopf, «ein Bschiss und am Ende sind alle enttäuscht.»
Das gilt übrigens auch für Generatoren, welche Auspuffanlage im Aussenbereich klangtechnisch optimieren. Oder für E-Autos, die ja leise sind, weil sie eben gar keinen Auspuff haben. Ich sehe es so: Ehrlichkeit währt bekanntlich am längsten. Ein leiseres Auto stört mich nicht, so sind heute nun mal die Regeln und der Zeitgeist. Tatsächlich frage ich mich, wer solche Klänge überhaupt will? Sorgen sie wirklich für mehr Fahrspass? Vor allem auch deshalb, weil mittlerweile viele wissen, das sie nicht echt sind? Ich bezweifle es!
Ehrlichkeit währt bekanntlich am längsten. Ein leiseres Auto stört mich nicht, so sind heute nun mal die Regeln und der Zeitgeist.
Pro: «Optimierte Sounderlebnisse berühren das Herz»
Vielleicht schwäche ich beim nächsten Lohngespräch meine Position. Aber beim Thema optimierter Motorensound muss ich meiner Chefredaktorin vehement widersprechen. Vorab argumentiere ich gleich mit meinem eigenen Auto. Mein Toyota GR Yaris wurde bewusst für die Aussenwelt akustisch diskret angelegt. Weil aber der weltweit stärkste Dreizylinder-Benzinmotor ein extrem berührendes Klangbild generiert, übertragen Tonsensoren den akustischen Motorengenuss verstärkend in den Innenraum.
Wer heute leistungsstarke Verbrenner fährt, kommt oft in den Genuss von knatternden und bollernden Auspuffgeräuschen, welche von Ingenieuren und Sounddesignern bewusst künstlich angelegt werden. Das Knallen beim Runter- und Hochschalten wirkt, als hätte man Black Sabbath und Richard Wagner gemeinsam im Auto. Herrlich.
Die Grenzen zwischen echt und synthetisch zerfliessen im digitalen Zeitalter sowieso zunehmend. Wer sein Portraitbild mit Filter optimiert, bekommt dadurch ein besseres Gefühl. Was Spass macht, ist OK. Einerseits hat die Technik der klappengesteuerten Auspuffanlagen enorme Fortschritte gemacht. Mein Nachbar öffnet beim Wegfahren mir zuliebe extra die Klappen, damit auch ich die 8 Zylinder seines SUV mitgeniessen kann. Andererseits geht beim vollsynthetischen Sound für Elektroautos aktuell die Post ab.
Als wir mit STREETLIFE den BMW i4 M50 mit 544 PS Systemleistungen testeten, hat mich der digitale Innensound, entwickelt von Komponisten und Oscar-Gewinner Hans Zimmer, auf Anhieb tief berührt. Wenn der i4 vorwärtsstürmt und Zimmer den Innenraum mit Sound durchflutet, dann vereinen sich Motorsport und Hollywood zur beglückenden Symbiose. Der brandneue, elektrische Hyundai Ioniq 5N generiert ein kreischendes und donnerndes Motorengeräusch, dass die Fahrt zur Arbeit in ein Qualifying in Monza verwandelt.
Wenn der BMW i4 vorwärts stürmt und Hans Zimmer den Innenraum mit Sound durchflutet, dann vereinen sich Motorsport und Hollywood zur beglückenden Symbiose.
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