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Kaum noch bezahlbare Modelle

Cabrios sterben aus

Die modernen Autos sprechen immer mehr den Verstand und weniger das Herz an. Knallige Farben sind weitgehend verschwunden. Motorensound ist verpönt. Und jetzt droht auch dem Cabrio das Aus. STREETLIFE geht der Frage nach, wieso es immer weniger offene Autos für Sonnenanbeter gibt.

Es gibt Auto-Modelle, die sind wie Casting-Show-Sieger. Sie kommen und gehen – manche schneller, andere langsamer. Bei VW hat das Jahr mit der Meldung begonnen, dass das T-Roc Cabrio gehen muss. Der offenen City-SUV wird keinen Nachfolger erhalten. Grundsätzlich nur eine von vielen Auto-News zwischen allen Ankündigungen von neuen Modellen, Überarbeitungen, Chef-Wechseln oder Elektro-Strategien. 

Doch für die deutsche Marke Volkswagen bedeutet es das Ende einer Ära. Denn damit hätte die Marke ab 2025 erstmals seit 75 Jahren kein Cabrio mehr im Angebot. Damit ist VW aber nicht allein. Die Kategorie der Cabrios führt längst ein Nischendasein und dürfte schon bald aussterben. VW ist längst nicht der erste Hersteller, der die Frischluftautos streicht. Ob das nun der Grund ist, dass immer weniger Cabrios verkauft werden oder ob die sinkende Nachfrage das Angebot eingedämmt hat, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich sind es gegenseitige Reaktionen, die am Schluss zum Ende der Cabrios führen wird.

Zahlen lügen nicht

Fakt ist: Der Absatz von Cabrios ist seit 2010 um über die Hälfte eingebrochen. Damals hatten die offenen Modelle mit 8638 Neuzulassungen in der Schweiz noch einen Marktanteil von 2,9 Prozent. Im letzten Jahr haben die Autofahrerinnen und Autofahrer noch 3715 Cabrios gekauft, was einem Marktanteil von 1,5 Prozent entspricht. Vor 13 Jahren war aber eben auch das Cabrio-Angebot noch grösser. Alfa Romeo, Maserati, Nissan, Opel, Peugeot, Renault, Tesla, Volvo und Volkswagen hatten damals noch ein Frischluftauto in ihrer Modellpalette – heute nicht mehr.

Heute lässt sich die Anzahl Marken, die noch Cabrios anbieten, an zwei Händen abzählen: Audi, BMW, Ford, Jaguar, Ford, Lexus, Mini, Mazda, Mercedes und Porsche. Und selbst hier haben beispielsweise Audi und Mercedes ihr Cabrio-Angebot in den letzten Jahren stark ausgedünnt. Und auch wenn die meisten dieser Marken nicht gerade für preiswerte Fahrzeuge bekannt sind, verkaufen sie noch die einigermassen bezahlbaren Cabrios. Ja, auch Porsche: Den 718 Boxster gibt es ab 75'000 Franken. Das ist immer noch günstiger als beispielsweise der Lexus LC ab 147'600 Franken. Der Japaner spielt damit schon in der Preisliga der Luxus-Marken um Aston Martin, Bentley, Bugatti, Corvette, Ferrari, Koenigsegg, Lamborghini, McLaren und Pagani.

Zu teuer für Hersteller

Für diese Luxus-Hersteller, deren Modelle jenseits von 100'000 Franken, ja teilweise sogar jenseits von 200'000 Franken liegen, lohnt sich der Aufwand noch. Denn Cabrios sind für die Autobauer nicht günstig, weiss der Sprecher der Importeurs-Vereinigung Auto-Schweiz, Christoph Wolnik. «Die Fahrzeugentwicklung ist sehr teuer, deshalb muss sich das Angebot eines Cabrios rentieren.»

Denn einfach das Dach abnehmen allein funktioniert nicht. Es braucht zusätzliche Verstärkungen für die Crashsicherheit und eine aufwendige Verdeckmechanik, denn es muss heute ja schnell und bequem per Knopfdruck gehen. Das kostet Geld und macht die Modelle teurer. «Viele Marken wollen dieses unternehmerische Risiko heute nicht mehr tragen», ergänzt Wolnik. Bei den Luxus-Marken sieht das wieder anders aus: «Die vermögende Kundschaft ist eher bereit, Geld für ein Cabrio als zusätzliches Fahrzeug auszugeben.» Weshalb sich für diese Marken die Entwicklung eines offenen Modells eher lohnt.

Zu unpraktisch für Kunden

Das erklärt, wieso das Angebot dünner und vor allem teurer wird. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage, weil ich sich das Kundenverhalten geändert hat. «Der Trend bei vielen Kunden geht zur «Ein-Fahrzeug-für-Alles»-Lösung. Deshalb werden grossräumigere Modelle wie beispielsweise SUVs verstärkt nachgefragt», weiss Wolnik. Der Versuch, mit SUV-Cabrios beides verknüpfen zu wollen, scheiterte beim Nissan Murano, dem Range Rover Evoque und zuletzt eben bei VW mit dem offenen T-Roc.

Die Frischluftautos passen nicht mehr in unsere vom Nutzen geprägte Gesellschaft. Wolnik erklärt: «Cabrios gelten meist als zu wenig praktisch, um mehrere Personen und grösseres Gepäck zu transportieren.» Deshalb dienten sie oftmals auch als Zweitauto für den Sommer. Ein Spassauto für eine ziellose Wochenendausfahrt hat in Zeiten der Umweltdebatte und Elektromobilität offensichtlich keinen Platz mehr. Heute wird eher ein Klein- oder Elektroauto als Zweitwagen gekauft.

Teure Elektro-Zukunft

Immerhin, die Elektromobilität ist es nicht, die den Cabrios den Todesstoss versetzt. So rollt der neue Mini Cooper im Laufe des Jahres elektrisch zu uns – und das auch wieder in einer Cabrio-Version. Und der neue Tesla Roadster soll Ende 2024 nach einer Wartefrist von drei Jahren endlich an den Start gehen. Ganz günstig dürfte er aber nicht werden. Gleiches gilt für den Polestar 6. Der offene Stromer soll ab 2026 produziert werden – doch zu Beginn gibt es nur eine limitierte, sprich teure Kleinserie. Somit dürfte das Cabrio auch elektrisch ein Luxusgut bleiben – zumindest vorerst.

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