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Politik & Wirtschaft •
Immer weniger Handschalter-Modelle

Verschwindet mit dem Schaltknüppel der Fahrspass?

Kuppeln, Gang rein und beschleunigen: Schalten – für viele ist das die Essenz des Autofahrens. «Völlig unnötige», halten Verfechter des Automatikgetriebes dagegen. Fakt ist: Der Schaltknüppel verschwindet. Immer mehr Hersteller verbannen ihn aus ihren Modellreihen. Sinnvoll oder Unsinn? Ein hitziges Pro und Contra aus der STREETLIFE-Redaktion.

Die Automatik verdrängt den Handschalter mit zunehmender Geschwindigkeit. Um nicht zu sagen, in rasendem Tempo. Die nackten Zahlen belegen es: So hat der deutsche Automobilhersteller VW bereits seine gesamte Palette auf Automatikgetriebe umgestellt. Bei BMW liegt der Automatik-Anteil bei über 90 Prozent und auch bei der Stuttgarter Konkurrenz, bei Mercedes, ist der Anteil etwa ähnlich hoch. 

Und je teurer das Auto, umso deutlicher zeigt sich der Wandel. So sind praktisch die gesamten Modellreihen der Oberklasse, der SUV und der Geländewagen mit Automatik ausgestattet. Bei Hybriden und Plug-in-Hybriden ist diese Getriebeart ohnehin Standard – und Elektroautos müssen gar nicht mehr schalten.

Pro: «Ich fahre Handschalter. Zwingend und aus Überzeugung»

Was war ich stolz. Damals, mit knapp 20 Jahren, als mir der Experte sagte: «Gratuliere, Sie haben die Autoprüfung bestanden.» Wochenlang hatte ich geübt. Vor allem das Spiel mit der Kupplung und der Gangschaltung. Schweissgebadet stand ich am Steilhang. Die Angst im Nacken, dass ich beim Anfahren den Motor abwürge. Oder bei der Auffahrt auf die Autobahn: Wie nur schalte ich korrekt hoch, um rechtzeitig die richtige Geschwindigkeit zu erreichen? Die bestandene Prüfung mit dem Handschalter war mir die Mühe wert. Wer so fahren konnte, durfte sich in alle Modelle setzen. Salopp gesagt, galt man als die bessere Autofahrerin, waren Automatik-Prüflinge im Gegenzug doch nur auf diese Getriebeart beschränkt.

Noch heute hat mein Auto einen Schaltknüppel. Zwingend und aus Überzeugung. Beim Autofahren gehört das Schalten für mich einfach mit dazu. Erst recht in meinem Mini Cooper SE. Die Handschaltung macht das Gokart-Feeling im kleinen Flitzer erst so richtig komplett. Halt Fahrspass pur. Wie spritzig ich aus der Kurve herausbeschleunige, will ich selber entscheiden und nicht dem Getriebe überlassen. Und ja, auch ich war schon mit Automaten unterwegs. Mit unliebsamen Erinnerungen: Trotz Drehmomenthoch kann die Beschleunigung einfach verhungern. Besonders unangenehm ist das bei Überholmanövern: Gibt man Vollgas, schaltet die Automatik runter. Das kann sogar dazu führen, dass man das Überholen abbrechen muss. 

Mit der Liebe zur Gangschaltung stehe ich nicht alleine da. Deshalb stellt sich die Frage: Haben die Autohersteller das rigorose Ende der Handschaltung wirklich zu Ende gedacht? Einzelne Marken reagieren: So überarbeitet Cadillac derzeit den CT5-V und den CT5-V Blackwing für das Modelljahr 2025 – beide sind mit Schaltgetriebe ausgestattet. Der japanische Autohersteller Toyota geht sogar noch einen Schritt weiter. Er will einen Schalthebel für Elektroautos einführen. Seit drei Jahren tüftelt der Konzern an der Idee. Nötig ist das bei einem E-Auto definitiv nicht. Aber eben: Eingang- oder Automatik-Getriebe machen das Autofahren einfacher. Aber wer will es schon einfach, wenn dabei der Fahrspass zu kurz kommt?

Wie spritzig ich aus der Kurve herausbeschleunige, will ich selber entscheiden und nicht dem Getriebe überlassen. Das ist halt Fahrspass pur.

Silvana Guanziroli

Contra: «Ich fahre Automatik. Bequem und komfortabel»

Der Funkschlüssel des Automatik-Autos meines Vaters lag immer verführerisch neben dem klassischen Schlüssel des Wagens meiner Mutter. Aber als Teenie, der gerade erst den Führerausweis gemacht hatte, galt es natürlich den gebrauchten Opel Tigra meiner Mutter zu nehmen und nicht das väterliche Geschäftsauto. Heute muss ich gestehen, es war gut so, denn ich brauchte die Übung mit der Handschaltung. Mein Zusammenspiel zwischen Kupplung, Gas und Schalthebel war bestenfalls 4.-Liga-Niveau und weit entfernt vom Rasen-Ballett eines FC Barcelona. Heute habe ich es doch in die Super League geschafft und ich bin froh, kann ich ein Auto mit Handschaltung fahren. Das heisst aber nicht, dass ich es will.

Das Schalten ist aus der Zeit gefallen und repräsentiert eine romantisierte, aber veraltete Vorstellung vom Autofahren. Wie oft habe ich im Alltag noch die Gelegenheit, um selbst bestimmt aus einer Kurve zu beschleunigen? Praktisch nie! Es gibt zu viel Verkehr und so geben ungeübte Junglenkende, unsichere Senioren, Traktoren oder Lastwagen den Takt auf der Strasse vor. Und dieser Takt ist im Handschalter eine Tortur für das linke Kupplungsbein. Der Verkehrsfluss ist so inkonstant, dass ich permanent zwischen dem zweiten, dritten und vierten Gang wechseln muss, um die richtige Drehzahl zu halten, damit der Motor nicht überdreht oder absäuft. Darüber muss ich mir mit einem Automaten keine Gedanken machen. Und sollte der Gegenverkehr dann tatsächlich mal ein Überholmanöver zulassen, kann ich auch mit Automatik immer noch selbst runterschalten, um genug Drehzahl zu haben. 

Von Stau und Pendlerverkehr haben wir noch gar nicht gesprochen. Während Autofahrende mit Handschalter jede Minute in die Fahrschule zurückversetzt werden und das Anfahren üben, rolle ich mit meiner Automatik gemütlich und vor allem ruckelfrei vorwärts. Ich fahre mit Automatikgetriebe, weil es bequem und komfortabel ist. Abgesehen davon ist es in der heutigen Verkehrswelt die entspannendste und sinnvollste Lösung, um mit der Fahrzeugmasse zu fliessen. Vor allem in Kombination mit den Assistenzsystemen: Der Abstandstempomat passt das Tempo dem vorderen Auto an, hält den Abstand, stoppt und fährt an. Einige Autos halten sogar die Spur. Es ist die Vorstufe der selbstfahrenden Autos. Ohne Automatik wäre das gar nicht möglich und ich freue mich darauf, im Berufsverkehr dösen zu können, während mich das Auto ins Büro fährt.

 

Die Handschaltung repräsentiert eine romantisierte, aber veraltete Vorstellung vom Autofahren. Die Automatik macht das heutige Verkehrsaufkommen entspannter.

Martin A. Bartholdi

Sparsam fahren – so mache ich es richtig

Automatikgetrieb
  • Beim Überholen vermeiden, das Gaspedal ganz durchzutreten. 
  • Stets moderat beschleunigen, so kann das Automatikgetriebe frühzeitig hochschalten. 
  • Bei optimaler Geschwindigkeit kurz vom Gas gehen, damit das Getriebe in den höchstmöglichen Gang schalten kann.
  • Vorausschauend fahren und das Auto so weit wie möglich ausrollen lassen.
Schaltgetriebe
  • Hohe Drehzahlen vermeiden
  • Früh hochschalten, spät runterschalten
  • Zügig beschleunigen. Danach eine konstante Fahrgeschwindigkeit beibehalten.
  • Durch vorausschauendes Fahren Abstände eingehalten, was keine Bewegungsenergie des Fahrzeugs verschwendet

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