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Politik & Wirtschaft •
Im Dialog mit der Politik

BMW Schweiz: «Es braucht dringend umsetzbare Rahmenbedingungen»

Vertreter der BMW Group Switzerland haben sich vor Kurzem mit Mitarbeitenden des Bundesamtes für Energie BFE ausgetauscht. Anlass waren die neuen CO₂-Grenzwerte, die für BMW und andere Autohersteller in der Schweiz praktisch nicht zu erreichen sind. Was bei diesem Treffen auf den Tisch kam und welche Folgen das haben könnte, weiss STREETLIFE.

Den direkten Dialog mit der Politik zu suchen, wird auch für die Schweizer Auto-Importeure immer wichtiger. Neben dem Branchenverband auto-schweiz, der die Schweizer Auto-Importeure gesamthaft vertritt, versuchen auch einzelne Unternehmen direkt mit den Behörden in den Dialog zu treten.  

Dies passiert besonders dann, wenn sie von Regulierung oder Rahmenbedingungen direkt betroffen sind.BMW steht wie andere Hersteller unter Druck, die CO₂-Flottenziele zu erreichen. Während der Zielwert für alle neuen Personenwagen 2024 in der Schweiz noch bei durchschnittlich 118 g CO₂ pro Kilometer lag, gilt seit 1. Januar 2025 ein Grenzwert von 93,6 g/km – eine Reduktion um rund 21 Prozent.  

Aus Sicht von Sven Grützmacher, Director Corporate Communications und Politik der BMW Group Switzerland, fehlt es bei den CO₂-Zielen an einem stärkeren Abgleich mit den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: «Es wird nur klappen, wenn das Ökosystem und die Rahmenbedingungen stimmen. Das können wir als Autoindustrie und auch als BMW unmöglich alleine schaffen. Deshalb braucht es mehr Dialog und an manchen Stellen eine noch engere Abstimmung mit den Marktgegebenheiten.» Von unfairen CO₂ -Strafen sprach im Januar bereits Gerhard Schürmann, CEO der Emil Frey Gruppe. Er befürchtet: «Diese Bussen kosten Arbeitsplätze und machen Autos teurer.» (STREETLIFE berichtete). 

Der Markt für elektrifizierte Fahrzeuge wachse derzeit deutlich langsamer als erwartet und liege derzeit mit einem Anteil von 30 Prozent deutlich unter dem vom Bundesrat in der Roadmap 2025 festgelegten Ziel von 50 Prozent. Gleichzeitig zeige sich, dass Kundinnen und Kunden teilweise andere Antriebsarten nachfragen, als es die politischen Vorgaben vorsehen. Am Beispiel von BMW sind dies in der Schweiz vor allem leistungsstarke M-Modelle mit Benzin, Diesel oder Plug-In Hybrid und umfangreicher Ausstattung.  

Trotz des hohen M-Anteils am Absatz habe BMW seit 2016 die strengen CO₂-Flottenziele in der Schweiz bislang jedes Jahr aus eigener Kraft erreicht, dank einer Mischung aus effizienten Verbrennern, Plug-in-Hybriden und vollelektrischen Modellen.  

Mit der Verschärfung der Ziele und neuen Berechnungsgrundlage ab 2025 jedoch, so Grützmacher, sei das Erreichen der Zielwerte «unter den aktuellen Bedingungen kaum realistisch» – egal, welche Massnahmen ergriffen würden. Die Folge wären hohe Ersatzleistungen, die das Unternehmen betriebswirtschaftlich spürbar belasten würden.  

Um diese Kosten aufzufangen, müssten Einsparungen in der Schweiz geprüft werden – etwa beim Personal, im Marketing, bei Kooperationen, Mitgliedschaften, Händlern und entlang der Lieferkette. Damit stünden nicht nur BMW, sondern auch Teile der lokalen Wertschöpfungskette unter Druck. Das Bundesamt für Energie betone im Gespräch mit BMW derweil, dass die CO₂-Ersatzleistungen nicht dazu gedacht seien, die Automobilindustrie zu schädigen. 

Stillstand bei der Ladeinfrastruktur

Neben den CO₂-Zielen sieht Grützmacher auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur eine deutliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das Netz sei für den flächendeckenden Umstieg noch nicht ausreichend ausgebaut. Wie sinnbildlich die Lage ist, zeigt sich übrigens auf dem Parkplatz vom Bundesamt für Energie selbst, wo es derzeit nur eine einzige Ladesäule gibt, die für Mitarbeitende des BFE reserviert ist – ein Beispiel dafür, dass der Ausbau selbst für die Verwaltung noch eine Herausforderung darstellt.  

Das sei gemäss Grützmacher frustrierend, besonders weil der Markt für Elektroautos an einem Wendepunkt stehe: die Early Adopters, also diejenigen, die von der Elektromobilität überzeugt sind, hätten bereits ein E-Fahrzeug. Nun gehe es darum, die restliche Bevölkerung von der Technologie zu überzeugen. Diese Käufer liessen sich nicht allein mit attraktiven Produkten oder günstigen Preisen gewinnen, sondern vor allem durch Alltagstauglichkeit: «Kann ich das E-Auto im Alltag genauso unkompliziert nutzen wie einen klassischen Verbrenner? Das ist die Hauptfrage.» Solange die Rahmenbedingungen unverändert blieben, werde sich die Elektromobilität in der Schweiz nicht im nötigen Tempo entwickeln. 

Sind Pflanzenöle eine sinnvolle Alternative?

Alternative Antriebe und im erweiterten Sinne E-Fuel als synthetischer Kraftstoff werden vom BFE bei der CO₂-Zielerreichung berücksichtigt. Gerade die E-Fuels sind derzeit jedoch nicht in ausreichenden Mengen und zu betriebswirtschaftlichen Preisen verfügbar. Bei den alternativen Antrieben fehlt es an Rahmenbedingungen und Infrastruktur. Daher rücke für BMW auch die Frage nach anderen, sofort wirksamen Lösungen in den Fokus, wie HVO100, ein erneuerbarer Dieselkraftstoff, der aus hydrierten Pflanzenölen besteht und der den CO₂-Ausstoss um bis zu 90 Prozent reduziert.  

Alle Dieselfahrzeuge bei BMW sind bereits seit 2015 in der Lage, mit dieser Kraftstoffart zu fahren. Ab Produktion in Deutschland werden die Diesel-Modelle sogar heute schon mit einer Erstbetankung mit HVO100 an die Kunden ausgeliefert. «Wir könnten sofort einen grossen Beitrag zur Reduktion der Emissionen auch in der Bestandsflotte leisten, brauchen hier jedoch zusätzliche regulatorische Unterstützung», bedauert Grützmacher.  

Ein Schritt in die richtige Richtung folgte Anfang des Jahres, als am 1. Februar 2025 in Lyss die erste öffentlich zugängliche HVO 100-Tankstelle der Schweiz eröffnete. Doch trotz dieser Entwicklungen und BMWs Angebot, den Ausbau solcher Infrastruktur zu unterstützen, bleiben HVO 100 und vergleichbare Technologien in der offiziellen Klimastrategie bislang nur in begrenztem Umfang berücksichtigt und werden nicht auf die CO₂-Bilanz der Hersteller angerechnet. 

Mehr Pragmatismus gefordert, Zusammenarbeit vielversprechend

Trotz teils unterschiedlicher Positionen zieht BMW Schweiz aus dem Dialog mit dem BFE eine positive Bilanz. Man habe sich gegenseitig zugehört, Verständnis für die jeweilige Sichtweise entwickelt und die Bereitschaft erkannt, mögliche Spielräume und flexiblere Lösungen zu prüfen. Grützmacher betont, dass dieser offene und direkte Austausch zwischen Politik und Wirtschaft keineswegs selbstverständlich sei und in der Schweiz besonders geschätzt werde. Klar sei aber auch, dass der Dialog fortgesetzt werden müsse, um tragfähige Wege zur Erreichung der Klimaziele zu finden, die sowohl den politischen Vorgaben als auch den Realitäten des Marktes gerecht werden. Das BFE wollte sich auf Nachfrage von STREETLIFE nicht zu den laufenden Gesprächen mit BMW äussern. 

 

 

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