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«Diese Bussen kosten Arbeitsplätze und machen Autos teurer»
Hat der Bund mit der Energiestrategie 2050 zu hoch gepokert? Bis jetzt kauft die Schweiz viel zu wenige E-Autos, um die Ziele zu erreichen. Dafür sollen jetzt die Autohändler mit rückwirkenden CO2-Strafen bluten. «Das ist ungerecht und dagegen wehren wir uns», sagt Gerhard Schürmann, Chef der Emil Frey Gruppe.
Der Ärger entlud sich bei Gerhard Schürmann am letzten Mittwoch. An diesem Tag schickte der Chef des zweitgrössten Schweizer Autoimporteurs einen Brief nach Bundesbern. Der Inhalt war eine klare Botschaft ans Umwelt- und Verkehrsdepartement UVEK von Bundesrat Albert Rösti. Im Schreiben weist Schürmann auf die zugespitzte Lage in der Automobilbranche hin und benennt die Auslöser: Es sei eine «direkte Folge einer jahrelangen Politik auf Bundesebene» und von fehlendem «Rückenwind» – Schürmann fordert den Verkehrsminister deshalb zum schnellen Handeln auf: «Wir zählen kurzfristig auf die Politik und die Verwaltung.»
Es ist eine Forderung, die nicht nur der CEO der Emil Frey Gruppe ans UVEK richtet, schreibt der Sonntagsblick am Wochenende. Vielmehr ist es eine Forderung aus der ganzen Branche, inklusive weiteren Schreiben von auto-schweiz, dem Autoimporteur AMAG und weiteren grossen Importeuren.
Der Sonntagsblick hatte in grosser Aufmachung über diese Auseinandersetzung zwischen den Behörden und den Mitgliedern von auto-schweiz berichtet und das Problem bei den Beamten verortet, welche die zukünftige Verordnung gegenüber den EU-Vorgaben sogar noch verschärften und die Bussen damit erhöhen wollen. Entgegen den Gepflogenheiten scheint auch die Korrespondenz zwischen den Mitgliedern von auto-schweiz und dem Bundesamt an die Presse weitergereicht worden zu sein, wie der Sonntagsblick schreibt.
Rückwirkende CO2-Strafen ab 1. Januar 2025
Was die Branche antreibt, ist der Ärger über die geplante CO2-Verordnung. Der Entwurf befindet sich seit letztem Sommer in der Vernehmlassung. Auslöser dafür war das Ja der Stimmbevölkerung im Juni 2023 zum Klimagesetz und damit zum Netto-Null-Ziel bis 2050. Die Energiestrategie sieht vor: Bis dahin soll die Schweiz keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre ausstossen, die nicht durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können.
Ein wichtiger Baustein dieser Energiestrategie ist die Umstellung auf die E-Mobilität. Doch die Realität sieht anders aus: Die Schweizer Bevölkerung hat zwar ja gestimmt, kauft jetzt aber viel zu wenige E-Autos, um diese Vorgaben zu erreichen. Die Behörden haben mit deutlich anderen Zahlen kalkuliert. Aus Sicht des Bundes soll es jetzt alleine die Automobilindustrie richten – rückwirkende CO2-Strafen ab 1. Januar 2025 sind der entsprechende negative Anreiz. Und das obwohl die Verordnung noch gar nicht in Kraft ist.
«Das ist doch der völlig falsche Weg», sagt Emil Frey-CEO Gerhard Schürmann im STREETLIFE-Interview. «Wir bieten unseren Kunden schon heute ideale Elektromobilitätslösungen zu attraktiven Preisen an. Trotzdem bleiben viele Käuferinnen und Käufer bei der E-Mobilität skeptisch. Das Problem liegt nicht bei der Automobilbranche, vielmehr bei fehlender Infrastruktur, fehlenden Ressourcen und bei der Unsicherheit, ob in der Schweiz langfristig genügend Elektrizität für die gesamte, stark steigende Nachfrage nach Strom verfügbar sein wird. Aber genau darauf haben wir keinen Einfluss. Für den Bau der Ladeinfrastruktur, welche überall verfügbar sein muss, sind Gemeinden und die Elektrizitätswerke zuständig.»
Dass die Bussen rückwirkend gelten sollen, findet Schürmann sehr problematisch: «Stellen Sie sich vor. Auf einer Quartierstrasse ändert sich die Geschwindigkeit von Tempo 50 auf Tempo 30. Dann heisst es plötzlich: Wir haben im letzten halben Jahr schon Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. Sie kriegen in den nächsten Tagen rückwirkend die entsprechenden Bussen zugeschickt. Genau so ist das für die rückwirkende Einführung der CO2-Strafen vorgesehen. Wie sollen wir hier noch zielgerichtet planen und diejenigen Autos den Kunden anbieten, welche die CO2-Normen erfüllen.»
Sind rückwirkende Strafen illegal?
Kommt dazu: Gemäss einem Gutachten, dass die Automobilindustrie beim renommierten HSG-Rechtsprofessor Peter Hettich in Auftrag gab, ist es fragwürdig, ob die Strafen rückwirkend überhaupt erhoben werden dürfen. In seinem 102-seitigen Bericht kommt der Rechtsprofessor zum Schluss: «Das ist illegal»
Sicher ist: Die CO2-Verordnung hat für die Branche und alle Autokäuferinnen und Autokäufer einschneidende Folgen. Gemäss dem Branchenverband auto-schweiz drohen jährlich bis zu einer halben Milliarde Franken Strafzahlungen. Das liesse sich nur verhindern, wenn 2025 doppelt so viele Elektrowagen wie 2024 verkauft werden. Doch schon 2024 sank der Absatz reiner E-Autos um 10 Prozent. Deshalb braucht es in Bundesbern dringend ein Umdenken, fordert Schürmann: «So geht es nicht. Diese Verordnung ist ein Schnellschuss, nicht zu Ende gedacht und so nicht umsetzbar. Statt die Branche in der Energiewende zu unterstützen, will man uns mit Bussen die Mittel entziehen, die wir brauchen, um im Markt wichtige Impulse für den Verkauf von Elektrofahrzeugen setzen zu können. Je höher die vom Staat festgelegten Bussen sind, umso teurer werden die Autos verkauft werden müssen.»
«Wir müssen unserer Wirtschaft Sorge tragen»
Zuständig für die Regulierung der Autowirtschaft ist das Bundesamt für Energie BFE und gemäss dem Sonntagsblick, kam es am 16. Dezember zum Spitzentreffen mit dem UVEK-Chef Rösti, dem BFE-Direktor und Vertretern der Autobranche. Im Gespräch soll das Bundesamt hart geblieben sein und sich gegen die berechtigten Wünsche der Autobranche gestellt haben.
Dem hält Schürmann entgegen: «Die Autobranche und damit die Autokäufer zu büssen, bringt keinen Erfolg. Es kostet Arbeitsplätze, erhöht die Kosten für Mobilität für alle und schadet somit der Volkswirtschaft.» Stattdessen fordert der Emil-Frey-Chef: «Der Wandel zur E-Mobilität braucht mehr Zeit. Das ist ein Generationenprojekt. Wir müssen es ausgewogen und klug angehen, zusammen mit allen Beteiligten. Die Umwelt ist wichtig, da sind wir uns alle einig. Doch Klimaschutz darf nicht zum Schaden der Gesamtwirtschaft erfolgen. Wir müssen unserer Wirtschaft Sorge tragen. Nur eine gesunde Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen kann die enormen Kosten der Energiewende finanzieren.»
Mit dem Miteinander meint Schürmann den gezielten Ausbau der Ladeinfrastruktur: «Hier ist der Staat in der Pflicht. Es braucht die nötigen Grundlagen und vor allem die nötigen Ressourcen.» Was das heisst, zeigte sich beim Bau 54 neuer Ladestationen am Emil Frey-Hauptsitz in Zürich. «Tatsächlich war hier zunächst nicht klar, ob und wie uns das Elektrizitätswerk überhaupt den nötigen Strom liefern kann», ergänzt der CEO von Emil Frey. Mit einer Verzögerung von eineinhalb Jahren konnte hier schliesslich eine funktionierende Lösung gefunden werden.
Schärfere Regeln als in der EU
Wird die Verordnung wie geplant umgesetzt, rechnet die Branche mit dem Schlimmsten. So warnt der Verband auto-schweiz vor einem Arbeitsplatzabbau von Tausenden von Stellen, vor einer Ausdünnung des Händlernetzes und einem Garagensterben. Trotzdem wolle das BFE nichts von einer Verordnung mit Augenmass wissen, wie es weiter heisst. In einigen Punkten möchte das Bundesamt sogar noch schärfere Regeln als die EU. So soll es zum Beispiel bei Lieferwagen zu Strafen von bis zu 15'000 Franken pro Fahrzeug kommen.
Gab es auf seinen Brief schon Reaktionen aus Bern fragt STREETLIFE bei Gerhard Schürmann nach: «Bis jetzt noch nicht. Aber er ist ja auch erst am Donnerstag dort angekommen», sagt er. Und fügt dann noch hinzu: «Erstaunlich war allerdings die Geschwindigkeit, wie schnell ich davon in den Medien lesen konnte. Das hat mich dann doch überrascht.»
Das Bundesamt für Energie wollte die Angelegenheit, mit dem Verweis auf die Auswertung der Vernehmlassung, bisher nicht kommentieren. Die Ergebnisse dürften in der Frühlingsession dem Parlament präsentiert werden. Im April, Mai wird mit einem Entscheid des Bundesrates gerechnet. Der Emil-Frey-CEO schaut hier gespannt in die Zukunft: «Die Autobranche aber auch die Autokäuferinnen und Autokäufer hoffen, dass der Bundesrat in wirtschaftlich angespannten Zeiten eine Lösung mit Augenmass beschliessen wird.»
Hinweis: STREETLIFE gehört zur Emil Frey Gruppe, Gehard Schürmann ist STREETLIFE-Verwaltungsratspräsident

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