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Autobahnausbau ja oder nein? Das musst du wissen
Am 24. November stimmt die Schweiz über einen milliardenschweren Ausbau der Nationalstrassen ab. Die geplante Erweiterung soll Staus reduzieren und die Verkehrsinfrastruktur fit für die Zukunft machen. STREETLIFE liefert dir einen Überblick über das Pro und Contra zu einer der emotionalsten Abstimmungen der jüngeren Zeit.
Egal, wie es ausgehen wird – sicher ist: Die Emotionen bei dieser Abstimmung werden hochgehen. Am 24. November entscheidet das Schweizer Stimmvolk über den etappenweisen Ausbau des Autobahnnetzes. Denn: Nach wie vor staut sich der Verkehr täglich auf dem Schweizer Autobahnnetz. Besonders dramatisch präsentiert sich die Lage auf Teilstücken der A1, der A2 und der A4. Der Bundesrat spricht von «überlasteten Stellen» und von «hohen Kosten für die Bevölkerung und Wirtschaft». Das Autobahnnetz stosse an seine Grenzen, weil sich das Verkehrsaufkommen seit 1990 mehr als verdoppelt habe.
Deshalb will die Landesregierung das Strassennetz in mehreren Etappen ausbauen. Mit einer Investition von 5,3 Milliarden Franken plant der Bund, Engpässe auf vielbefahrenen Strecken zu beseitigen – und den Verkehrsfluss zu verbessern. Der Ausbau wird aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) finanziert. Damit bleibt die allgemeine Bundeskasse unangetastet. Kritiker besänftigt das aber nicht. Sie warnen vor steigenden Verkehrsproblemen und Umweltschäden.
Wer hat die besseren Argumente? STREETLIFE liefert dir rechtzeitig zum Abstimmungs-Showdown – in Zürich muss die briefliche Stimmabgabe bis morgen Dienstag eingereicht sein – eine Übersicht über das Pro und Contra zum geplanten Autobahn-Ausbau.
Die Argumente der Befürworter
Die Unterstützer des Ausbaus sehen vor allem den dringenden Bedarf, die Verkehrsinfrastruktur an die wachsende Bevölkerung und die damit steigende Verkehrsmenge anzupassen. Seit dem Beginn des schweizerischen Autobahnbaus in den 60er-Jahren ist die Bevölkerung der Schweiz von etwa 5,3 Millionen auf knapp 9 Millionen Menschen angewachsen. Die Befürworter argumentieren, dass das heutige Verkehrsaufkommen die Kapazitäten vieler Strecken überschreitet, was besonders in der Rush Hour zu langen Staus und erhöhten Kosten führt. Pro Jahr stehe der Verkehr in der Schweiz rund 48'000 Stunden still. Das koste die Wirtschaft schätzungsweise 1,2 Milliarden Franken.
Der Bundesrat und zahlreiche Parlamentarier betonen, dass der Ausbau die Verkehrsinfrastruktur stärken und die Lebensqualität in vielen städtischen Gebieten verbessern soll. Die Idee: Wenn weniger Pendler und LKW-Fahrer Ausweichstrecken durch die Stadtzentren nutzen müssten, werden Lärm, Luftverschmutzung und Verkehrsprobleme in Wohnquartieren reduziert. Dies würde gleichzeitig Raum schaffen, um den öffentlichen Verkehr und Velowege auszubauen und damit alternative Verkehrsmittel zu fördern.
FDP und SVP als Hauptunterstützer im Parlament sehen im Autobahnausbau zudem eine notwendige Investition, um den steigenden Verkehrsanforderungen gerecht zu werden. Sie weisen darauf hin, dass der Verkehr langfristig nur durch ein leistungsfähiges Autobahnnetz flüssig gehalten werden kann. Eine der Grundannahmen der Befürworter ist, dass ein gut funktionierendes Autobahnnetz dazu beiträgt, die Effizienz des Strassenverkehrs in der Schweiz sicherzustellen – und die regionalen Wirtschaftszentren besser zu verbinden.
Die Argumente der Gegner
Die Gegner des Projekts, zu denen SP, Grüne und Umweltorganisationen wie der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) gehören, bezweifeln, dass der Ausbau tatsächlich zu einer langfristigen Entlastung führen wird. Sie argumentieren, dass mehr Autobahnspuren unweigerlich zu mehr Verkehr führen. Das könne langfristig die bestehenden Probleme sogar verschlimmern. Diese «induzierte Nachfrage» sei ein bekanntes Phänomen, das oft zu noch mehr Autos auf den Strassen führt, wenn zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.
Umweltorganisationen und Parteien aus dem linken Spektrum befürchten deshalb, dass die Erweiterung das Problem nur verlagert und die Natur und Landwirtschaftsflächen in Mitleidenschaft zieht. Schätzungen zufolge würde der Ausbau rund 400'000 Quadratmeter Kulturland kosten. Dieser Eingriff hätte laut den Gegnern nicht nur ökologische, sondern auch soziale Folgen. Denn: Die Zersiedelung durch die Betonierung von Flächen könne so weiter voranschreiten. Sie warnen zudem vor jahrelangen Baustellen, die auf den betroffenen Autobahnabschnitten zu Behinderungen führen könnten.
Deshalb fordern die Gegner alternative Lösungen. Sie setzen auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, den Güterverkehr auf der Schiene sowie auf eine bessere Fahrradinfrastruktur. Die Kritik am Autobahnausbau wird vor allem von der Idee getragen, dass nachhaltigere Verkehrsstrategien notwendig sind, um die steigenden Anforderungen an die Mobilität zu bewältigen. So fordert der VCS verstärkte Investitionen in Nachtzüge, Velowege und andere umweltfreundliche Mobilitätslösungen.
Gegner liegen knapp vorne
Für viele Befürworter ist der Ausbau eine pragmatische Antwort auf die wachsenden Anforderungen an die Mobilität. Die Unterstützung für das Projekt kommt auch aus dem Schweizer Bauernverband, der sich gegen den zunehmenden Ausweichverkehr in ländlichen Regionen ausspricht. Ein weiteres Argument ist, dass die Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr in vielen Regionen noch lange bestehen bleiben wird, da der öffentliche Verkehr (noch) nicht überall eine gleichwertige Alternative bieten kann.
Bundesrat Albert Rösti sieht den Strassenverkehr denn auch als Teil einer Übergangslösung, während innovative Verkehrsstrategien für die Zukunft entwickelt werden. Er argumentiert, dass ein kontrollierter Ausbau Kapazitäten schafft und die Städte entlastet. Gleichzeitig betont Rösti, dass die Schweiz trotz des Autobahnausbaus ein «Eisenbahnland» bleiben soll – und verweist auf die weiterhin hohe Priorität des öffentlichen Verkehrs in der nationalen Verkehrsstrategie.
Aktuelle Umfragen zeigen eine knappe Mehrheit gegen die Annahme des Ausbaus. Besonders Anhänger der FDP und SVP sprechen sich für den Ausbau aus, während – wenig überraschend – eine Mehrheit der Wählenden von GLP, SP und Grünen dagegen ist. Trotz dieser Tendenz bleibt das Ergebnis aber offen. Klar ist bislang nur: Es wird spannend – und emotional.

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