Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Politik & Wirtschaft •
Schweizweit tobt der Tempostreit

Zürcher Kantonsrat stoppt Tempo 30 auf Hauptstrassen

In Zürich tobt ein schweizweit beachteter Streit um Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen. Nun unterstützt der Kantonsrat eine bürgerliche Initiative, die grundsätzlich auf Tempo 50 auf Durchgangsstrassen beharrt. Das dürfte die Debatte auch anderswo beflügeln.

Das Parlament des Kantons Zürich will kein Tempo 30 auf Hauptstrassen. Es unterstützt die Mobilitätsinitiative der SVP und FDP. Auf Hauptverkehrsachsen soll demnach grundsätzlich Tempo 50 gelten. Die Initiative  mit dem vollständigen Namen «Gemeinsam vorwärtskommen auf Hauptverkehrsachsen – Ruhe im Quartier» will «eine vernünftige Verkehrspolitik»: Auf den Hauptverkehrsachsen solle der Verkehr fliessen. Nur so könne Ausweichverkehr in die Quartiere vermieden werden.

Generell Tempo 50 habe sich bewährt. «Genügende Kapazitäten auf den Strassen sind ein zentrales Anliegen von Gewerbe und Wirtschaft, denn Stau ist teuer: Jede Staustunde führt zu Mehrkosten und verteuert Dienstleistungen und Produkte», schreiben die Initianten. Die Rede ist von jährlichen Gesamtkosten von gegen 300 Millionen Franken allein im Kanton Zürich. Schweizweit gehen die Staukosten in die Milliarden.

«Rein politische Gründe»

«Einzelne Städte haben in letzter Zeit aus rein politischen Gründen auf gewissen Hauptachsen die Höchstgeschwindigkeit reduziert», kritisieren die Initianten weiter. Dabei werde als Begründung meist die Lärmschutzverordnung angeführt. Dies sei aus verschiedenen Gründen falsch: Wolle man auf den Hauptverkehrsachsen eine Lärmreduktion durch Senkung der Höchstgeschwindigkeit erzwingen, fördere man Umwegfahrten. Dies behindere die Kanalisierung des Durchgangsverkehrs und führe zu mehr Quartierverkehr und Lärm.

In Ausnahmefällen – vor allem wenn Sicherheitsgründe vorliegen – soll es weiterhin möglich sein, von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten abzuweichen. «Temporeduktionen führen aber immer zu Kapazitätsreduktionen, sowohl beim Individual- wie auch beim öffentlichen Verkehr, und verzögern Notfalldienste.» Diese Behinderung der Blaulichtorganisationen war denn auch ein wichtiges Argument bei der Debatte im Kantonsrat.

Regierungsrat unterstützt Initiative

Zum Verständnis dieses Streits um Tempo 30 muss man wissen: Die Hauptverkehrsachsen sind sogenannte Staatsstrassen und werden vom Kanton finanziert. Die Verfassung schreibt vor, dass auf diesen Achsen die Kapazität nicht reduziert werden darf. Dies mache Sinn, so die Initianten, denn es sei für Wirtschaft und Gewerbe zentral, dass der Verkehr auf Hauptachsen nicht gebremst werde.

Auch der Regierungsrat stellt sich hinter das Anliegen. Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh FDP betonte die Bedeutung einer effizienten und zuverlässigen Verkehrsinfrastruktur für den Wirtschaftsstandort Zürich.

Debatte auch auf Bundesebene und in weiteren Kantonen

Damit geht der Kanton auf Konfrontation mit der links-grünen Stadt Zürich und mit dem ebenfalls links-grünen Winterthur. Beide wollen das Schleichtempo nicht nur in Quartieren, sondern teils auch auf Durchgangsachsen einführen. Der motorisierte Individualverkehr ist der links-grünen Mehrheiten in diesen Städten ein Dorn im Auge. Ein prominentes, auch juristisch umkämpftes Beispiel ist die Rosengartenstrasse, eine vierspurige Hauptverkehrsachse, die zu den meistbefahrenen Strassen der Schweiz gehört.

Doch zurück zum Entscheid des Zürcher Kantonsrats: Er fiel denkbar knapp mit 88 zu 87 Stimmen aus. Das letzte Wort hat aber das Stimmvolk des Kantons Zürich.

Und auch der Bund beschäftigt sich mit dem Tempostreit: Der Nationalrat hat bereits eine Motion von FDP-Nationalrat Peter Schilliger angenommen, die verlangt, dass auf Hauptstrassen grundsätzlich Tempo 50 gilt. Ausnahmen sollen möglich bleiben.

Die Auseinandersetzung um Tempo 30 wird also weitergehen – sowohl auf Bundesebene als auch im Kanton Zürich und anderswo. So gibt es etwa auch in Luzern heftigen Widerstand gegen die Pläne des Regierungsrats, Tempo 30 auch auf verkehrsorientierten Strassen einzuführen. Ähnliche Bestrebungen gab und gibt es auch im Kanton Bern (zum Beispiel auf der Hauptstrasse Nidau) oder in Basel-Landschaft, wo der TCS die Initiative «Tempo 30 auf Hauptstrassen – nur mit Zustimmung des Volkes» lanciert hat.

Es ist also durchaus möglich, dass wieder vermehrt die rationalen Argumente eines für die Autofahrer, die Blaulichtorganisationen, den öffentlichen Verkehr und für die Wirtschaft angemessenen Fortkommens Gehör finden. Sich selbst auszubremsen, war noch nie eine besonders erfolgversprechende Idee, um eine Zivilisation voranzubringen.

Werbung