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Will ein Viertel der Stromfahrer zurück zum Sprit?
Fette Schlagzeilen kündigen jüngst fast schon das Ende der Elektromobilität an. Eine Umfrage von McKinsey ergibt: In Deutschland will ein Viertel der E-Fahrenden zum Verbrenner zurück. Steht es so schlimm um E-Autos, und wie steht es in der Schweiz? STREETLIFE forscht nach.
Elektrofans haben es nicht leicht: Derzeit hagelt es Hiobsbotschaften zur E-Mobilität, als Schlagzeilen gerne mit fetten Ausrufezeichen versehen. Stagnation am Elektroauto-Markt! Die Strompreise steigen! Hersteller wollen jetzt doch länger als bis 2035 Verbrenner bauen! Und jetzt das: Laut McKinsey will ein Viertel der E-Fahrer zum Verbrenner zurückwechseln. Geht das E-Zeitalter also zu Ende, ehe es richtig angefangen hat?
Schauen wir uns erst mal die Studie des globalen Beratungsriesens McKinsey an. Die nennt sich McKinsey Mobility Consumer Pulse und stellte 30'000 Menschen über 200 Fragen zur Mobilität. Heuer in 15 Ländern, die 80 Prozent des Welt-Autoabsatzes bestreiten. Etwa die USA, China, Japan oder Brasilien sowie Europäer wie Frankreich, Grossbritannien, Italien oder Deutschland. Die Schweiz? Blieb als kleinerer Markt aussen vor.
Rückwärtsgang im E-Auto-Absatz
Also schielen wir nach Deutschland. Dort sind die Umfrageergebnisse desaströs angesichts der grossen E-Ziele der Hersteller und der Politik. Laut Studie erwägen in Deutschland 24 Prozent der E-Auto-Fahrenden die Rückkehr zum Verbrenner – also gut ein Viertel! In anderen Ländern schwankt diese Zahl zwischen einem Zehntel (Japan) bis knapp der Hälfte (Australien, USA). Als Gründe genannt werden die Kosten, zu wenig öffentliche Ladestationen und dass Langstrecke im E-Auto nicht ohne Zwischenstopp und Planung klappt.
Lässt sich das auch für die Schweiz annehmen? Zahlenvergleich: Reine Elektroautos hatten in der Schweiz im ersten Halbjahr 2024 einen Verkaufsanteil von knapp 18 Prozent statt fast 21 noch 2023. Minus drei Prozent also. Wie in Deutschland: 15 statt 18 Prozent. Unter den Top-15-Typen liegen aktuell bei uns aber drei reine Stromer (Tesla Model Y auf Platz 1, Volvo EX30, Skoda Enyaq), in Deutschland nur der Tesla (nur Rang 14).
Die kleine Schweiz tickt anders
«Wir gehen davon aus, dass der Anteil an Elektromobilisten, die zum Verbrenner zurückwechseln möchten, tiefer liegt als in Deutschland», sagt Thomas Rücker, Direktor des Autoimporteurs-Verbands Auto-Schweiz – und begründet: «Innerhalb der Schweiz sind längere Fahrten mit den allermeisten E-Autos ohne Nachladen zu absolvieren, was in grossen Flächenländern oft nicht möglich ist. Zudem ist die Schnellladeinfrastruktur entlang der Nationalstrassen mittlerweile recht gut ausgebaut. Bei den Energiepreisen wäre es hilfreich, wenn der Strom im Preis wieder fällt. Hiervon gehen aber viele Energieversorgungsunternehmen aus.»
Gegen Vergleichbarkeit spricht auch: Die Delle im E-Absatz geht beim grossen Nachbarn wohl vor allem auch auf den Wegfall des Umwelt-Kaufbonus von bis zu 4500 Euro zurück. In der weniger preissensitiven Schweiz gab es das nie. Dafür aber die (jetzt ebenfalls weggefallene) Befreiung von vier Prozent Import-Autosteuer.
Hürden für die Elektromobilität
Dafür muss die E-Mobilität in der Schweiz andere Hürden nehmen. Zwar sind öffentliche Ladestationen bei uns dichter gesät: In Deutschland gibt es pro Kopf wie pro Auto gerechnet halb so viele. Doch schwerer wiegt: Noch mehr als Deutschland (54 Prozent) sind wir (58 Prozent) ein Land der Mieterinnen und Mieter – und anders als in Deutschland gibt es bei uns kein Gesetz, dass Vermieter Lade-Wallboxen erlauben müssen.
«Das Interesse an E-Autos in der Schweiz stagniert seit längerem, wie Statistiken zeigen», sagt Yves Schott, Kommunikationsverantwortlicher des Autogewerbeverbands AGVS. «Laut einer neuen Studie von Bonus.ch haben drei Viertel der Bevölkerung 2024 keine Absicht, ein E-Auto zu kaufen. Die Gründe sind vielfältig: Zu nennen sind etwa steigende Strompreise, fehlende Infrastruktur und eher höhere Anschaffungspreise.» Schott ergänzt: «Der AGVS steht allen Technologien offen gegenüber und gibt folglich keine Empfehlung ab.»
Auf und ab mit Booms und Flauten
Fazit: Der Mix machts. E-Autos erleben nun ein Tief – auch in der Schweiz. Aber werden wohl bleiben, denn Booms und Flauten sind bei neuen Technologien normal – siehe Diesel. Sagt auch die Umfrage: Die 138 Jahre gereiften Verbrenner werden von 33 Prozent genossen, und 27 Prozent wollen keinen EV. Umgekehrt planen 14 Prozent den Wechsel zum erst vor 15 Jahren richtig gestarteten E-Auto; drei Viertel der E-Fahrer wollen wieder ein E-Auto. Und Studien sind Momentaufnahmen, morgen kann alles anders sein. Ein Beispiel: Vor drei Jahren hatte McKinsey für Europa 75 Prozent E-Neuzulassungen 2030 prognostiziert. Warten wir’s ab.
Bitte mehr Reichweite
Die McKinsey-Umfrage bietet auch sonst interessante Resultate. So wünschen Kundinnen und Kunden global eine E-Auto-Reichweite von im Schnitt rund 470 Kilometern; noch vor vier Jahren wurden hundert Kilometer weniger erwartet. Und Deutschland verlangt da mehr: Günstige Autos sollen 490, teure 530 Kilometer bieten. Ebenfalls spannend: Chinesische Marken wie BYD setzen stark auf Elektro. Offenbar zurecht: Europaweit geben 27 Prozent der europäischen Elektrokaufenden an, sie könnten sich einen China-Stromer vorstellen.
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