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Heimliche Kehrtwende – Verbrennermotoren feiern Comeback
Eigentlich waren sie als Relikt einer vergangenen Ära dem Untergang geweiht. Doch während die E-Mobilität eine Flaute durchläuft, erleben Verbrennermotoren still und leise ein Comeback. Immer mehr Hersteller müssen auf diese Entwicklung reagieren.
Als Jeep vor ein paar Tagen in New York den neuen Wagoneer vorstellte, staunten die Anwesenden nicht schlecht. Nicht so sehr über den neuen elektrischen SUV des Herstellers, vielmehr über den neuen Claim. Denn während es bei Jeep früher hiess: «Freedom is electric», lautete der Slogan nun plötzlich: «Freedom of choice». Die Freiheit ist bei Jeep also nicht mehr länger rein elektrisch – sondern je nach Gusto.
Das deckt sich mit der aktuellen Entwicklung in der Branche. Denn während E-Autos in den letzten Jahren von vielen Herstellern quasi als alternativlos angepriesen wurden, lahmt der Absatz von rein elektrischen angetriebenen Fahrzeugen seit Beginn des Jahres. Dafür feiern Verbrenner still und heimlich ein Revival. So verwundert es nicht, dass der Offroad-Klassiker Jeep Wrangler nach dem gross angekündigten Aus als dreitüriger Verbrenner vor zwei Jahren jetzt doch wieder als Benziner nach Europa kommt.
Auch Fiat musste zurückkrebsen
Dass Totgesagte länger leben, musste dieses Jahr auch schon Jeeps Stellantis-Schwester Fiat erfahren. Denn eigentlich wollte man die Verbrenner-Version des beliebten City-Flitzers 500 per Juli dieses Jahres für immer einstellen. Schliesslich, so die Überlegung, biete man mit der E-Version eine attraktive und vor allem zeitgemässe Alternative an. Doch dieser Schuss ging nach hinten los, wie auch STREETLIFE berichtete: Weil die Werke wegen der geringen Nachfrage nach dem Fiat 500e nicht ausgelastet sind und das Kundenbedürfnis nach dem klassischen Kult-Italiener Fiat 500 mit Verbrennermotor nach wie gross ist, krebste man kleinlaut zurück. Man wolle der einheimischen (sprich: italienischen) Kundschaft weiterhin eine preiswerte Version des 500 anbieten können, so die Ausrede. Doch eigentlich ist der Fall ganz einfach: Die Leute wollen Verbrenner.
Das zeigt sich auch in Zahlen. In Deutschland stieg die Nachfrage nach E-Autos im Mai zwar um 47 Prozent. Dennoch bleibt der Marktanteil mit 17 Prozent relativ tief, während Verbrenner stabil rund 53 Prozent abdecken. Die «grosse Mehrheit der Neuwagenkäufer greift zu Verbrennern», attestierte denn auch der Experte Peter Fuss von der Beratungsgesellschaft EY gegenüber der «FAZ». Auch in der Schweiz zeigt sich das: Während die Neuzulassungen von rein elektrischen Fahrzeugen im Mai 2024 gegenüber Jahresfrist spürbar gesunken ist, haben sich Benziner und Diesel halten können oder legten gar zu.
Preispolitik – und eine Portion Nostalgie
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum einen tragen die hohen Preise von E-Autos in Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit und Inflation sicher nicht zu einem erhöhten Absatz bei. Eine neue Studie bestätigt das: Für die Schweizer Bevölkerung sei der Preis bei der Wahl eines Verkehrsmittels entscheidender als die Nachhaltigkeit, zeigt eine repräsentative Studie der Universitäten Luzern und St. Gallen zum Mobilitätsverhalten in der Schweiz. Das Wegfallen von Umweltprämien in einigen Ländern fällt in die gleiche Kategorie. Der Ruf nach erschwinglichen E-Auto-Modellen auch für Menschen, die sich keinen Tesla leisten können, wird denn auch immer lauter – und von Experten als Voraussetzung dafür angesehen, dass sich die E-Mobilität im grossen Rahmen durchsetzt.
Doch es sind nicht nur monetäre Gründe, die Verbrenner-Autos Rückenwind bescheren. Wie jeder technische Mega-Trend löste auch die Elektrifizierung eine nostalgische Gegenbewegung aus. Ähnlich wie Vinyl-Platten bei Musikfans sorgen Verbrennermotoren deshalb bei vielen Autoliebhaberinnen und Autoliebhabern für gute Gefühle. Zudem ist das konsequente Vorgehen von Konzernen wie VW in Sachen E-Transformation für den einen oder anderen wohl etwas zu viel des Guten. E-Mobilität wird von einigen als Bevormundung erlebt; wer seiner Kundschaft wie BMW oder Toyota hingegen weiterhin die ganze Palette anbietet, stösst auf Gegenliebe.
Tatsächlich entdeckt selbst Deutschland derzeit seine Liebe zum Verbrennungsmotor wieder. Mercedes wollte der Premium-Primus im E-Segment werden werden, motzt jetzt aber erst mal seine Benziner und Diesel auf. Bei Volkswagen kündigte Konzernchef Oliver Blume eine neue Strategie an, die womöglich eine Abkehr vom schnellen E-Kurs bedeutet. Und bei BMW lacht man sich ins Fäustchen, weil man diese Entwicklung kommen sah. Befeuert wird das alles von Politikern aus CDU, FDP und AfD, die das Verbrenner-Aus der EU 2035 rückgängig machen wollen.
Letztlich ist die Freiheit wohl tatsächlich nicht ausschliesslich elektrisch – sondern das, was die Kundschaft für sich und ihre Lebenssituation als passend empfindet.
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