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Verkehr •
Therapeutin über Parkverhalten und Charakter

«Wer so parkiert, ist ein Egoist» 

In Städten herrscht massiver Parkplatzmangeln. Umso ärgerlicher ist es, wenn Parkplätze von rücksichtslosen Autofahrenden blockiert werden. Laut der Zürcher Verkehrstherapeutin Silvie Hildering sagt die Art wie du parkierst viel über deinen Charakter aus.

Frau Hildering, als Verkehrstherapeutin erforschen sie Verhaltensmuster von Autofahrenden. Gilt hier die Aussage: Zeig mir, wie du parkierst und ich sag dir, wie du tickst?

Ja, diese Aussage hat tatsächlich was. Wie man sich im öffentlichen Raum verhält, hat immer etwas mit seiner persönlichen Einstellung zu tun. Im Grunde geht es um die Frage: Wie definiere ich den öffentlichen Raum und wie viel Platz davon steht mir zu. Und bin ich in der Lage zu berücksichtigen, dass ich niemanden einschränke? Wer andere behindert oder zuparkt, ist im Bereich des Egozentrismus – also ein Egoist. 

Und das Auto verstärkt diese Charaktereigenschaften?

Der Verkehr hat bei vielen Lenkerinnen und Lenkern eine Art Ventilfunktion. Bei der Arbeit reisst man sich zusammen, ist mit allen nett und freundlich. Steigt man aber erst ins Auto, sinkt die Belastungsgrenze. Man ist schneller genervt und zeigt auch schon mal den Mittelfinger. Diese Ventilfunktion äussert sich auch bei engen Parkplätzen: So kann es passieren, dass man absichtlich quer parkiert, um anderen Verkehrsteilnehmenden eins reinzuwürgen. Was in diesem Moment oft völlig fehlt: Es wird nicht darüber reflektiert, wo der eigene Fehler liegen könnte.

Situationen also, die schnell eskalieren können. Kennen Sie solche Fälle?

Provokation ist auf der Strasse generell ein grosses Thema. Das zeigt auch der Fall eines 60-jährigen Geschäftsführer, der an einem meiner Kurse teilgenommen hat. Er war an einem Sonntag mit seinem neuen Cabrio auf einer Spritztour. Plötzlich fuhr ihm ein Luxuswagen hinten auf. Der Geschäftsführer fühlte sich in seinem persönlichen Raum bedroht und fuhr schneller. Der andere Lenker, ein Jus-Student, tat es ihm gleich und fuhr noch näher auf. Das hat sich dann aufgeschaukelt, bis sie sich ein Rennen lieferten. Zuletzt landeten sie auf einem Dorfplatz, wo sie sich prügelten. Zu solchen Eskalationen kommt es immer wieder – auch bei Parkplatzstreitigkeiten.

Wie sollte man sich verhalten, damit das nicht passiert? 

Grundsätzlich sollte man immer freundlich bleiben. Man darf nicht automatisch davon ausgehen, dass die Person aus Egoismus gehandelt hat, vielleicht war es auch einfach Unachtsamkeit oder Unvermögen. Will man den Parkplatz nebenan benutzen, kann man die Person nett darauf ansprechen. Ist die Antwort gereizt, ist es besser einen anderen Platz zu suchen. Man geht damit der Situation zwar aus dem Weg, erreicht so aber das Ziel der Deeskalation.

Was aber, wenn es sich beim Parkplatz um den eigenen handelt? Was kann ich dann tun?

Es gibt keine einfache Lösung. Was man aber sagen kann: Sich darüber aufzuregen, ist ein Energieverlust. Erst recht, wenn man die Person ausfindig machen muss, um ihr die Meinung zu sagen. Das Beste und Gesündeste ist es, sich damit abfinden, dass es rücksichtslose Verkehrsteilnehmende gibt. Ein Ansatz ist: Man lässt sich nicht irritieren und macht es besser, indem man immer höfflich bleibt. 

Das ist manchmal einfacher gesagt als getan.

Da haben sie schon recht (lacht). Es ist mir auch schon passiert, dass ich über den Beifahrersitz aus dem Auto aussteigen musste, was sehr ärgerlich ist. Dennoch: Nicht zu viel Energie darauf vergeuden. Es ist eng auf den Strassen und es gibt nun mal viele Idioten.

Aggression und Egoismus sind aber nicht die einzigen Verhaltensmuster beim Parkieren. 

Das stimmt. Perfektionismus ist noch ein Aspekt. Damit ist eine Person gemeint, die mehrere Anläufe nimmt, um so das Auto richtig ins Parkfeld zu bringen. Was wartende Personen natürlich auch provozieren könnte. 

Dieses Verhaltensmuster beobachtet man eher bei älteren Fahrzeuglenkenden. Es entsteht aus der Angst heraus, dass das Auto bei zu engem Parkieren durch die Autotüren zerkratzt werden könnte. Und das ist eine Angst, die ja nicht ganz unbegründet ist. Denn grundsätzlich gilt: Je sicherer sich Autofahrende durch Anonymität fühlen, desto rücksichtsloser parkieren sie.

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