Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Fakten •
Weiterfahrt erlaubt?

Ausnahme von der Regel: Wenn Rot auf einmal grün ist

Rot heisst Stopp! Aber was, wenn jemand schnell ins Spital muss, von hinten ein Einsatzfahrzeug naht oder die Bahnschranke längst wieder oben ist? STREETLIFE erläutert Ausnahmen, in denen Rot nicht immer rot ist. Und erläutert, ob man wirklich erst ab einer Sekunde Rot den Ausweis verliert.

Eigentlich scheint die Antwort klar: Ein Rotlicht darf man nie überfahren – Punkt! Aber es ist alles relativ. Ja, sogar das Rotlicht: Wir nennen von einfach bis komplex fünf Ausnahmen, bei denen Rot manchmal grün ist. Und erklären in der Box, wie es eigentlich bei einem Rotlichtverstoss um Strafe und Ausweisentzug steht.

1. Polizei regelt den Verkehr

Wird der Verkehr von Hand durch die Polizei geregelt, gilt Handzeichen vor Lichtsignal. Man darf also auf Anweisung bussenfrei über Rot. Dasselbe gilt bei Feuerwehrangehörigen oder befugten Verkehrsdiensten.

2. Bei Rot nach rechts abbiegen
Das ist leider nur mit dem Velo und gleichgestellten Fahrzeugen wie E-Bikes möglich. Die Regel gilt nach Feldversuchen in Städten seit 2021 an gekennzeichneten Lichtsignalen. Vorsicht: Einerseits muss da die Zusatztafel sein, sonst darf man nicht. Andererseits ist das Velo auf dem Signal nicht grundlos gelb statt grün: Querverkehr oder um die Ecke querende Fussgänger haben dann oft Grün und somit den Vortritt.

Und mit dem Auto? Rot heisst ausser bei einem separaten grün leuchtenden Rechtsabbiegepfeil rot. Schade, denn viele Schweizerinnen und Schweizer kennen dies von USA- oder Deutschland-Ferien: In den USA ist es generell erlaubt, sofern keine Tafel es explizit verbietet (wurde während der Ölkrise der 1970er-Jahre zum Spritsparen lanciert). Deutschland erlaubt es, wo ein Zusatzschild mit Grünpfeil am Lichtsignal hängt.

3. Am Bahnübergang losfahren
Die Bahnschranke geht hoch, das Rotlicht blinkt noch – was jetzt? Diese Situation war rechtlich lange eine Grauzone: Prinzipiell ein Rotlichtverstoss mit Busse, nur wurde es einfach meistens toleriert. Heute hat sich die Frage aber erledigt: An quasi sämtlichen Übergängen erlischt das Rotlicht jetzt während des Hebens der Schranke. Wo nicht, sollte man sicherheitshalber warten, bis das Rotlicht aus ist, wenn man mit Sicherheit keine Busse will. Übrigens: Beim Schrankenschliessen heissen Rotlicht oder Schranke jeweils beide Stopp!

4. Für Blaulicht übers Rotlicht – mit Vorsicht
Wir stehen am Rotlicht, von hinten kommen Blaulicht und Tatütata. Die dürfen über Rot fahren. Aber wir? Viele Autofahrende bleiben wie angewurzelt stehen und behindern die Retter. Dabei ist der Fall klar: Aus der Pflicht zum Platzschaffen ergibt sich, dass man im Ausnahmefall die Haltelinie überschleichen darf, damit Einsatzfahrzeuge Platz haben – auch wenn es (anders als Ausweichen aufs Trottoir) nicht im Gesetz steht.

Woher kommt die Angst, trotzdem gebüsst zu werden? Daher, dass manche Richter den Rettern einen Bärendienst leisten, indem sie trotzdem mal eine Busse verteilen. (z.B. 2015 in Zürich). Warum? Weil man die Fahrt über die Haltelinie am Rotlicht nur nutzen darf, um vor (!) der Kreuzung ganz vorsichtig zur Seite auszuweichen, wenn es wirklich zwingend nötig ist – und ja nicht, um die eigene Fahrt fortzusetzen (wie es dort geschah).

Also Platz schaffen, aber bedenken, dass es kein Freibrief ist: Augenmass ist gefragt. Falls eine Busse kommt? Einsprache! Jede Einsatzfahrt ist protokolliert, nur das Blaulichtauto auf den Fotos oft noch nicht zu sehen.

5. Notfallpatient transportieren
Der komplizierteste Fall: Auf dem Weg zum Spital stöhnt auf dem Beifahrersitz eine Schwangere unter den Wehen. Darf man dann wie Retter mit Blaulicht über Rot? Jein. Nur sehr selten gewähren die Gerichte, was Juristen rechtfertigenden (strafbefreienden) oder entschuldbaren (strafmindernden) Notstand nennen: Der Rotlichtverstoss muss weniger schwer gewogen haben als die Gefahr für Leib und Leben, es darf sich keine bessere Massnahme angeboten haben und die Verhältnismässigkeit muss gewahrt sein.

Das heisst: Wer des gebrochenen Zehs wegen über Rot fährt, wird trotzdem gebüsst; bei der heftigen unstillbaren Blutung wird die Busse mit Glück gemildert oder aufgehoben – allerdings erst im Strafverfahren vor Gericht und nicht mit Garantie. Und Geburtswehen? Es kommt auf den Einzelfall an, aber mangels akuter Lebensgefahr eher nein.

In der Praxis heisst das: Vor Ort Erste Hilfe leisten und über die 144 (oder 112 europaweit) den Rettungsdienst alarmieren, (in 90 Prozent der Fälle in unter 15 Minuten vor Ort). Nur im absoluten Ausnahmefall wird der Notstand vor Gericht eine gefährliche Fahrt mit Regelbrüchen rechtfertigen.

Beispiel: Freigesprochen wurde ein Zürcher, der seine Frau aufgrund stärkster Kopfschmerzen ins Spital raste – nachdem das Spital ihm aber am Telefon empfohlen hatte, die Frau sofort zu bringen. Im Urteil hielt das Bundesgericht auch fest: Jeder Fall ist anders, und tendenziell wird so ein Notstand sehr selten zugebilligt. Keine Gnade kennen Gerichte, wenn nicht mal ein echter Notfall vorliegt: Ein Fahrer, der am Stau vorbei zur Toilette sauste, wurde gebüsst.

Ein Rotlichtverstoss ist schnell teurer, als man denkt

Gerne wird angenommen, ein Rotlichtverstoss koste immer die 250 Franken aus der Ordnungsbussenliste und ein Fahrverbot drohe erst ab einer bestimmten Dauer nach Rot. Beides ist falsch! Die 250 Franken ohne Fahrverbot stimmen nur für leichte Standardfälle, also das typische Noch-schnell-Durch bei «Spätgelb» am Rotlichtblitzer. Aber kommen weitere Umstände dazu, folgt ein Strafverfahren. Dies zwar eher, je mehr Zeit seit Rot vergangen ist. Doch entscheidend ist der Faktor Gefährdung. Dazu brauchts keinen Beinahe-Crash: Es reicht sogenannte abstrakte Gefährdung, also was theoretisch hätte passieren können.

Ausweisentzug bis drei Monate möglich

Bei Gefährdung gibt es Strafverfahren mit Strafe und Entzug nach Einzelfall. Der Kanton Zürich zum Beispiel sieht dann minimal zehn Tagessätze vor (macht z.B. bei 5000 Franken Monats-Nettolohn etwa 1200 Franken) – noch ohne Gebühren wohlgemerkt! Urteile stellen klar: Meist ist ein Rotlichtverstoss im Strafverfahren ein schwerer Verstoss. Also oft drei Monate Fahrverbot, mit Glück nur ein Monat, nur selten gibt es gar keins.

Übrigens ist egal, ob es die grosse Kreuzung in der City oder die kleine Baustelle auf der nächtlich leeren Landstrasse war: Rot ist rot, die Gefahr und Strafe hoch. Kommt man mit 250 Franken Ordnungsbusse davon, lohnt Einsprache meist nicht: Rotlichtkameras gelten als unbestechliche Zeugen, und nach Widerspruch folgt ein Strafverfahren – in dem sich die Strafe bei genauerer Prüfung des Falls auch noch erhöhen kann.

Werbung

  • Kommentare sind nicht mehr erlaubt!