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Was Trump für Schweizer Zulieferer heisst
Erst die Europäische Union gegen China-Elektroautos, jetzt Donald Trump gegen Importe aus Europa oder Mexiko: Strafzölle sind en vogue. STREETLIFE erklärt, wieso Strafzölle mehr schaden als nutzen, ob sie Schweizer Zulieferer träfen und warum es jetzt erst mal abzuwarten gilt, was wirklich passiert.
Alle sprechen von Strafzöllen. Gerade hat die EU welche auf importierte Elektroautos aus China eingeführt. BYD zum Beispiel zahlt 17 Prozent, Geely (wo zum Beispiel der Smart #1 oder der Volvo EX30 herkommen) 19 Prozent, SAIC (zum Beispiel MG4) sogar 35 Prozent. Die Tarife beziehen sich darauf, wie stark China seine Automarken subventioniert. Und treffen Autos, an die man gar nicht denkt, etwa BMW iX3 oder Dacia Spring.
Und nun kommen die Amerikaner oder vielmehr Donald Trump: Im Wahlkampf hat Trump bereits mal von 20 Prozent auf Importautos aus Europa, mal von 200 Prozent auf Autos aus Mexiko gesprochen und natürlich auch Chinesen im Visier. Nun hat Trump die US-Wahlen gewonnen. Alle warten, was ab Amtsantritt am 20. Januar 2025 passiert. STREETLIFE blickt darauf, was Strafzölle bewirken und wie sie sich auswirken würden.
1. Sind Strafzölle eine gute Idee?
Nein, da sind sich Ökonomen einig. Die Idee tönt gut: Begrenzt man Importe, wächst die eigene Wirtschaft. Nur: So einfach ist es nicht. Handel fördert den Wettbewerb, senkt Preise, stärkt den Konsum und fördert den Wohlstand. Strafzölle verteuern Produkte: Absatz und Kauflaune sinken. Zudem stärken sie oft die Währung (was Exporte verteuert) und Inflation. Strafzölle sind ein Bumerang: Geschützte Branchen profitieren kurz, was gerne genutzt wird, um auf Dumpingpreise anderer zu reagieren. Doch die Gesamtwirtschaft leidet, und die geschützte Branche ändert nichts am Grundproblem, nicht konkurrenzfähig zu sein. Und: Die Gegenseite reagiert, es drohen Handelskriege. Nicht umsonst sind deutsche Autohersteller gegen den China-Strafzoll.
Wie schädlich Strafzölle sind, demonstriert die «Chicken Tax» der USA. Gerade Trump poltert gerne, Europa behandle US-Autobauer unfair. Doch die USA als grösster Pickup-Markt der Welt schotten sich seit 1964 mit 25 Prozent Zoll gegen Import-Pickups ab. Entstanden war diese «Chicken Tax» aus einem Handelskrieg um Pouletfleisch und wurde dann auf Pickups ausgedehnt, damit die US-Farmer keine VW-Bullis kaufen.
Seither bestellen Detroits «Big Three» – Ford, General Motors und Stellantis (ehemals Chrysler) – den Pickup-Markt der USA fast allein. Dadurch wuchsen Pickups ungehemmt, wodurch sie Aussenseiter wurden: Global führt Japan den Pickup-Markt an. Die US-Autobauer ruhten sich auf fetten Margen aus, verschliefen Trends und gingen daran fast kaputt. Und US-Käufer stöhnen mangels Wettbewerbs unter hohen Pickup-Preisen.
2. Was heissen US-Strafzölle für Europa?
Europas Autohersteller leben davon, ihre Autos in aller Welt zu bauen und in alle Welt zu verschiffen. Manche träfe ein Strafzoll weniger. BMW-Boss Oliver Zipse sagt, man solle «nicht zu nervös» werden. Kein Wunder: BMW baut zwei Drittel der in den USA verkauften Modelle dort. Schlimmer wären Gegenzölle: Die Hälfte der in den USA gebauten BMWs wird exportiert. Anders VW: Hier stammt die Hälfte der in den USA verkauften Autos aus Mexiko. Schätzungen sagen bei US-Strafzöllen 33 Milliarden Euro Schaden für die Europäer voraus.
3. Wie stark träfen US-Strafzölle die Schweiz?
Die Schweiz treffen auf den ersten Blick weder der EU-Strafzoll noch Zölle der USA. Doch die Schweiz ist nicht nur ein Land der Autoimporteure. Sie ist auch ein Land einer exportorientierten Autozulieferindustrie, die mit 600 Firmen und 32'000 Mitarbeitenden 13 Milliarden Franken Umsatz macht: so viel wie der ganze Schweizer Online-Versandhandel oder die halbe Uhrenindustrie. Wir fragen Anja Schulze, Professorin für Mobilität und digitales Innovationsmanagement an der Uni Zürich sowie Direktorin von Swiss CAR, die mit ihrer alle fünf Jahre erscheinenden Studie über die Schweizer Automobilindustrie als beste Kennerin der Branche gilt.
«Die Zölle sind nicht das Hauptproblem der europäischen Autoindustrie. Es ist eher so, dass sie zu bereits bestehenden Problemen wie dem schwächeren Absatz in China hinzukommen», sagt Schulze. Anders und am Beispiel gesagt: Für eine Marke wie VW, zweitbester Kunde der Schweizer Zulieferer, sind Strafzölle am Ende weniger das Problem als die grundsätzliche VW-Krise. «Es gibt derart viele Faktoren, dass man sich vor Pauschalurteilen hüten und abwarten muss, wie sich die EU-Strafzölle auswirken und ob und wie die USA Strafzölle erheben.» Zudem seien die wichtigsten Kunden Zentral- und Osteuropa. Dahinter folgten aber China und die USA. «Es kommt auch darauf an, wo die Unternehmen Auslandsstandorte unterhalten und in welchen anderen Branchen sie tätig sind.» Schulze resümiert: «Für den Welthandel sind Strafzölle generell nachteilig und für unsere Zulieferer auch. Aber man sollte die Situation nicht schwärzer malen, als sie ist.»
4. Wie sehr profitieren die US-Hersteller?
Ökonomen bezweifeln, dass US-Autobauer von Trumps geplanten Strafzöllen profitieren. Am Ende könnten es ironischerweise die US-Autobauer sein, die Trump zum Beispiel von Strafzöllen auf in Mexiko gebaute Autos abbringen. Denn vor allem General Motors und die US-Marken von Stellantis bauen in Mexiko viele Autos. Bei Trumps letzter Präsidentschaft blieb es, anders als angekündigt, weitgehend bei Drohungen.
Etwa die Hälfte der in den USA verkauften Autos werden in den USA hergestellt. Auf den ersten Blick könnten Importzölle auf EU-Autos den Anteil erhöhen und heimischen Autobauern den Rücken stärken. Doch bereits warnen Wirtschaftsexperten: Strafzölle verteuern Produkte generell – auch einheimische, schon der weltweit vernetzten Zulieferindustrie wegen. Der Absatz sänke, koste Hersteller und Zulieferer die Profite. Manche Experten warnen sogar: Ironischerweise könne die chinesische Autoindustrie dadurch noch stärker werden.
5. Was bedeutet Trump für die E-Mobilität?
Es ist ein ewiges Hin und Her: Donald Trump hatte angekündigt, die staatliche Förderung für Elektroautos einzubremsen. Dann kam Tesla-Boss Elon Musk als Trump-Unterstützer, woraufhin Trump zurückruderte. Nun warten alle gespannt, wie sich Musks Nähe zu Trump auf Trumps Kurs gegenüber Elektroautos auswirkt: Unter Joe Biden hatte Tesla massiv profitiert, auch von Bidens hundertprozentigem Strafzoll auf chinesische Elektroautos. Jenen dürfte Trump sicher beibehalten. Der Rest jedoch steht derzeit noch in den Sternen.
Die ersten Reaktionen aus Detroit: Bitte nicht schon wieder den Kurs ändern. Unter Barack Obama waren E-Autos gefördert worden. Trump nahm vieles zurück. Joe Biden führte es wieder ein, nun will Trump wieder zurück. Für die US-Hersteller ist der Zickzackkurs ein Dilemma: Sie würden mehr profitablere Verbrenner verkaufen, aber ihre langfristigen EV-Programme gefährden. Detroit will Stabilität – wie sie China bietet.
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