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Warum Neulenkende immer älter werden
Junge Leute lassen sich immer mehr Zeit damit, den Führerausweis zu machen. Eine Soziologin begründet den Wandel unter anderem damit, dass Autos in Städten spürbar unerwünschter werden.
Mit 18 Jahren den Führerausweis machen und dann mit dem Auto der Eltern oder der ersten eigenen Occasion die Strassen unsicher machen. Was früher ein grosser Schritt für die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit darstellte, scheint heute an Bedeutung verloren zu haben. Daraufhin deutet zumindest die Führerausweisstatistik des Bundesamtes für Strassen ASTRA hin: Noch nie war die Anzahl an Neulenkenden der Altersgruppe 18 bis 24 so tief wie im Jahr 2022, verglichen mit den vier Jahren zuvor.
Neues Gesetz sorgt wohl für Lücke
Gemäss der Vereinigung für Strassenverkehrsämter asa spielen hier unter anderem die Gesetzesrevisionen eine grössere Rolle: «Viele Neulenkende haben versucht, den Führerausweis noch nach altem Recht zu erwerben», sagt Mediensprecherin Monica Di Mattia. Denn seit 2021 gilt für unter 20-Jährige eine Mindestausbildungsdauer von 12 Monaten. Erst nachher kann die praktische Prüfung abgelegt werden.
Unabhängig davon stellen aber auch die Strassenverkehrsämter fest, dass die Schweizerinnen und Schweizer den Führerausweis später machen. «Trotz der Möglichkeit des Fahrens ab 17 steigt das Durchschnittsalter der Prüfungskandidatinnen und -kandidaten tendenziell», sagt Di Mattia, auch wenn keine konkreten Kennzahlen vorliegen würden. Die Altersstufe zwischen 18 und 24 Jahren stellt jedoch nach wie vor die grösste Gruppe der Neulenkenden dar.
«Autofahren ist kein Statussymbol mehr»
Doch es gibt auch gesellschaftliche Gründe, wieso das Auto-Billet bei den Jungen nicht mehr so gefragt ist. Die Soziologin und Professorin Marlis Buchmann von der Universität Zürich erklärt auf Anfrage von STREETLIFE: «Früher galt Autofahren als Ausdruck des Erwachsenwerdens und als Statussymbol. In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Automobils im Leben der jungen Leute aber deutlich abgenommen». Der Wunsch oder auch der Druck, möglichst rasch die Fahrprüfung zu machen, sei heute weniger vorhanden. Als Ursachen sieht sie einerseits ökologische Herausforderungen wie den Klimawandel. Es sei jedoch auch spürbar, dass Autos gerade in den Städten weniger erwünscht seien. «Die jungen Leute nutzen lieber den ÖV oder fahren auch mal bei anderen mit, wenn es nicht anders geht», so Buchmann.
Mehr Autos, aber nicht in der Stadt
Auch der Bericht über die Autoflotte im Kanton Zürich bestätigt diese Entwicklung. So ist der Personenwagenbestand in den letzten Jahren zwar kontinuierlich gewachsen. Jedoch öffnet sich die Schere zwischen Stadt und Land immer weiter: «Während der Motorisierungsgrad im ländlichen Raum tendenziell zulegt, nimmt er in städtischen Gebieten ab», heisst es im Bericht.
Inwiefern Autoscham und Gängelpolitik in Städten für diese Entwicklung eine Rolle spielen, hat STREETLIFE-Chefredaktorin Silvana Guanziroli in ihrer Kolumne beleuchtet.

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