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Von der Pannen-Brücke zum Export-Schlager
Seit vier Monaten steht die Baustellen-Brücke ASTRA Bridge auf der Autobahn A1. Beim ersten Versuch vor zwei Jahren stand das Projekt des Bundesamtes für Strassen unter Beschuss, jetzt hat es sich zum Hit gemausert. Norwegen wollte sie schon mieten. STREETLIFE machte sich vor Ort ein Bild und zieht Bilanz.
Die Autobahn A1 bei Kriegstetten SO ist einer der meistbefahrenen Autobahnabschnitte der Schweiz. Den Belag zu erneuern, stellt den Bund vor gewaltige Herausforderungen, denn die Blechlawine soll trotzdem von Bern nach Zürich rollen können. Im besten Fall lassen sich Fahrspuren um die Baustelle führen, im schlimmsten Fall muss eine Spur abgebaut werden, womit ein Stau vorprogrammiert ist.
So oder so ist der Verkehr normalerweise auch in die Gegenrichtung betroffen und so oder so müssen die Bauarbeiter nur wenig Meter neben der rollenden Blechlawine arbeiten. Beides soll die sogenannte ASTRA Bridge verhindern. Es handelt sich um ein 25 Millionen Franken teures Prestige-Projekt des Bundesamtes für Strassen (ASTRA). Diese Brücke führt bei Bauarbeiten auf der Autobahn den Verkehr nicht um die Baustelle herum, sondern darüber hinweg.
Sicher arbeiten
Für die Bauarbeiten macht die ASTRA Bridge genau das, was sie soll. Die Bauarbeiter können geschützt vom Verkehr arbeiten. «Das ist unser Bereich, hier sind nur wir», erzählt Vorarbeiter Enes Omercevic von der Baufirma Tozzo AG. «Dadurch ist das Arbeiten viel sicherer.» Das ist nicht der einzige Vorteil für ihn und seine 13 Kollegen, die seit April unter der ASTRA Bridge im Einsatz stehen. «Bei Strassenbaustellen müssen wir oft auch nachts oder am Wochenende arbeiten. Hier hatten wir keine einzige Nachtschicht. Wir hatten normale Arbeitszeiten von Montag bis Freitag.» Darüber würde sich auch die Familie zuhause freuen.
Für Omercevic genauso wichtig: Die Baustelle ist vom Wetter geschützt. Bei den hohen Temperaturen der letzten Wochen spendete die ASTRA Bridge Schatten. «Unter der Brücke war es bis zu zehn Grad kühler, weil wir keine direkte Sonneneinstrahlung hatten», sagt Omercevic. Und bei Regen diente die Brücke als Regenschutz. Die Folge: Die Bauarbeiten mussten wegen des Wetters für gerade mal elf Tage unterbrochen werden. Das ist gemäss der Tozzo AG sehr wenig.
Missglückter erster Anlauf
Die Bauarbeiter waren schon beim ersten Versuch mit der ASTRA Bridge zufrieden. Anders war es bei den Verkehrsteilnehmenden. Lastwagen bremsten vor der Brücke abrupt ab und fuhren nur noch im Schneckentempo die Rampe hinauf, weil diese für beladene 40-Tönner zu steil war. Die Folge: ein langer Rückstau und ein Verkehrschaos in den umliegenden Gemeinden – genau das hätte die ASTRA Bridge eigentlich verhindern sollen. Der Versuch wurde abgebrochen und die Brücke demontiert. Das eigentliche Prestige-Projekt verkam zur Pannen-Brücke und aus der Politik kamen Forderungen, das Projekt einzustampfen.
Doch das ASTRA überarbeitete die Baustellen-Brücke. Die Rampen sind jetzt länger und flacher, damit LKW problemlos mit 60 km/h darüberfahren können. Der zweite Versuch startete im April zwischen Recherswil und Derendingen in Fahrtrichtung Zürich. Ende August wird die Sanierung abgeschlossen – alles unterhalb der ASTRA Bridge.
Vier Unfälle
Das Fazit nach knapp vier Monaten fällt positiv aus. «Die ASTRA Bridge hat sich bewährt», sagt Richard Kocherhans, Leiter der ASTRA-Filiale Zofingen. Während der Bauzeit fuhren 4,5 Millionen Fahrzeuge – davon 500'000 Lastwagen – über die Brücke.
Es kam zu zwei Unfällen auf der Konstruktion und zwei Unfällen kurz davor. Zudem hatte ein Auto eine Panne. Die Vorfälle sind laut Kantonspolizei Solothurn aber nicht auf die ASTRA Bridge zurückzuführen. Der Dienstchef Verkehr, Boris Boss, sagte: «Dazu wäre es wahrscheinlich auch ohne die Brücke gekommen.» Aus Sicht der Polizei habe die ASTRA Bridge funktioniert: «Der Verkehr verlief reibungslos. Die Staus auf diesem Abschnitt waren nicht auf die Brücke, sondern die generelle Verkehrsüberlastung zurückzuführen.»
Kommunikations-Probleme
Ganz ohne Pannen verlief aber auch diese Bauphase nicht. Zweimal kam es beim Verschieben der Brücke zu technischen Störungen, weshalb der Vekehr umgeleitet werden musste. Der Grund lag bei den Steckverbindungen, über welche die Elemente vernetzt werden, weiss Thomas Leuzinger, Betriebsleiter der NSNW AG, die für den Betrieb der ASTRA Bridge zuständig ist. «Die Brücke besteht quasi aus 22 Lastwagen mit 18 Portalen, den Rampen und Zusatzwagen. Diese müssen alle als Einheit agieren.»
Deshalb sei die Kommunikation zwischen den Elementen eine der grössten Herausforderungen. Diese wurde wegen der Lieferengpässe während Corona nicht optimal gelöst. «Wir haben die Brücke während der Pandemie gebaut. Wegen der Lieferprobleme mussten wir auf alternative Steckverbindungen zurückgreifen. Wie sich herausstellt, erfüllen diese unsere Anforderungen nicht. Wir werden sie bei der nun folgenden Revision ersetzen», kündigt Leuzinger an.
Mietanfrage und Besuche aus dem Ausland
Ende August wird die ASTRA Bridge abgebaut. Die nächste grosse Herausforderung für das Projektteam. Danach wird sie einer gründlichen Revision unterzogen. Ein erster Augenschein zeigt aber, dass gerade die Trägerelemente und der Strassenbelag auch fast fünf Millionen Fahrzeugen immer noch in gutem Zustand ist. Im nächsten Jahr folgt ein Teileinsatz auf der A13 bei Sargans, bevor 2026 der nächste Kompletteinsatz ansteht. Wo, ist noch offen.
Aber schon riesig ist das Interesse aus dem Ausland. Die Behörden von knapp zwanzig Ländern haben sich beim ASTRA schon nach der Brücke erkundigt. «Norwegen wollte sie sogar mieten», sagt ASTRA-Direktor Jürg Röthlisberger. «Da der Transport aber etwas umständlich wäre, empfahlen wir, selbst eine zu bauen, vorzugsweise mit unseren Schweizer Partnern.» In Kürze nimmt zudem eine zwölfköpfige Delegation aus Indonesien die ASTRA Bridge in Augenschein. Vielleicht wird aus der Pannen-Brücke also bald ein Export-Schlager.
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