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Motorsport •
Emil Frey Racing

Vom Lehrlingsprojekt zum Profi-Rennsport

Neues Auto, neue Meisterschaft, bekannte Herausforderung: Sie wollen die Schnellsten sein. Das Schweizer Rennteam Emil Frey Racing geht 2023 in die neunte Saison. STREETLIFE durfte zum Saisonstart einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Es ist ein grauer, regnerischer April-Tag. Die unscheinbare Industriehalle in Safenwil AG sieht wenig einladend aus und nur wenig wärmend. Kaum trete ich aber neben dem grossen Tor durch die Tür, muss ich die Augen zusammenkneifen, weil es mich blendet. Grelles Licht scheint von der Decke und wird von den weissen Wänden und Böden reflektiert.

Ich stehe in der fast schon klinisch sterilen Werkshalle des Schweizer Motorsportteams Emil Frey Racing. Langsam gewöhnen sich meine Augen an das grelle Licht und direkt vor mir sind zwei sauber aufgeräumte Arbeitsplätze um zwei Metallkonstruktionen zu finden. Dass es sich dabei um Rennautos handeln soll, ist kaum zu erkennen: Räder, Bremsen, Stossstangen, Kotflügel, Hauben und sogar die Türen fehlen. 

 

Die zwei Ferrari 296 GT3 sind soeben von zwei intensiven Testtagen in Valencia zurückgekehrt und die Rennmechaniker unter der Leitung von Team-Manager Dominic Etter haben sie in ihre Einzelteile zerlegt. Eine grosse Überprüfung steht an. «Jetzt kommt die wichtigste Zeit», erklärt Etter. «Wir analysieren alle Daten, um herauszufinden, wie wir die Autos schneller machen können.» Emil Frey Racing fährt 2023 bereits die neunte Saison. Trotzdem ist die Saisonvorbereitung dieses Jahr hektischer und hat nicht viel von Routine.

Der Teamchef ist selber am Steuer gesessen

Die Hektik ging bereits im Januar los: In der Hälfte der Winterpause entscheidet das Team, den Hersteller und damit das Fahrzeug zu wechseln. Der Lamborghini Huracán GT3 wurde nach vier erfolgreichen Jahren durch den Ferrari 296 GT3 ersetzt. Teamchef Lorenz Frey-Hilti erklärt den Wechsel. «Wir sind von der Technik des Ferrari begeistert. Zudem können wir wieder eine Marke fahren, welche das Unternehmen meiner Familie vertritt.» Denn die Emil Frey Gruppe hat im Oktober 2022 die Vertretung der italienischen Traditionsmarke in München übernommen. «Wir freuen uns, Ferrari nicht nur als Händler, sondern auch auf den europäischen Rennstrecken repräsentieren zu dürfen. Es war schon immer unser Ziel, mit dem Rennsport unsere Fachkompetenz sowie die Qualitäten unserer Marken herauszustreichen.»

Lorenz-Frey Hilti ist der starke Mann hinter Emil Frey Racing. Als Sohn von Walter Frey wird ihm der Motorsport in die Wiege gelegt. Er wächst quasi im Familienbetrieb, der Emil Frey Gruppe, auf und hat schon in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Lorenz Frey-Hilti hat sich in der Werkstatt die Finger schmutzig gemacht, im Showroom Autos angepriesen oder im Marketing-Team Werbekampagnen mitentwickelt. Nebenbei fand er immer Zeit für seine Leidenschaft, den Motorsport. Voller Elan startet das Team unter seiner Leitung in die Saison 2023. Er war es auch, der 2011 die Rennsportabteilung des Familienbetriebs wiederbelebt hatte. Sie war geschlossen worden, nachdem Walter Frey vor 50 Jahren den Helm an den Nagel gehängt hatte. Lorenz Frey-Hilti ist nun die dritte Generation, die sich im Rennsport die Sporen abverdient. 

Die Rennsport-Historie der Familie Frey

1926-1935

Grossvater Emil Frey fährt Motorradrennen. Er gewinnt unter anderem den Grossen Preis von Europa in Genf sowie das legendäre Klausenrennen.

1950er Jahre

Grossvater Emil Frey nimmt an Rallyes sowie am Concours d’Elegance, Schönheitswettbewerben für Oldtimer, teil.

1965-1970er Jahre

Vater Walter Frey fährt Autorennen, unter anderem in den internationalen Serien Formel 2 und Formel 3.

2009

Lorenz Frey-Hilti startet seine Rennkarriere im Suzuki Grand Prix mit dem Swift Sport

2011

Lorenz Frey-Hilti reaktiviert das Rennteam Emil Frey Racing.

2012

Emil Frey Racing entwickelt in Eigenregie einen GT3 Rennwagen auf Basis des XKR und fährt Langstreckenrennen.

2019-2022

Emil Frey Racing steigt auf den Lamborghini Huracán GT3 um.

2023

Emil Frey Racing wechselt auf den Ferrari 296 GT3.

«Es war wie David gegen Goliath»

Das reaktivierte Rennteam Emil Frey Racing ging 2011 die Aufgabe an, einen GT3-Rennwagen in Eigenregie zu entwickeln. Online kaufte der Rennstall einen gebrauchten Jaguar XKR. Das Sport-Coupé diente als Basis für den Rennwagen. Lehrlinge bekamen die Aufgabe, den XKR bis aufs Chassis zu demontieren. Danach übernahm das Rennteam wieder und verwandelte den Gebrauchtwagen innert zwei Jahren in ein Siegerauto. 2014 startete Emil Frey Racing erstmals zu einer ganzen Saison im Blancpain GT Series Endurance Cup. Bei den Langstreckenrennen teilte sich Lorenz Frey-Hilti ein Cockpit mit zwei weiteren Fahrern. Zu Beginn galt es Lehrgeld zu bezahlen und die fehlende Unterstützung eines grossen Werkes machte es nicht einfacher. «Es war wie David gegen Goliath», erinnert sich Lorenz Frey-Hilti.

Doch die beachtlichen Leistungen des Jaguars sprachen für sich und so klopfte 2015 Lexus in Safenwil an, um mit den Schweizern ihren GT3-Renner auf Basis des RC F in Europa weiterzuentwickeln. Die harte Arbeit gipfelte 2018 mit dem Sieg beim 1000 Kilometer Rennen von Paul Ricard in Frankreich und das Team beendete die Saison auf dem dritten Gesamtrang. Der Jaguar sicherte sich zwei Rennsiege, fuhr dreimal aufs Podest und schloss seine letzte Saison mit dem Meistertitel im Silver Cup der Endurance Championship ab. Beide Rennwagen gingen danach in Rente und Emil Frey Racing stieg 2019 auf Lamborghini um und holte damit Werksunterstützung an Bord und gewann auf Anhieb die GT Open Meisterschaft.

Nun hat aber auch der Lamborghini ausgedient, der auch meisterlich abtritt. Letztes Jahr holte sich Emil Frey Racing im letzten Rennen den Teamtitel in der hart umkämpften Meisterschaft ADAC GT Masters. «Das bedeutet mir unheimlich viel», freut sich Lorenz Frey-Hilti. «In dieser engen und bis zum letzten Rennen offenen Meisterschaft den Titel zu holen und das noch in unserer ersten Saison, ist unglaublich. Das Team hat einen ausserordentlich guten Job gemacht!», lobt der Teamchef. Leider lässt sich der Titel nicht verteidigen. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club ADAC hat im Winter die DTM übernommen und verwandelte deshalb die GT Masters in eine Nachwuchsserie. Deshalb wechselt Emil Frey Racing in die DTM und startete das zweite Jahr in Folge in einer neuen Meisterschaft.

«Wir wollen in die Top Ten fahren»

Die gute Basis von Ferrari macht den Wechsel für Emil Frey Racing einfacher, obschon das Team keine Teile oder die Abstimmungen von früher übernehmen kann. «Selbst im Simulator mussten wir wieder von vorne beginnen», sagt Dominic Etter. «Vom Lamborghini hatten wir zuletzt eine extrem genaue Abbildung im Simulator und konnten uns auf neue Abstimmungen verlassen. Von Ferrari erhielten wir erst zwei Wochen vor Saisonstart das digitale Modell für den Simulator.» Aber Emil Frey Racing weiss dieses Handicap zu kompensieren und kann dabei auf seine Erfahrungen mit Jaguar und Lexus zurückgreifen. «Weil wir den XKR selbst konstruiert und RC F mitentwickelt haben, verfügen unsere Fachleute über ein besseres Verständnis von Rennwagen. Deshalb können wir den Ferrari schneller verstehen.»

Das wird nötig. Einen Ferrari zu fahren, das Logo von Red Bull auf dem Auto und die jüngsten Erfolge schüren die Erwartungen – vor allem von ausserhalb. Diese dämpft Teamchef Lorenz Frey-Hilti zu bewusst. «Unser Team muss mit dem komplett neuen Auto erst noch Erfahrungen sammeln.» Was nicht heissen soll, dass er keine ambitionierten Ziele hätte. «Die Tests sind gut gelaufen. Wir wollen in die Top Ten fahren und wenn möglich auch schon Rennen gewinnen. Dazu braucht es wie überall im Leben etwas Glück.» Und dieses Glück kann das eingespielte Rennteam auch erzwingen.

Der aktuelle Rennwagen

Als Basis für Ferraris neuen GT-Rennwagen dient der im vergangenen Jahr lancierte 296 GTB. Allerdings schafft es der 830 PS (610 kW) starke Hybridantrieb nicht in den Rennwagen. Wegen des Reglements verfügt der 296 GT3 über keinen Elektromotor und keine Batterie. Es bleibt beim 663 PS (488 kW) starken V6-Motor mit drei Litern Hubraum und doppelter Turboaufladung. Für die Rennversion gibt Ferrari die Leistung allerdings nur mit rund 600 PS (441 kW) und 710 Nm an. Im Rahmen der sogenannten «Balance of Performance» wird der Motor vom Reglement her weiter gedrosselt, damit die Autos der unterschiedlichen Hersteller mit ihren verschiedenen Motorenkonzepten etwa gleich schnell sind. Im Ferrari GT3 kommt weiter ein sequenzielles 6-Gang-Getriebe statt der 8-Stufen-Doppelkupplungsautomatik der Strassenversion zum Einsatz. Zudem ist der Motor im Rennauto weiter vorne und tiefer eingebaut, um den Schwerpunkt zu senken und die Steifigkeit zu erhöhen. Wegen des Reglements ist auch der Radstand etwas länger.

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