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«Viele scheinen es vergessen zu haben – aber Jaguar, das steht für Mut»
Dieser Mann hat zurzeit den wohl spannendsten Jobs in der Schweizer Autobranche: Damian Donnellan, Chef von Jaguar Land Rover Schweiz, spricht im STREETLIFE-Manager-Talk über die heiss diskutierte neue Jaguar-Kampagne, den vollelektrischen Range Rover, das Dauerbeben auf dem Automarkt – und warum er auf Technik steht, die nicht nervt.
Damian Donnellan, von Ihren Marken steht Jaguar derzeit eindeutig im Rampenlicht. Aber natürlich ist auch Land Rover eine echte Erfolgsgeschichte. Welcher Brand bereitet Ihnen im Moment mehr Freude?
(lacht) Okay, Sie fangen offenbar gleich mit den schwierigen Fragen an.
Keine Sorge, danach wirds einfacher.
Fair enough. Also, das ist wirklich eine schwierige Frage. Viele denken bei uns an «Jaguar Land Rover», aber wir selbst sehen das inzwischen als vier eigenständige Marken: Jaguar, Defender, Range Rover und Discovery. Wenn ich aber rein persönlich sagen müsste, was in mir am stärksten etwas auslöst… dann Jaguar. Mein Onkel hatte einen XJ6. Zwei Tanks. Er hat immer zwischen ihnen gewechselt – zumindest, wenn sie funktioniert haben. Dieses Auto war Magie. Was ich nie vergesse: Als wir mal im Stau neben einem Modell eines bekannten und erfolgreichen deutschen Herstellers standen, hat er nur kurz rübergeschaut und gemurmelt: «Manche Leute haben echt keinen Geschmack».
Klingt nach einer tiefen emotionalen Verbindung zum Brand.
Jaguar war für mich immer etwas Besonderes. Aber das gilt aber auch für Defender; jeder britische Junge hatte einen Spielzeug-Defender. Ich habe mehr als nur einen davon geschrottet – Schubkarren-Stunts, Teichlandungen, alles Mögliche. Emotional ist Jaguar für mich derzeit vielleicht die Nummer eins. Aber Land Rover war auch immer da. Also: Wenn Sie mir die Pistole auf die Brust halten – Jaguar. Aber Land Rover ist trotzdem grossartig.
Die neue Jaguar-Branding-Kampagne hat eine noch selten erlebte Reaktion – man könnte es auch Shitstorm nennen – ausgelöst. Wie haben Sie das intern erlebt?
Als Erstes – das war keine Kampagne. Das ist ein grosses Missverständnis. Es war lediglich eine Pressemitteilung. Wir haben keine Werbung geschaltet. Und trotzdem … diese Reaktion? Unglaublich.
Sie war enorm polarisierend.
Extrem. Ehrlich gesagt war wahrscheinlich die Mehrheit der Menschen schockiert. Manche waren verärgert. Aber es gab eine Kernzielgruppe – auch in der Schweiz –, die es sofort verstanden hat. Die fanden es grossartig. Und das Ergebnis spricht für sich: Wir hatten durch diese eine Pressemitteilung mehr Website-Impressionen als in den ganzen fünf Jahren zuvor zusammen. Das war der effizienteste Marketingeffort, den wir je gemacht haben – und wir haben nicht einmal Geld dafür ausgegeben. (lacht)
«Any Promotion is good promotion»?
In gewisser Weise. Interessant ist vor allem der Kontrast zwischen interner und externer Wahrnehmung. Von aussen hiess es: «Ihr habt Jaguars Wurzeln verraten!» Und intern? Genau das Gegenteil. Da sagten die Leute: «Endlich – das ist wieder Jaguar!» Die Leute vergessen, dass auch der E-Type damals bei seiner Einführung umstritten war. Lange Motorhaube, das Cockpit weit hinten – komplett anders. Sir William Lyons war überzeugt, dass Jaguar Grenzen verschieben und mutig sein müsse. Als unser internes Team die Freiheit bekam, Jaguar neu zu denken, haben sie diese Chance ergriffen. Kein Rückblick in die Vergangenheit. Kein Retro-Design. Stattdessen: Lasst uns wieder mutig sein. So wurde Jaguar erst zu Jaguar.
Die Öffentlichkeit sah es als Abkehr von der Tradition.
Faszinierend, oder? Intern: «Das ist unsere DNA.» Extern: «Ihr habt euch verirrt.» Aber jetzt, wo der erste Schock überwunden ist, werden die Leute neugierig. Und wenn das Produkt so gut wird, wie wir wissen, dass es wird, dann wird man rückblickend sagen: Das war eine brillante Strategie.
Also entweder Genie oder...?
… oder es wird furchtbar. Es gibt keinen Mittelweg. Es wird nicht einfach «okay» sein. Aber das ist in Ordnung. Jaguar soll nicht nur ein weiteres Auto auf der Strasse sein.
Ich nehme an, Sie wurde auch privat dauernd angesprochen. War das mühsam?
Natürlich, die ganze Zeit. Freunde, Kollegen – sogar Leute, die ich kaum kenne. «Was habt ihr mit Jaguar gemacht?» Das habe ich in meiner Karriere so noch nie erlebt. Aber ehrlich gesagt: Das ist nicht lästig, das ist grossartig. Es zeigt, dass Jaguar den Menschen nicht egal ist. Und das ist ein Geschenk.
Können Sie schon ein paar geheime Details zum neuen Jaguar verraten?
(grinst): Nicht wirklich. Das wäre unangebracht. Aber ich kann sagen: Ich bin optimistisch. Das Design ist mutig. Die Technologie wird liefern. Es wird gut.
Apropos Technologie – wie reagieren Sie auf die Kritik, dass Jaguar und Land Rover keine Technologieführer seien?
Da muss ich widersprechen. Viele denken, wir seien hinterher, aber die Wahrheit sieht anders aus. Nehmen Sie Elektrofahrzeuge: Der I-PACE kam 2017 auf den Markt – weit vor vielen anderen. Und schauen Sie sich unsere Plug-in-Hybride heute an: Land Rover mit 100 km elektrischer Reichweite, AC- und DC-Ladung, Allrad – alles in einem Paket. Kein anderer Hersteller im Luxussegment bietet das. Range Rover Sport und Range Rover sind führend in der PHEV-Technologie. Und das sagen nicht nur wir, sondern auch die Journalisten. Wir waren schon immer innovativ; 85 Prozent Aluminiumkarosserien, marktführende Luftfederung. Wir wurden nur nicht immer so wahrgenommen.
Gehört das auch zur Neuausrichtung der Marke?
Auf jeden Fall. Die Wahrnehmung ist: «Heritage Brand». Die Realität: Wir sind inzwischen eine futuristische Marke. Mit Jaguar bewegen wir uns technologisch an der Spitze. Aber – und das ist wichtig – unsere Technologie ist immer zweckgerichtet. Sie soll das Fahrerlebnis unterstützen. Wir wollen kein Raumschiff bauen, nur um zu zeigen, dass wir es können. Warum sollte ich dreimal auf einen Bildschirm tippen müssen, nur um meine Scheibe zu reinigen? Technologie soll das Erlebnis unterstützen, nicht es dominieren. Unser Fokus liegt auf Raffinesse, Einfachheit, Ruhe.
Merken das die Kunden?
Ständig. Ein Kunde sagte mir kürzlich: «Ihr Range Rover Sport ist so bequem – wenn ihr ein Sofa bauen würdet, würde ich es sofort kaufen.» Genau dieses Gefühl wollen wir. Die Technik ist da, aber sie schreit nicht. Sie beruhigt.
Das klingt, als würden Sie Ihre Arbeit im Moment besonders geniessen.
Ich hatte immer das Gefühl, den besten Job der Branche zu haben. Aber im Moment? Wahrscheinlich mehr denn je. Wir sind in der Schweiz – traumhafte Berge, fantastische Strassen. Wir verkaufen 4x4s und sportliche Autos – beides ideal für diese Umgebung. Und als Engländer… na ja, es gab nur eine Marke, bei der ich jemals landen würde.
Fällt es Ihnen schwer, Ihre Aufmerksamkeit zwischen den Marken zu teilen?
Nicht wirklich. Das ist, wie wenn man Eltern fragt, welches Kind sie mehr lieben. Man gibt Aufmerksamkeit, wo sie gebraucht wird. An manchen Tagen ist das Jaguar. An anderen Defender. Aber nein – ich wache nicht auf und denke: «Heute ist Range-Rover-Tag.» Wir schauen, was getan werden muss, und legen los.
Derzeit gibt es viele Unsicherheiten in der Welt – aktuell mit der politischen und makroökonomischen Entwicklung, etwa volatilen Ölpreisen. Spüren Sie das?
Ja, das spüren wir. Ich denke, die Menschen sind nervös und wissen nicht, was kommt. Und das ist nie ein gutes Umfeld, um eine grosse Anschaffung zu tätigen. Wenn Sie verunsichert sind, kaufen Sie kein Auto. Und das verlangsamt den Markt. Die Daten bestätigen das. Als ich damals in die Schweiz kam, kam ich aus einer europäischen Rolle. Und ich sagte: «Okay, wir müssen die Marktplanung machen.» Und alle meinten: «Ja, aber es sind 300’000.» Ich fragte: «Wie meint ihr das – 300’000?» Und sie sagten: «Na ja, es sind immer 300’000». In der Pandemie waren es dann keine 300’000 mehr – und wir haben dieses Niveau seither nie wieder erreicht. Und immer, wenn es so aussieht, als würde der Markt wieder dahin zurückkommen, passiert etwas – sei es der Krieg in der Ukraine, die humanitäre Krise in Gaza oder die US-Wahl.
Wie bleiben Sie optimistisch?
Natürlich wäre ich persönlich glücklicher, wenn mehr Frieden herrschen würde. Auf allen Ebenen. Und auch beruflich wäre das besser, denn dann hätten die Menschen wieder Vertrauen. Die Zahlen in der Schweiz sind nicht schlecht, aber die Stimmung ist angespannt, und das verstehe ich. Man macht die Nachrichten an und denkt: «Was ist heute wieder passiert?» Man erwartet fast schon, dass etwas Schlimmes passiert ist. Und das hilft niemandem – weder der Autoindustrie noch anderen Branchen. Je eher wir wieder in ein friedlicheres Umfeld zurückfinden, desto besser für alle.
Halten Sie sich mit Kampagnen zurück, weil es nicht das richtige Umfeld ist, um neue Produkte zu pushen?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt immer einen Markt, und man will seinen fairen Anteil davon. Wir tun alles, um diesen Anteil zu bekommen. Was wir aber nicht tun: in Panik verfallen und einfach immer mehr und mehr Geld ausgeben. Der Markt ist, wie er ist.
Wie definieren Sie persönlich Erfolg – nur über Verkaufszahlen?
JLR verfolgt eine Luxus-Strategie, wir jagen keine Volumina. Was wir verkaufen, verkaufen wir. Was wir nicht verkaufen, lassen wir. Wir haben klare Prinzipien bei Preisgestaltung und Rabatten eingeführt und nehmen nicht an margenschwachem Geschäft teil – zum Beispiel nicht am Mietwagengeschäft in der Schweiz. Für mich hat das Geschäft vier Hauptakteure: den Hersteller, den Importeur, den Händler und den Kunden. Und für ein nachhaltiges Modell müssen diese vier im Gleichgewicht sein. Wenn das der Fall ist, ist das Geschäft gesund. Sobald einer das Gefühl hat, zu kurz zu kommen, entsteht Spannung im System. Wir bemühen uns immer um Fairness; das ist unser Ziel.
Sind Sie also kein Fan der disruptiven Kräfte, die genau dieses Modell in Frage stellen?
Disruption gibt es immer. Als die Pandemie kam, wurde ich interviewt und sagte: «Aus jeder Krise lernt man auch immer etwas – da jede Krise auch eine Chance ist. Sie gibt uns die Möglichkeit, alte Gewohnheiten in Frage zu stellen und neue Lösungen zu erarbeiten. Eine Krise sollte man nie ungenutzt lassen». Ich bin schon eine Weile dabei – durchlebte die Bankenkrise und andere –, und jede einzelne hat uns gezwungen, unser Geschäft neu zu hinterfragen. Deshalb begrüsse ich diese disruptiven Elemente. Sie sind eine Chance. Eine Gelegenheit, neu zu denken, sich anzupassen und sicherzustellen, dass alle Akteure eine nachhaltige Beziehung haben.
Wie bewegt sich Damian Donnellan privat in puncto Mobilität?
Zuhause fahre ich einen Jaguar I‑Pace – rein elektrisch, dazu einen Evoque Plug-In. Für meine Frau, die an den Rollstuhl gebunden ist, nutzen wir einen kleinen Bus für die Mobilität, und in der Garage steht ein Oldtimer‑Jag. Darüber hinaus reise ich aber auch oft mit der Bahn. Das E‑Bike kommt zum Einsatz, wenn ich schnell und umweltfreundlich zum Supermarkt möchte. Ich sehe Mobilität als Toolbox – nicht als Einheitslösung.
Viele Menschen stehen sich in der Debatte zwischen Autoliebe und Mobilitätskritik unversöhnlich gegenüber. Wo stehen Sie?
Dogmatismus bringt nichts. Der Klimawandel ist real, aber Verbote allein führen nirgendwohin. Menschen geben Errungenschaften nicht aus sentimentalem Idealismus auf. Ausdauer, Neugier und Technologie – etwa bessere Batterien, effizientere Energieformen – helfen uns weiter. Wollen wir das Klima schützen, wäre es sinnvoller, Energie in Innovation statt Verbotspolitik zu stecken. Ich wünsche mir mehr rationalen Optimismus statt Emotionstheater.
Sie haben den vollelektrischen Range Rover erwähnt und den lang erwarteten neuen Jaguar. Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten?
Das ist wieder so eine typische Frage, als ob man sich für eines seiner Kinder entscheiden müsste. Ganz ehrlich: Ich bin begeistert von der Automobilbranche. Klar, das würden Sie von mir erwarten. Aber ich bin wirklich begeistert von der nächsten Technologiegeneration. Egal ob elektrisch, mit Wasserstoff oder vielleicht etwas völlig anderem: Ich glaube, es wird Produkte geben, die uns alle begeistern können. Und zwar auf eine verantwortungsvolle Art, die auch für die Zukunft tragfähig ist.
«Ich wünsche mir mehr rationalen Optimismus statt Emotionstheater.»
Sie glauben also, dass es nicht nur spannend, sondern auch nachhaltig wird?
Absolut. Ich finde, wir sollten stolz darauf sein und uns durch diese Entwicklungen auch beflügelt fühlen. Ich würde alle dazu ermutigen, die neuen Technologien selbst auszuprobieren. Vielleicht ist es beim ersten Mal, wenn man ein Elektroauto fährt, noch ungewohnt. Aber beim dritten oder vierten Mal? Dann wird es zu einem echten Erlebnis. Ich freue mich vor allem auf die Tatsache, dass diese neue Technologiegeneration mindestens genauso spannend wird wie alles, was wir bisher gesehen haben.
Gibt es etwas, das Ihnen dabei besonders am Herzen liegt?
Was ich mir am meisten wünsche – und worauf ich mich am meisten freue – ist, dass wir als Gesellschaft wieder etwas mehr Optimismus entwickeln. In den letzten Jahren und Monaten sind wir alle ein Stück weit entmutigt worden. Aber ich glaube, jetzt ist der Moment für optimistischen Pragmatismus gekommen. Und genau das ist es, worauf ich mich am meisten freue: Dass wir die Weltuntergangsstimmung hinter uns lassen – und anfangen, nach Lösungen zu suchen und sie umzusetzen.

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