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Tiefbauamt wehrt sich: «Unsere Strassen sind nicht vergoldet»
Sommerzeit ist Baustellenzeit: Überall werden Strassen saniert. Doch sind all die Baustellen wirklich nötig? Christoph Speith vom Tiefbauamt St.Gallen erklärt, warum es nicht zu viele Baustellen hat.
Im Sommer haben Baustellen Hochsaison. Überall werden Strassen saniert, es kommt zu längeren Wartezeiten oder Umfahrungen. Das sorgt bei vielen Autofahrenden für Frust und Ärger. Immer wieder stellt sich die Frage: Warum wurde diese Strasse aufgerissen, die sah doch noch gut aus?
Sanierung dann, wenn Strasse noch nicht kaputt ist
Doch genau das ist die Krux an der Sache: «Das Hauptproblem ist, dass der Zustand einer Strasse nicht linear abnimmt», erklärt Christoph Speith, Leiter Erhaltungsplanung und Bewilligungen vom Tiefbauamt des Kanton St.Gallen. Das zeigt auch eine empirische Grafik (siehe unten): Rund 75 Prozent ihrer Lebensdauer sieht eine Strasse passabel aus – bis sie plötzlich rasch abbaut. «Ziel ist, möglichst dann oder kurz danach eine Sanierung durchzuführen, auch wenn die Strasse noch nicht vollständig kaputt ist», so Speith.
«Schwerverkehr hat massiven Einfluss»
Christoph Speith veranschaulicht seine Erklärung mit einem Beispiel. Die Bilder zeigen eine Strasse, die bereits stark beschädigt ist: «Der Abschnitt befindet sich in einem Knotenbereich, der einen sehr hohen durchschnittlichen täglichen Verkehr aufweist. Zudem ist der Knoten alle paar Minuten durch Abbiegemanöver von Bussen stark belastet. Solcher Schwerverkehr hat massiven Einfluss auf den Belag, insbesondere beim Abbiegen. Dabei entstehen Schub- und Scherkräfte, die schwer abzuleiten sind. Der Belag ist bereits 16 Jahre alt und wird demnächst saniert.»
«Nach rund 15 Jahren sind Arbeiten nötig»
Damit hat der Belag im gezeigten Beispiel seine durchschnittliche Lebensdauer bereits überschritten. «Der Deckbelag hat im groben Durchschnitt eine Lebensdauer von 15 Jahren. Bei der Binderschicht sind es ca. 30 Jahre und bei der Tragschicht sogar 60 Jahre, wenn alles gut läuft.» Das heisst: Nach rund15 Jahren sind entsprechende Arbeiten am Belag nötig. «Es handelt sich jedoch nicht um eine exakte Wissenschaft, sondern um grobe Durchschnittswerte. Es gibt viele verschiedene Einflussfaktoren, die die Beläge unterschiedlich schnell altern lassen. Bei den insgesamt 655 Kilometern in St.Gallen bedeutet das auch entsprechend viele Baustellen.»
Und das bringt wiederum viel Koordination und Planung mit sich. Speith erklärt: «Der Sanierungsbedarf muss auf die Gesamtstrecke optimal verteilt werden. Dabei müssen wir auch andere Werkeigentümern, Investoren und Interessensgruppen berücksichtigen.» All das könne dazu führen, dass ein Abschnitt nicht stur nach 15 Jahren umgesetzt, sondern in einem gewissen Rahmen zeitlich versetzt angegangen werde. «Damit werden im Wesentlichen drei Dinge vermieden: Dass Alternativrouten überlastetoder die zur Verfügung stehenden Ressourcen hinsichtlich der externen Unternehmen, dem internen Personal und dem Budget überschritten werden.»
So ist eine Strasse aufgebaut
Jeder Strassenbelag hat eine Tragschicht und einen Deckbelag. Häufig gibt es auch noch eine Binderschicht. Zuoberst ist der Deckbelag. Er dient sozusagen als eine Schutzschicht des gesamten Belags.
Zeitpunkt verpasst – immense Kosten
Gemäss Speith ist es wichtig, rechtzeitig einzugreifen. «Der Deckbelag nimmt die ganze Belastung aus Verkehr, Unterhalt und Witterung als oberste Schicht initial auf und weist somit in der Regel auch als erstes Schäden auf.» Warte man zu lange, führe dies zu weiteren Schäden an den unteren Schichten. «Genau das gilt es zu vermeiden, da sonst der Investitionsaufwand für die Sanierung steigt. Dies ist weder nachhaltig noch wirtschaftlich und führt auch in eine Abwärtsspirale, bei der sich ein sogenannter Nachholbedarf entwickelt. Dieser lässt sich dann jedoch nur mit höheren Investitionen und erhöhtem Personaleinsatz aufholen.»
«Haben keine unnötigen Baustellen»
Dem Vorwurf, dass es zu viele Baustellen gibt, hält Speith entgegen: «Wir haben keine vergoldeten Strassen und somit auch keine unnötigen Baustellen.» Die Schweiz weise ein sehr gut ausgebautes Strassennetz auf. «Das benötigt auch einen entsprechenden Unterhalt. Aus wirtschaftlichen Gründen und natürlich auch für die Verkehrssicherheit ist ein rechtzeitiges Eingreifen mit baulichen Massnahmen zwingend.»
Dies führe automatisch zu gut bewirtschafteten Strassen und einem guten Durchschnittszustand im Vergleich zu anderen Ländern. «Was passiert, wenn dies nicht in dem Masse erfolgt, lässt sich im Ausland oft gut beobachten.»
Speith betont zudem, dass gerade bei Baustellen in der Stadt nicht immer ein Zusammenhang mit dem Strassenzustand besteht. «Auch Arbeiten an Werkleitungen können zu Baustellen führen. Natürlich stimmt man solche Arbeiten nach Möglichkeit aufeinander ab. Das ist jedoch nicht immer möglich.»

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