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Töfflenker fährt bei 173 km/h auf nur einem Rad
Was für ein riskantes Manöver! Stell dir vor, du fährst auf der Autobahn mit 100 km/h in deiner Spur. Da braust plötzlich ein Töfffahrer mit seinem Motorrad nur auf dem Hinterrad an dir vorbei. Fast nicht zu glauben? Aber genau das ist auf der A1 passiert. Am Donnerstagvormittag stand ein 35-jähriger Schweizer dafür vor Gericht.
Die Fahrt liegt schon etwas zurück. Im April 2023, kurz nach dem Start der Töffsaison, steigt der Mann – ein Konstrukteur aus Winterthur – auf sein Motorrad. Wie lange er mit dem Töff an diesem Samstag genau unterwegs war, ist unklar. Sicher ist: Kurz nach 19 Uhr fährt er auf der Autobahn A1 bei Winterthur in Richtung Zürich. Er ist deutlich zu schnell, schlängelt sich mit der Yamaha YZF-R1 an anderen Verkehrsteilnehmenden vorbei und überholt rechts und links, so wie es ihm gerade passt.
Für den Streckenabschnitt von Winterthur bis zum Brüttisellerkreuz braucht der 35-Jährige gerade mal neun Minuten. Gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft See / Oberland sind es neun Minuten, die es in sich haben – und den Mann im Anschluss für zwei Tage in U-Haft bringen.
Am Donnerstag muss sich der Konstrukteur für die Raserfahrt vor dem Bezirksgericht Uster verantworten. Laut Anklagebehörde habe er «das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern» in Kauf genommen. Die Behörde hat den Mann deshalb wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln, wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln und wegen Übertretung des Nationalstrassenabgabengesetzes angeklagt.
Auf einem Rad an Autos vorbeigefahren
Was in der Anklageschrift steht, ist tatsächlich nur schwer vorstellbar. So schreibt die Staatsanwaltschaft zum Tatvorgehen: Der Mann habe «bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von rund 173 km/h [...] während rund drei Sekunden nur auf dem Hinterrad fahrend» Personenwagen überholt.
Und das nicht nur an einer Stelle. Insgesamt viermal soll der 35-Jährige das Vorderrad hochgezogen und nur auf einem Rad über die Autobahn gebrettert sein. Auf dem Stadtgebiet von Winterthur sowie auf den Gemeindegebieten von Seuzach ZH und Brüttisellen ZH. Dabei wurde er von diversen Zeugen beobachtet. Zudem habe er während der ganzen Fahrt die zulässige Geschwindigkeit massiv überschritten. So lag er bei Winterthur – hier gilt eine Maximalgeschwindigkeit von 100 km/h – mit 73 Stundenkilometer darüber. Bei Brüttisellen fuhr er 154 km/h und war damit 74 Stundenkilometer schneller als die erlaubten 80.
Laut Staatsanwaltschaft nahm der Beschuldigte dabei das sehr hohe Risiko eines Unfalls in Kauf, «da es ihm beim Überfahren eines auch noch so kleinen Fremdkörpers auf der Autobahn bei dieser Fahrweise nicht mehr möglich gewesen wäre, das von ihm gelenkte Motorrad zu kontrollieren.»
Durch zivile Polizeipatrouille gestoppt
Definitiv zu viel des Guten war dann ein verbotenes Überholmanöver beim Brüttisellerkreuz. Die Überholspur der dreispurigen Autobahn war hier bereits durch ein Fahrzeug blockiert. Da fuhr der Konstrukteur kurzerhand auf der Mittelspur am Wagen vorbei, um gleich danach wieder auf die Überholspur einzufädeln.
Was der 35-Jährige nicht wissen konnte: Beim Wagen handelte es sich um eine zivile Polizeipatrouille. Und die zog den Töfflenker schliesslich aus dem Verkehr. Dabei stellten die Polizisten fest: Der Mann hätte die Nationalstrasse gar nicht befahren dürfen. Am Motorrad fehlte die gültige Autobahnvignette.
Wer in der Schweiz ein Raserdelikt nach Art. 90 Abs. 3 Strassenverkehrsgesetz SVG begeht, muss mindestens mit einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechnen. Im Fall des Konstrukteurs liegt der Antrag der Staatsanwaltschaft deutlich höher. Die Anklagebehörde fordert 24 Monate, die unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt ausgesprochen werden sollen. Dazu soll der Mann noch mit 200 Franken gebüsst werden.
Beschuldigter krempelte seit Raserfahrt sein Leben um
Das Verfahren vor dem Bezirksgericht Uster fand im abgekürzten Verfahren statt, was bedeutet, dass der Beschuldigte den wesentlichen Sachverhalt beziehungsweise die Vorwürfe eingesteht. Auch im Gerichtssaal zeigte sich der 35-Jährige reumütig. In der Befragung durch den Richter gab er an, dass es seit der Raserfahrt in seinem Leben zu grossen Veränderungen gekommen sei. «Zur Zeit des Vorfalls war ich sehr unglücklich. Erst durch einen Psychologen traf ich den Entscheid etwas zu verändern und etwa meinen Job zu kündigen.» Heute habe er einen neuen Job, sei frisch geschieden und habe zudem eine neue Freundin.
Noch im Laufe des Vormittags kam es deshalb zu einem schnellen Urteil. Das Gericht folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und sprach die bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten sowie die Busse aus.

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