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Bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten

Lernfahrer fällt durch Prüfung – dann rast er durch Zürcher Gemeinde

Da hat er die Verkehrsregeln wohl nicht ganz verinnerlicht. Ein 20-jähriger Lernfahrer muss sich am Dienstag wegen qualifizierter grober Verkehrsregelverletzung vor Gericht verantworten. Er raste mit 104 Stundenkilometern über eine Quartierstrasse. Nun steht das Urteil fest.

Wer in der Schweiz zur Autoprüfung antreten will, muss vorgängig eine Theorieprüfung ablegen. Der 20-jährige Lernfahrer Mirco S.* kann das zwar vorweisen, das Gelernte scheint er aber nur im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert zu haben. Anders ist dieser Fall, der am Dienstag vor dem Bezirksgericht in Dietikon ZH verhandelt wird, kaum zu erklären. An nur einem Abend verstösst Mirco S. gegen zahlreiche grundlegende Verkehrsregeln. 

Zum Vorfall kam es Mitte August 2023. Der damals 19-jährige Schweizer steigt an diesem Mittwoch in seinen VW GoIf Vll 1.4 TSl 5 und fährt in Dietikon los. Er sitzt allein im Auto und begeht damit den ersten schweren Regelbruch. Als Lernfahrer darf er nicht ohne Begleitperson unterwegs sein. «Diese Person muss mindestens 23 Jahre alt sein und seit drei Jahren den Führerausweis der Kategorie B besitzen, der nicht mehr auf Probe ist», schreibt das Zürcher Strassenverkehrsamt dazu auf seiner Webseite. 

Urteil des Verkehrsinstruktors: «Fehlende Fahrpraxis!»

Mirco S. kümmert das wenig. Er fährt allein durch zwei Gemeinden, kreuzt Kreisel, Fussgängerstreifen und Hauptverkehrsachse. Und das alles mit dem Wissen, dass er erst wenige Tage zuvor durch die praktische Fahrprüfung gefallen ist. Wegen «fehlender Fahrpraxis» lautete das deutliche Urteil des Prüfungsexperten. In ihrer Anklageschrift, die STREETLIFE vorliegt, kommt die zuständige Staatsanwaltschaft Limmattal / Albis zum Schluss, dass Mirco S. eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmende darstellte. Dabei ereignet sich der eigentliche Hauptanklagepunkt erst auf einer weiteren Fahrt. 

Kurz darauf ist Mirco S. nicht mehr allein im Wagen. Mit im Auto sind zwei Kollegen. Er fährt mit dem Golf auf einer Quartierstrasse in Fahrweid ZH in Richtung Dietikon. «Aus Spass», so die Staatsanwaltschaft, drückt er dann aufs Gaspedal und beschleunigt das Fahrzeug auf über 104 Stundenkilometer.

Damit übersteigt er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h. «Er nahm wissentlich und willentlich das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern in Kauf», heisst es in der Anklageschrift. Der Beschuldigte erfüllt damit den Tatbestand des Raserartikels. Und hier sieht der Gesetzgeber eine Mindestfreiheitsstrafe von 12 Monaten vor. Noch bevor er also im Besitz des regulären Führerausweises ist, soll der Jugendliche mit der schwersten Sanktion, die das Strassenverkehrsgesetz kennt, belegt werden. 

Im Fall von Mirco S. geht die Staatsanwaltschaft sogar noch weiter. Der Antrag lautet: eine bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten und eine Busse von 1000 Franken. 

Darf er wieder hinters Steuer?

Den Lernfahrausweis ist der 20-Jährige erstmal los. Immerhin: Im Untersuchungsverfahren zeigte sich der Junglenker geständig und ermöglichte so einen Prozess im abgekürzten Verfahren. Wann und ob Mirco S. sich allerdings wieder hinter ein Steuer setzen darf, ist ungewiss.

Beim Entzug vom Lernfahrausweis gelten ähnliche Bestimmungen wie beim Führerausweis: «Ein Lernfahrausweis wird je nach Schwere des Vergehens und allfälliger Vorbelastungen für unbestimmte, längere oder kürzere Zeit entzogen», erklärt Davide Andaloro, Kommunikationsmanager beim Zürcher Strassenverkehrsamt. Und weiter: «In gewissen Fällen darf die betroffene Person erst wieder am motorisierten Verkehr teilnehmen, wenn die Überprüfung der Fahreignung positiv ausgefallen und die Sperrfrist abgelaufen ist.»

Im Fall von Mirco S. beantragt die Staatsanwaltschaft, dass er am Lernprogramm START, das für risikobereite Verkehrsteilnehmende entwickelt wurde, teilnehmen muss. Danach soll bei Kontrollgesprächen beim Amt für Justizvollzug- und Wiedereingliederung geprüft werden, ob weiter ein Rückfallrisiko besteht. 

Sicher ist: Erwischte Raser müssen in der Schweiz den Führerausweis bis zu zwei Jahre abgeben. Und mindestens so lange muss wohl auch Mirco S. warten, bis er wieder die Möglichkeit bekommt, ein Auto zu lenken. Wie hoch die Freiheitsstrafe tatsächlich ausfallen wird, darüber entscheidet das Gericht am Nachmittag.

* Name von der Redaktion geändert

 

Lernausweis – diese Regeln gelten

Wer sich auf die praktische Fahrprüfung der Kategorie B vorbereiten will, braucht Fahrpraxis. Dafür ist zwingend ein Lernfahrausweis nötig. Unter diesen Voraussetzungen kann ein solcher beim kantonalen Strassenverkehrsamt beantragt werden. 

  • Erreichen des Mindestalters
  • Sehtest
  • Nothelferkurs
  • Teilnahme am Verkehrskundeunterricht VKU
  • Bestandende Theorieprüfung

Der Lernfahrausweis ist nur für eine begrenzte Zeitdauer gültig und kann nicht verlängert oder unterbrochen werden. Der Ausweis kann maximal zweimal in der gleichen Kategorie beantragt werden. Einen dritten Lernfahrausweis gibt es nur nach einer Sperrfrist von zwei Jahren und einer positiven verkehrspsychologischen Eignungsuntersuchung.

Voraussetzungen für eine Lernfahrt
  • sie findet innerhalb der Schweiz statt
  • am Fahrzeug muss ein «L» befestigt sein
  • es ist eine Begleitperson erforderlich
  • Mitfahrende müssen einen entsprechenden Führerausweis besitzen
  • die Begleitperson muss mindestens 23 Jahre alt sein und seit drei Jahren den Führerausweis der Kat. B besitzen, der nicht mehr auf Probe ist
  • die Begleitperson muss die Handbremse betätigen können

«So etwas werde ich nie wieder tun» 

Am frühen Dienstagnachmittag musste sich Mirco S. nun also vor dem Bezirksgericht Dietikon verantworten. Im Gerichtssaal ist von der ersten Sekunde an klar: Der Jugendliche bereut sein Vergehen. «Ich wollte einem ehemaligen Freund beweisen, dass ich das Auto genauso gut beherrsche wie er», so der Beschuldigte zum Richter. Der Unterschied: Der ehemalige Freund besass einen gültigen Führerschein. Heute schüttelt der 20-Jährige nur seinen Kopf. «Das war dumm, und ich bereue sehr, was ich getan habe.» Diese Erkenntnis kommt nicht von Ungefähr. Seit dem Vorfall im August 2023 musste der Zürcher bereits fünf von den ihm auferlegten 13 Therapiestunden beim Lernprogramm Start absolvieren. Bereits scheint das Programm Früchte zu tragen. Sein Learning: «So etwas werde ich nie wieder tun.»  

Strafe gemäss Urteilsvorschlag 

Nach knapp zehn Minuten im Gerichtssaal und einer kurzen Befragung berät das fünfköpfige Richterkonzil über das Strafmass für den Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren sowie einem Bussgeld von 1000 Franken. Das Urteil wird wie gefordert ausgesprochen. Der Richter begründet: «Das Urteil ist gerechtfertigt. Die Strassenverhältnisse waren gefährlich. Es war dunkel, innerorts, und es war mit Gegenverkehr zu rechnen. Nicht zu vergessen: In der Nähe gab es eine Bushaltestelle, und sie hatten Leute im Auto.»

Zum Schluss gibt der Richter Mirco S. noch einen Ratschlag mit auf den Weg: «Nutzen Sie die restlichen Sitzungen im Lernprogramm. Hören und schauen Sie gut zu, damit es nie wieder zu solchen Gefahren kommen kann, mit denen Sie andere gefährden könnten.» 

 

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