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Tacho-Bschiss: Jede dritte Occasion ist manipuliert
Die Zahl der gefahrenen Kilometer ist für einen Wagen aus zweiter Hand entscheidend. Je tiefer die Kilometerzahl, desto höher ist der Verkaufspreis. Für mehr Geld und Rendite wird auf dem Occasionen-Markt ordentlich am Tacho frisiert.
Erst im Juni sorgt ein Gerichtsurteil im Kanton Luzern für Aufsehen. Ein Occasionen-Autohändler wurde wegen Betrugs zu einer teilbedingten Gefängnisstrafe von 20 Monaten verurteilt. Grund: Der Mann hatte den Tacho-Stand eines VW Touran, TDI 2.0 Highline um 100'000 Kilometer zurückgedreht. Statt der wirklich gefahrenen 245'000 Kilometern bot er den Wagen mit 148'000 an.
Der Fall zeigt deutlich: Zwielichtige Occasionen-Händler bringen viel kriminelle Energie auf, um ihre Wagen zum höchsten Preis an die Frau oder an den Mann zu bringen. Der Garagist aus Luzern liess nämlich auch nicht locker, als er beim ersten Verkaufsversuch bereits aufflog. Dazu kam es, weil der Käufer kurz nach der Übergabe die Fahrzeugnummer überprüfen liess. Der Garagist musste das Auto zurücknehmen und kassierte ein erstes Urteil wegen versuchten Betrugs.
Hohe Dunkelziffer, wenig Anzeigen
Statt die Finger von der Betrugsmasche zu lassen, liess der Mitte 30-Jährige die falsche Kilometerzahl kurzerhand in die Fahrzeugpapiere eintragen und verwendete dafür seinen Garagenstempel. «Das ist zudem noch Urkundenfälschung», schlussfolgerte der Gerichtspräsident. Von der ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 20 Monaten muss der Mann nun acht Monate im Gefängnis absitzen.
Der Fall aus Luzern ist längst kein Einzelfall. Experten gehen davon aus, dass der Tacho jedes dritten Gebrauchtwagens manipuliert ist. Wie der Allgemeine Deutsche Automobil-Club ADAC, das Pendant zum Schweizer Touring Club, schreibt, entstehe alleine in Deutschland ein enormer finanzieller Schaden: «Der Betrag liegt bei jährlich rund sechs Milliarden Euro.»
Wie hoch die Schadenssumme in der Schweiz ist, bleibt indes unklar. Es wird zwar von einer Dunkelziffer ausgegangen, bei der Polizei melden sich dann aber nur wenige Betroffene. So heisst es bei der Kantonspolizei Aargau auf Anfrage von STREETLIFE: «Es kommt vor, dass es zu Anzeigen kommt, in denen ein Tachobetrugsfall vorliegt», sagt Mediensprecher Bernhard Graser. Ähnlich tönt es bei der Kantonspolizei Zürich. Mediensprecher Alexander Renner: «Es sind uns einzelne Betrugsfälle in Bezug auf die Beeinflussung des Tachostandes an einem Auto bekannt.» Merken viele Betroffene also gar nicht, dass sie Opfer eines Tachobetrugs wurden?
Tacho-Manipulationen erkennen
Doch wie kann ich mich davor schützen? Grundsätzlich gilt: Ein Gebrauchtwagen sollte nur bei einem seriösen Anbieter gekauft werden. Ist der Händler unbekannt, raten Experten dazu, unbedingt auf diese Merkmale zu achten:
- Das Serviceheft
Es sollte vollständig ausgefüllt sein. Ein fehlendes, unvollständiges oder gar neues Heft wirkt verdächtig
- Sitze
Sind diese stark abgenutzt, kann das ein Indiz auf einen falschen Zählerstand sein
- Lenkradkranz
Ist dieser stark abgegriffen, deutet das ebenfalls auf einen stärkeren Gebrauch als der angegebene Kilometerstand des Fahrzeuges hin
- Motorfahrzeugkontrolle
Prüfberichte der letzten MFK verlangen, dort werden die Tachostände erfasst.
- Ölwechsel
Unbedingt auf den Ölwechselaufkleber im Motorraum achten (wird alle 30'000 bis 40'000 Kilometer gewechselt) und unbedingt nach Belegen früherer Ölwechsel fragen.
Kontaktaufnahme mit den Vorbesitzern
Am Tacho selbst kann die Manipulation kaum mehr festgestellt werden, auch nicht in einer Vertrauenswerkstatt. Ist der Verdacht erst mal da und die Zweifel gross, dann bleiben diese Möglichkeiten zur Abklärung:
- Beim Vorbesitzer nachfragen
Die Fahrzeughalter-Historie kann beim zuständigen Strassenverkehrsamt gegen eine Gebühr bezogen werden.
- Produktionsdatum des Tachos kontrollieren
Das Alter des Tachos und der Steuergeräte kann Aufschluss über einen möglichen Betrugsfall geben. Bei Manipulationen kommt es vor, dass der Tacho beschädigt wird. Ist der Tacho also neuer als das Fahrzeug, ist das ein weiteres Indiz.
Die EU hat den Tachobetrügern in ganz Europa den Kampf angesagt. Im September 2017 ist eine neue Verordnung in Kraft getreten. Diese verlangt auf der Seite 9 unter Artikel 5, dass der Kilometerstand im Auto systematisch geschützt werden muss. Allerdings ist in der Verordnung nicht genau definiert, wie dieser Schutz aussehen soll. Der ADAC kritisiert deshalb: «Es wird munter weiterbetrogen. Kommt ein neues Auto auf den Markt, gibt es dafür spätestens nach einem Jahr ein Gerät, womit der Tacho problemlos manipuliert werden kann.»
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