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«Die SVP ist mit der CO2-Abstimmung auf die Siegesstrasse zurückgekehrt»
Die SVP hat auf Kosten der Grünen bei den Wahlen zugelegt. Neu ist die bürgerliche Partei mit 62 Sitzen im Nationalrat vertreten. STREETLIFE hat beim Politologen und Co-Leiter des gfs.bern, Lukas Golder, nachgefragt, welche Auswirkungen diese Veränderung auf die Verkehrspolitik hat.
Herr Golder, was bedeutet dieses Wahlergebnis für den Individualverkehr in den kommenden Jahren? Denken Sie, dass die Grüne Partei in Zukunft ihren Standpunkt für den Individualverkehr anpassen wird aufgrund des Wahlergebnisses?
Der Wechsel von der SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga zum SVP-Bundesrat Albert Rösti ist ein sehr spannendes Zeichen in der Verkehrspolitik. Viel wird in der Bundesverwaltung entschieden. Nun deutet Einiges darauf hin, dass Albert Rösti den Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht verzögern, aber den Ausbau des Strassennetzes gleichzeitig beschleunigen will. Das alte Parlament ist ihm gefolgt und hat einen Ausbau der Autobahnen beschlossen. Dagegen hat der VCS das Referendum ergriffen. Es scheint, als ob das Volk im Moment das entscheidende nächste Wort hat und gar nicht das neu gewählte Parlament. Bestätigt das Volk diese Sowohl-als-auch-Politik, wird es für die Steuerzahlenden teuer, aber die Verkehrsinfrastruktur wird natürlich weiter verbessert.
Die Wahlschwerpunkte der Grünen haben sich in Zusammenhang mit dem Individualverkehr auf einen nachhaltigen Verkehr bezogen, sprich weniger Verbrenner und allgemein weniger Verkehr. Gleichzeitig hat die SVP mit dem «Verkehr als Motor von Wirtschaft und Tourismus» geworben. Inwiefern hatten diese Positionen einen Einfluss auf das Wahlergebnis?
Es ist ein Irrglauben, dass die Grünen verloren haben, weil sie Verzicht predigen. Ihr grosser Erfolg vor vier Jahren war diesmal ihr grösstes Problem. Alle rechneten vor vier Jahren mit einer grünen Welle, aber in dieser Welle gewannen die Grünen sogar noch acht Sitze mehr als ihnen alle zugetraut hatten. Von diesem Übergewinn sind gerade einmal vier Sitze weg und die Grünen haben somit immer noch zwölf Sitze mehr als vor acht Jahren. Vor den Wahlen 2019 standen sie mit der weltweiten Klimabewegung in vollen Segeln und das an sich kleine Segelboot der grünen Partei wurde sogar noch von einer Windhose im Schlusswahlkampf erfasst.
Es ist ein Irrglauben, dass die Grünen verloren haben, weil sie Verzicht predigen.
Die grüne Flaute, welche die Grünen nun erleben, hat vor allem mit dem Aufkommen anderer Themen weitab von Verkehr und Klima zu tun. Migration und Kaufkraft waren Sicherheitsthemen, die in unsicheren Zeiten am meisten zogen. Die SVP ist jedoch früh in der letzten Legislatur mit dem erfolgreichen CO2-Referendum wieder auf die Siegerstrasse bei Abstimmungen zurückgekehrt. Dennoch hat sie in den Wahlumfragen und in kantonalen Wahlen erst mit dem Aufkommen der Asyl- und Migrationsdebatte erst richtig gepunktet.
Welchen Einfluss hatten die Aktionen von Renovate Switzerland und Tyre Extinguisher auf das Wahlergebnis?
Auffallend ist, dass Parteien immer stärker ihre eigene Themenlandschaft gegenüber der eigenen Wählerschaft bewirtschaften. Die Parteien wissen: Nur wenig Wählende wechseln von der Ideologie her das Lager. Der Ärger rechts und rechtsaussen auf die Klimaaktivistinnen und –aktivisten war wohl kaum entscheidend, denn viel eher motivierte das Unsicherheitsgefühl viele Personen im rechten Lager, die SVP zu wählen. Vor vier Jahren ist die weltweite Klimabewegung zusammen mit den Grünen und sogar mit der damaligen Umweltministerin marschiert. Das hat zum Riesenerfolg beigetragen. Jetzt mussten sich die Grünen, die selber ja sogar auf einen Bundesratssitz aspirieren, von den Aktionen distanzieren. Das half ihnen kaum.
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