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Individualverkehr: So motorisiert sind die Parlamentsmitglieder
Am 22. Oktober wählt die Schweiz ein neues Parlament. Eine der wichtigen Fragestellungen im Wahlkampf ist: Wie entwickelt sich der motorisierte Individualverkehr in der nächsten Legislatur? STREETLIFE hat nachgefragt wie motorisiert die einzelnen Parlamentsmitglieder sind.
Der Kampf um die Sitze im National- und Ständerat ist aktuell in der heissen Phase. Und schon jetzt zeichnet sich ab: In der nächsten Legislaturperiode wird das Thema Verkehr auf dem politischen Parkett eine wichtige Rolle spielen. Die Sitze in der Verkehrskommission sind heiss begehrt, wie mehrere Politiker in Bern STREETLIFE bestätigen.
Mit gutem Grund: Gerade der motorisierte Individualverkehr ist ein hoch emotionales Thema, das weite Teile der Bevölkerung betrifft. So ist das Auto für die Schweizer Bevölkerung ein echtes Bedürfnis. Mehr als zwei Drittel aller Wege werden hierzulande mit dem Personenwagen absolviert. Pro Person und Tag sind das 20,8 Kilometer. Das geht aus dem «Mikrozensus Mobilität und Verkehr»-Bericht für das Jahr 2021 hervor, der wichtigsten Erhebung des Bundes zum Mobilitätsverhalten.
Dem gegenüber steht das Netto-Null-Ziel des Bundesrats. Bis 2050 soll die Schweiz nur noch so viel CO2 ausstossen, wie natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Im Juni hat das Stimmvolk diesem Gesetz zugestimmt. Die Verbrennung fossiler Treibstoffe ist damit ein politisch heiss diskutiertes Thema – das die Parlamentsmitglieder in Bern gerne in Fahrt bringt.
Doch wie individuell motorisiert sind National- und Ständerat? Wer besitzt ein Auto und wer nimmt auf dem Beifahrersitz Platz? STREETLIFE hat das Parlament mit diesen und weiteren Fragen angeschrieben. Rund 20 Prozent, konkret 40 Politikerinnen und Politiker, haben die Umfrage im Mai 2023 beantwortet. Anlässlich des bevorstehenden Wahlsonntags zeigt STREETLIFE noch einmal die spannenden Ergebniss.
Alle Fraktionen, fast alle Parteien und Kantone vertreten
Bei der Umfrage haben Vertreter aus allen sechs Fraktionen des Nationalrats teilgenommen. Konkret aus diesen Parteien: SVP, SP, Mitte, FDP, Grüne, GLP und EDU. Der Prozentsatz in der Grafik (l.) stellt den Anteil der eingegangenen Antworten im Verhältnis zum Total der Rückmeldungen (40) dar. Keine Reaktionen gab es von PdA, EàG, Lega, EVP und einem parteilosen Sitz.
1. Besitzen Sie oder jemand in Ihrem Haushalt ein Auto?
21 der befragten Politikerinnen und Politiker geben an, dass sich in ihrem Haushalt ein Auto befindet. Bei neun weiteren sind es zwei oder mehrere Personenwagen. Damit besitzen 75 Prozent der Befragten mindestens ein motorisiertes Fahrzeug. Zehn Parlamentarerinnen und Parlamentarier verzichten in ihrem Haushalt auf ein Auto. Ein Auszug der Stimmen:
«Ja, ich besitze zwei Autos, und eines davon brauche ich relativ oft. Vieles wäre nämlich ohne Auto gar nicht möglich, insbesondere im Tessin mit den vielen Tälern. Auch eines meiner grössten Hobbys, die Jagd, wäre ohne Auto nicht denkbar.»
«Nein. Ich bin Mobility-Genossenschafterin und benutze zudem ein lokales Sharing-Auto»
«Ja, alle Familienmitglieder»
2. Wie oft oder selten fahren Sie Auto?
15 der angeschriebenen Politikerinnen und Politiker fahren täglich mit ihrem Auto. Sie benutzten das Fahrzeug in der Regel für den Weg zur Arbeit. Weitere zehn Personen nehmen das Auto wöchentlich in Betrieb. Drei davon mehrmals, drei weitere zwei bis drei Mal und vier Parlamentarier ein bis zwei Mal pro Woche. Neun Befragte brauchen das Fahrzeug hingegen eher selten und sechs fahren gar nie mit einem Auto.
«Ich fahre etwa zwei- bis dreimal mit dem Auto pro Woche zur Arbeit.»
«Ich fahre täglich mit dem Elektrofahrzeug an meinen Arbeitsort.»
«Ich selbst fahre gar nie Auto; ich habe nie den Führer*innenschein gemacht. Selten sitze ich als Mitfahrerin im Auto.»
3. Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs für die Schweiz?
Die Mehrheit der befragten Personen ist sich darin einig, dass der motorisierte Individualverkehr (MIV) für die Schweiz eine enorme Rolle spielt. Sie bezeichnen ihn als unverzichtbar. Als Begründung werden Faktoren wie die Sicherung von Arbeitsplätzen, der Transport von Gütern und die Anbindung der Landregionen genannt. Acht Personen wollen den MIV nicht gegen den öffentlichen Verkehr (ÖV) ausspielen. Ihnen geht es um eine Multimobilität, also einen guten Mix zwischen den verschiedenen Mobilitätsformen. Für zehn Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist der motorisierte Individualverkehr zu dominant und verursacht zu viel CO2-Emissionen, zu viel Lärm und hat einen zu hohen Verbrauch von Platz und Energie.
«MIV wie ÖV müssen funktionieren, davon hängt die Wirtschaftsfähigkeit der Schweiz stark ab.»
«Dieser ist sehr wichtig für die Wirtschaft, aber auch für die Freizeitgestaltung und damit für den Tourismus. Jeder achte Arbeitsplatz in der Schweiz hängt direkt oder indirekt vom Auto ab. Und die rund 226'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schweizer Automobilwirtschaft erwirtschaften jährlich über 95 Milliarden Franken.»
«Der motorisierte Individualverkehr hat ein zu grosses Gewicht und kommt zu oft unbedacht zum Einsatz. Grundsätzlich haben wir erstens zu viel Mobilität, weil wir nicht genügend verdichtet bauen – was grössere Distanzen und damit längere Wege verursacht. Zweitens ist der Anteil der Fahrten mit einem privaten Motorfahrzeug am Gesamten aller Verkehrsbewegungen zu gross. Wir brauchen eine Verlagerung: mehr Fuss- und Veloverkehr (ist auch Teil des Individualverkehrs) sowie mehr ÖV.»
4. Sind Sie aufs Auto angewiesen? Wenn ja, warum?
28 Politikerinnen und Politiker gaben an, dass sie auf das Auto angewiesen sind. Die Mehrheit braucht es vor allem für den Weg zur Arbeit und für die Freizeitgestaltung. Das deckt sich mit den Ergebnissen des neusten «Mikrozensus Mobilität und Verkehr»-Berichts. Dieser zeigt, dass sowohl der Freizeitverkehr (43 Prozent) als auch der Arbeitsweg (28 Prozent) die wichtigsten Mobilitätszwecke der Schweizer Bevölkerung sind. Weitere in der STREETLIFE-Umfrage genannte Gründe sind eine schlechte ÖV-Anbindung, Einkauf und Transport, Zeitgewinn zum ÖV und die Organisation der Familie.
12 Parlamentarierinnen und Parlamentarier brauchen kein Auto. Sie verfügen über eine gute ÖV-Anbindung und gehen im Nahverkehr zu Fuss oder sind mit dem Velo oder dem E-Bike unterwegs.
«Ich muss sehr oft so schnell wie möglich von A nach B. Die Bahn bietet mir diese Möglichkeit nicht. Wenn ich von Montreux, wo ich wohne, ins Parlament nach Bern muss, brauche ich mit dem Auto eine Stunde, mit dem Zug zwei. Es hat auch zu wenige Parkplätze in der Nähe der Bahnhöfe und sie sind zu teuer, da manche Politiker in den Städten eine Anti-Auto Politik verfolgen, welche die Mobilität zum erliegen bringt.»
«Nein (mit Ausnahmen von 1-2 Taxifahrten pro Jahr), in der Schweiz haben wir ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz (und für kurze Strecken das Velo). Der ÖV soll weiter ausgebaut werden und insbesondere auch im ländlichen Raum gute Verbindungen garantieren.»
«Weil ich städtisch wohne, hat der Individualverkehr für meinen Alltag keinen so zentrale Bedeutung, aber missen könnte ich das Auto trotzdem nicht.»
5. Was ist eine persönliche Erinnerung rund ums Auto?
Nicht nur bei der Freizeitgestaltung hat das Auto einen hohen Stellenwert. Ferien mit dem Camper-Van liegen derzeit total im Trend. Das dürfte sich auch 2023 nicht ändern. Für viele Politikerinnen und Politker haben die persönlichen Erinnerungen rund ums Auto ebenfalls etwas mit der Fahrt in die Ferien zu tun.
«Als Kind wurde mir meistens schlecht beim Autofahren. Darum waren die langen Fahrten in die Ferien oft eher eine Qual, aber es hatte auch immer etwas Abenteuerliches, 'Road-movie-mässiges'.»
«Mein erstes Auto war ein knallgrüner Peugeot 106, ich nannte ihn 'den Frosch' und fuhr mit ihm einmal bis ans Nordkapp.»
«Als ich 2007 erstmals für den Nationalrat kandidierte, hatte ich zwar frisch die Autoprüfung, aber kein eigenes Auto. Ich fragte Mitstreiter für die Unterstützung bei den Wahlkampfkosten an. Eine ältere Dame teilte mir höflich ihr Bedauern mit. Sie könne leider nichts geben, da die AHV zu klein sei. Aber sie habe ein Auto, genauer einen rostigen kleinen Rover 216, den sie nicht mehr fahren könne und mir überlassen möchte. So wurde dieser Rover mein erstes eigenes Auto. Er hat zum Erfolg bei den Nationalratswahlen nicht unwesentlich beigetragen und begleitete mich noch einige Jahre darüber hinaus.»
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