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Hohe Hürden für Mietende mit Elektroautos

STREETLIFE-Leser verzweifelt: «Verwaltung lehnt jeden Kompromiss ab»

Bei sich zu Hause bequem das Elektroauto einstecken: Für viele Mieterinnen und Mieter ein ferner Traum. Dabei fordert die Politik schon länger ein Recht auf Laden. Doch wie die Realität für viele noch immer aussieht, zeigt das aktuelle Beispiel eines STREETLIFE-Lesers.

«Ich habe bei der Verwaltung nachgefragt, ob ich auf eigene Kosten eine Ladestation oder zumindest eine normale Steckdose an meinem eigenen Stromzähler installieren darf», erzählt Leser Jason R.* gegenüber STREETLIFE. Aber: «Die Verwaltung lehnt jede Kompromisslösung ab», so der 39-jährige Mieter. Der Risikomanager lebt seit 19 Jahren in Europa und ist Doppelbürger in den USA und Italien. Er fährt einen Tesla Model 3 und möchte den Wagen in der Tiefgarage bei sich zu Hause in Thalwil ZH an den Strom anschliessen. Eine normale Steckdose wäre vorhanden. Doch seitens Vermietung fehlt es an Flexibilität.

Auch ein anderer Vorschlag bleibt erfolglos. «Ich habe angeboten, mich an einer professionellen Installation der Grundinfrastruktur finanziell zu beteiligen und Lösungsvorschläge mit Lastenmanagement eingebracht», so der Risikomanager. Doch auch darauf sei nicht eingegangen worden – mit der Begründung, dass die Nachfrage nicht ausreichend sei und eine Installation aufgrund eines drohenden Strommangels problematisch wäre. «Schade, dass es keine Regelung gibt», sagt Jason R. enttäuscht und fügt an, dass es Mietenden in der Schweiz an Freiheit fehle, auf das öffentliche Stromnetz in der Garage zuzugreifen.

«Es braucht einen Bedarf» 

Die Vorwürfe lässt die Verwaltung nicht auf sich sitzen. «Wo eine Nachfrage besteht, befürworten wir Ladestationen für Mieteinheiten», erklärt Ralf Künzler von der Immobilienmanagement Unternehmung Sidenzia auf Anfrage von STREETLIFE. Die meisten von ihnen vertretenen Eigentümer und Eigentümerinnen würden ihre Garagen aufrüsten, hält er fest. Zudem würden Neubauten bereits in fast allen Fällen mit Ladestationen ausgerüstet werden. 

Und was ist das Problem in Thalwil? «Im Fall in Thalwil hat eine Abklärung vor einem Jahr nur von einer Partei Interesse ergeben», sagt der Immobilienverwalter auf die Frage nach einer Ladestation. Eine Zwischenlösung mit einer Haushaltssteckdose lehnt die Verwaltung ab. «Provisorische Ladelösungen über eine Steckdose sind nicht gestattet», sagt der Sprecher, denn solche Steckdosen seien für das Laden von Fahrzeugen nicht geeignet. Für Jason R. bedeutet das: Er kann jetzt und in absehbarer Zeit sein E-Auto nicht zu Hause an den Strom anschliessen.

Mehr Ladestationen, mehr E-Autos

Elektroautos müssen geladen werden. Das geht besonders gut, wenn das Auto zu Hause parkiert ist und lange stillsteht. Können E-Autos dann an den Strom angeschlossen werden, werden «Park- zu Ladeplätze», wie es in einem Ladeleitfaden des Branchenverband Swiss eMobility steht. Doch Mieterinnen und Mieter haben keinen Anspruch auf eine Ladestation zu Hause. Sie sind auf den Goodwill der Vermietenden angewiesen. Eine Abhängigkeit, die aktuell oft für Frust sorgt.

Mehr Ladestationen zu Hause fördere zudem die E-Mobilität. Denn: «Wer nicht dort laden kann, wo sie oder er wohnt oder arbeitet, kauft sich kein Elektroauto», sagt Jürg Grossen, GLP-Nationalrat und Präsident des Branchenverbands Swiss eMobility. Fehlende Ladestationen im oder beim Mehrfamilienhaus und am Arbeitsplatz seien immer noch der grösste Bremsklotz für die Elektromobilität, so Grossen.

«Hohes Risiko für Mietende» 

Auch Michael Töngi, Vize-Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz sowie Nationalrat der Grünen, sieht in der momentanen Situation Risiken für die E-Mobilität. «Wenn keine Ladestation in der Garage vorhanden ist, ist je nach Umständen der Kauf eines Elektroautos nicht sinnvoll», sagt er. Der Grüne fordert deshalb ein «Recht auf Laden». Töngi bemängelt auch die grosse Unsicherheit, mit der Mieterinnen und Mieter konfrontiert seien. Denn wer umziehen will oder muss, wisse nicht, ob am neuen Ort eine Ladestation existiert oder installiert werden darf. «Das ist ein hohes Risiko für die Mietenden.» Ähnlich schwierig sei die Frage der Installation bei Stockwerkeigentum.

Eigentümer im Dilemma

Anders sieht das der Eigentümerverband. «Eine Person kann ein E-Auto kaufen, unabhängig davon, ob sie eine eigene Ladestation hat oder nicht», betont Markus Meier, Direktor des Hauseigentümerverband Schweiz. «Aber eine gesetzliche Pflicht, Ladestationen bereitzustellen – ein sogenanntes Recht auf Laden – lehnen wir seitens des HEV ab», so Meier. Es sei Sache des Eigentümers, zu entscheiden, wie dieser seine Liegenschaft und damit sein Eigentum ausstatten wolle. 

Meier geht denn auch nicht davon aus, dass diese Freiheit den E-Autos schade: «Ladestationen bei sich zu Hause spielen eine Rolle, aber sie sind kein Gamechanger. Wir gehen nicht davon aus, dass – würden sämtliche Garagenplätze in der Schweiz mit Stationen ausgerüstet – alle ein E-Auto fahren würden.» Auf den Absatz von Elektroautos würden vielmehr unterschiedliche Komponenten einwirken. «Zum Beispiel Importzölle, Strompreise oder auch Versorgungsengpässe wie zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Krieg in Osteuropa.»

Die Nachfrage werde die Entwicklung der Ladestationen massgeblich beeinflussen, sagt Meier. «Dort, wo eine genügend grosse Nachfrage besteht, wird sie auch gedeckt.» Er vergleicht die Situation mit dem Aufkommen einer anderen technischen Errungenschaft: «Nehmen wir Glaskeramikherde. Diese haben sich als Standard durchgesetzt, ohne dass es ein Recht auf Glaskeramik-Kochfelder gab», sagt der HEV-Direktor.

Laden zu Hause

Weniger optimistisch sieht das Michael Töngi. Der Vizepräsident des Mieterverbands befürchtet Mehraufwand aufgrund fehlender Regelungen. «Wenn sich Autobesitzer und -besitzerinnen mit Einzellösungen ohne intelligente Steuerung selbst behelfen, werden wir ein Flickwerk haben», so Töngi. Das werde am Schluss teurer als es eine von Anfang an gesamtheitliche Lösung. 

Ein solcher Lösungsansatz wird zurzeit im Parlament besprochen. Die Motion «Laden von Elektroautos im Mietverhältnis und Stockwerkeigentum» will die Ladesituation in der Schweiz verbessern. Initiiert wurde sie von GLP-Nationalrat Jürg Grossen. Sie fordert, dass der Zugang zu Ladeinfrastruktur für E-Autos für Mieterinnen und Mieter sowie Stockwerkeigentümer und -eigentümerinnen sichergestellt wird. Der Nationalrat hat sie deutlich angenommen. Zurzeit wird sie in der Energiekommission des Ständerats besprochen.

*Name der Redaktion bekannt

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