Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Politik & Wirtschaft •
Campen am Meer

Schweizer VW-Camperbus-Invasion

Viele Schweizer zieht es während den Sommerferien an die Strände rund um das französische Biarritz. Auffallend viele Eidgenossen reisen in teuren VW-Camperbussen an, welche sich die normalen EU-Bürger kaum leisten können.

Das französische Baskenland rund um Biarritz bietet viel: Herrliche Strände. Wind und Wellen für die Surfer. Die Berge der Pyrenäen, welche direkt ins Meer abfallen. Freundliche, stilbewusste Menschen. Und die hervorragende, baskische Kulinarik. Deshalb besuche ich hier seit bald einem Vierteljahrhundert denselben Campingplatz direkt am Atlantik. Unser langjähriger, pensionierter Camping-Nachbar war Werkleiter bei Mercedes. Der Deutsche regt sich seit Jahren fürchterlich auf über den Niedergang der deutschen Autoindustrie. Zudem bewundert er die Schweiz.

Schweizer Vorherrschaft mit T6 California

Eine Generation zuvor waren wir Schweizer auf dem Campingplatz Exoten – mehr als zwei oder drei Eidgenossen gleichzeitig waren nie anwesend. Mittlerweilen haben die Schweizer die Vorherrschaft auf dem Platz übernommen. Langsam wird sogar dem Mercedes-Werkleiter der hohe Anteil der Schweizer Camper unheimlich. Zudem ist unserem deutschen Nachbar aufgefallen: Sehr viele Schweizer sind mit hochpreisigen Volkswagen T6 California angereist. Die Schlussfolgerung des Deutschen: Nur in einem besonders erfolgreichen Land wie die Schweiz können sich so viele junge Familien den teuren Camperbus von VW leisten.

Teure Platzmiete

Der pensionierte Werkleiter hat nicht unrecht. Wer auf dem Campingplatz hier in Biarritz 83 Euro für die täglichen Platzmiete hinblättert und in einem 100'000 Franken teuren VW-Camperbus übernachtet, nagt kaum am Hungertuch. Tatsächlich ist der T6 California das perfekte Fahrzeug für freizeitorientierte Schweizer: Qualitativ hochstehend, sackteuer und trotzdem nicht protzig. Viele Schweizer nutzen den T6 als Zweitwagen für den Transport der Jungmannschaft zum Fussballturnier, zum Einkaufen oder eben zum Campen. Als Erstwagen wird dann eher ein BMW X3 oder ein VW Tiguan bevorzugt.

Das Ende des T6

Bestellen kann man den erfolgreichen T6 leider nicht mehr – er fällt dem CO2-Flottenverbrauch zum Opfer, welcher EU-Leader Deutschland voller Inbrunst forciert hat. Noch gibt es einige T6 California als Lagerfahrzeuge. Neufahrzeuge kosten teilweise über 100'000 Franken und auch zwei- oder dreijährige Gebrauchtfahrzeuge sind kaum unter 60'000 Franken zu haben. Ein VW-Insider berichtet über die grosse Enttäuschung mancher Schweizer VW-Händler über das Ende des T6. Der Nachfolger T7, ein moderner, belangloser Van, werde niemals an die grossen, globalen Erfolge der VW-Bulli-Baureihen anknüpfen können.

Historische VW Bullis

Den Kult und die Qualität der VW-Camperbusse kann man in Biarritz bestaunen. Sogar in uralten VW-T1 und T2 übernachten die Camper. Die aufgeklappten Dachzelte trotzen auch den stürmischen Atlantikgewittern. Am Samstagmorgen verabschiedet sich eine junge Familie aus St. Gallen. Der rote T6 ist bis zum letzten Quadratzentimeter vollgepackt. Der deutsche, pensionierten Werkleiter winkt den Schweizern zum Abschied nach. Zwei Stunden später sind die neuen Nachbarn eingetroffen – Obwaldner mit einem brandneuen weissen T6 und sechs Surfbretter auf dem Dach.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

Werbung