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Politik & Wirtschaft •
Gegen Wucher-Spritpreise

Schweizer David zwingt Ölmulti-Goliaths in die Knie

Die Fahrt zur Tankstelle reisst seit einigen Wochen wieder ein grösseres Loch ins Portemonnaie. Die Preise sind gestiegen und dürften hoch bleiben. Trotzdem gibt’s regional sehr günstige Tankstellen. Wie geht das? STREETLIFE hat bei einem Anbieter nachgefragt.

Gemächlich klettert die Literanzeige langsam eine Ziffer um die andere nach oben. Gefühlt will der Tank des Autos einfach nicht voll werden. In der Anzeige darüber fliegt der Frankenbetrag hingegen quasi mit Lichtgeschwindigkeit in astronomische Höhen. Regelmässige Autofahrende kennen dieses Zusammenspiel nur zu gut und nehmen es kaum noch wahr. Im Moment klettert die Frankenanzeige aber wieder etwas schneller in die Höhe als noch vor wenigen Wochen. Das Fiese daran: Im Gegensatz zum knallartigen Anstieg im März 2022 nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, erhöhen die Tankstellen die Preise aktuelle in kleinen, kaum spürbaren Schritten.

Volltanken kostet einen Kaffee mehr

Der TCS beobachtet die Preisentwicklung für Benzin und Diesel. Mediensprecher Jonas Montani fasst die Entwicklung zusammen: «In den letzten drei Wochen ist der Benzinpreis an den Tankstellen um rund 3 Rappen pro Woche gestiegen. Mit durchschnittlich rund 1.90 Franken pro Liter ist er so hoch wie noch nie dieses Jahr.» Das sind neun Rappen mehr als noch Ende Juni. Bei einem Tankvolumen zwischen 55 und 70 Liter wurde einmal Volltanken mit Bleifrei 95 also zwischen rund 4.50 und 5.90 Franken teurer. Das heisst, es gibt einen Kaffee weniger im Restaurant. Auf den ersten Blick scheint das nicht viel zu sein. Aber das summiert sich mit jeder Tankfüllung und trifft Vielfahrer besonders hart. Dazu kommen dieses Jahr weitere Preissteigerungen on top. Laut Bundesamt für Statistik betrug die Teuerung im Juli 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Was beeinflusst die Spritpreise?

Für Autofahrende stellt sich die Frage: Werden die Preise nach den Sommerferien wieder sinken? Eine Prognose ist schwierig, selbst für Experten aus dem Treibstoffhandel. Fakt ist aber, dass die aktuell hohen Preise nicht nur auf die gestiegene Nachfrage wegen der Ferienzeit zurückzuführen sind. Verschiedene weitere Faktoren treiben den Preis für Rohöl und damit auch Treibstoffe in die Höhe. Dazu gehört in erster Linie, dass der Verbund der erdölfördernden Staaten (OPEC) die Fördermenge begrenzt hat. Dazu kommen Spekulationen an der Börse, Konflikte und Streiks in Libyen, Sabotage und Öldiebstahl in Nigeria sowie schlecht unterhaltene Raffinerien in Deutschland. «Selbst Hitzewellen in Südeuropa, Asien und Nordamerika treiben die Preise in die Höhe», sagt Montani und erklärt weiter: «Die mehr laufenden Klimaanlagen werden mit Dieselgeneratoren betrieben.»

Ohne die zuletzt regnerischen Wochen wäre der Benzinpreis bei uns sogar noch drei bis vier Rappen teurer. Denn damit ist der Rheinpegel gestiegen, was die Frachtkosten für den Öltransport gesenkt hat. Wieso das für die Schweiz wichtig ist? Weil die Treibstoffe auf dem See- und Flussweg über den Rhein von Rotterdam und Amsterdam via Basel in die Schweiz gelangen. Wenn die Frachtkosten um 14 Franken pro Tonne sinken, fällt auch der Benzinpreis um einen Rappen pro Liter. Seit Mitte Juli sind diese Frachtpreise von 74 auf 28 Franken pro Tonne gefallen.

Wer am Sprit verdient

In der Schweiz geht zudem rund die Hälfte des Benzinpreises an der Zapfsäule in Form von Steuern und Abgaben an den Staat. Die zweite Hälfte setzt sich aus Ankaufspreisen, Transport-, Verwaltungs- und Betriebskosten und natürlich einem Gewinn zusammen. Und genau diese Gewinnspanne ziehen Tankstellen gerne etwas in die Länge und warten ab, bevor sie preissenkende Faktoren an die Kundschaft an der Zapfsäule weitergeben. Deshalb dürfte der Benzinpreis so schnell nicht wieder fallen. Wer beim Benzin sparen will, hat deshalb nur drei Alternativen: Das Auto einmal mehr stehen lassen und andere Verkehrsmittel wählen, sparsamer fahren oder die günstigste Tankstelle in der Umgebung suchen. Beim Vergleichen der Preise in der Umgebung hilft der Benzinpreis-Radar des TCS. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass angegebenen Preise von den Nutzerinnen und Nutzern gemeldet werden. Es gibt also keine Garantie, dass sie stimmen.

Darum sind unabhängige Tankstellen günstiger

Ein Geheimtipp sind oftmals kleine, unabhängige Tankstellen, die nicht zu einer grossen Kette gehören. Diese sind oftmals günstiger, weil sie tiefere Betriebskosten haben. Zwei Beispiele sind die «Thayngen Benzin» und «Etzelpark Benzin». Die Namen verraten zugleich auch ihre Standorte. Ihre Betreiberin ist die Petrol Tech GmbH aus Pfäffikon SZ von Michael Knobel. Der 43-Jährige ist erst 2019 ins Tankstellengeschäft eingestiegen. «Mir tat sich die Gelegenheit auf, die Tankstelle im Etzelpark zu übernehmen», erinnert er sich. «Damals fuhr ich gerade an einer Coop-Tankstelle vorbei und realisierte die grosse Gewinnspanne beim Treibstoff.» Knobel dachte sich, das gehe auch günstiger, «und aus dem Bauch heraus entschied ich, ins Tankstellengeschäft einzusteigen. Hätte Coop an dem Tag gerade eine Aktion gehabt, hätte ich mich vielleicht anders entschieden.» Sein Vorteil: Als kleiner Betrieb mit wenigen Mitarbeitenden hat er deutlich tiefere Verwaltungskosten – und kürzere Entscheidungswege.

Als junges Unternehmen setzt er zudem auf neue Technologien und moderne Infrastruktur. «Ich habe überall die Bezahlterminals und Zapfsäulen erneuert und bin unter anderem darum effizienter», erzählt Knobel. Zudem glaubt er, dass die Geschäftsmodelle der grossen Tankstellenketten veraltet sind und es zu viele Tankstellen mit Shops gibt. Mit der Tankstelle Etzelpark in Pfäffikon ging sein Konzept auf. «Der Standort Thayngen hat dann bestätigt, was ich schon im Gefühl hatte: Meine Idee ist ein Erfolgsmodell.» Im November will Knobel den dritten Standort im Kanton Basel-Land eröffnen. Er plant ein kleines Netz mit maximal 15 Standorten. Sein Ziel: den Benzinpreis regional im Vergleich zu jetzt um 15 bis 25 Rappen zu senken. Denn sobald Knobel eröffnet, entsteht ein Preisdruck auf die Preise der Konkurrenz in der Region, insbesondere die Ketten der grossen Erdölkonzerne. Nur, freie Tankstellen zum Kauf oder zur Miete seien schwer zu finden. «Die grossen Konzerne wollen kleinen Tankstellen wie mir keine Chance geben, in weiteren Regionen Fuss zu fassen. Deshalb bin ich über jeden Tipp aus der Öffentlichkeit sehr dankbar.»

Ist günstiger Sprit schlechter?

Und wie steht es um die Qualität des Benzins bei Knobel oder anderen unabhängigen Tankstellen? In Thayngen steht gross angeschrieben, dass es sich um Qualitätstreibstoffe handelt. «Wir nutzen reines Benzin ohne die Zumischung von Ethanol, wie es bis zu fünf Prozent ohne Deklarationspflicht erlaubt ist. Vermutlich über 75 Prozent des in der Schweiz verkauften Treibstoffes hat diese Zumischungen.» Die Kunden seien damit sehr zufrieden, erzählt Knobel. Auch TCS-Sprecher Montani bestätigt, dass Autofahrende keine Angst haben müssen, bei günstigen Tankstellen schlechtes Benzin zu tanken. «Für Benzin und Diesel gibt es europaweit gültige Normen und Richtlinien, welche die Mindestqualität vorschreiben.» Ein angeblich besserer Treibstoff kommt anderweitig zustande: «Einige Anbieter veredeln die Treibstoffe mit Zusatzstoffen, sogenannten Additiven. Freie Tankstellen, aber auch viele Markenanbieter, tun das nicht, denn die vorgeschriebene Qualität ist ausreichend.» Gemäss TCS ist die Wirkung solcher Zusatzstoffe minim und den teils massiven Aufpreis von bis zu 20 Rappen nicht wert. Deshalb lautet Montanis Fazit: «Die Autofahrenden können beruhigt dort tanken, wo es am günstigsten ist.»

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