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Roma-Clan klaut Oldtimer-Besitzer 200'000 Franken
Es ist der Albtraum eines jeden Autobesitzers: Du willst nur deinen Wagen verkaufen und wirst Opfer von fiesen Betrügern. Einem Zürcher Oldtimer-Inhaber ist genau das passiert. Ein Roma-Clan nimmt ihm satte 200'000 Franken ab. Eine Beschuldigte stand am Mittwoch vor Gericht.
Am Anfang steht ein Inserat auf einer Online-Plattform. Der Zürcher Oldtimer-Besitzer Paul Keller* bietet dort im Juli 2020 zwei Fahrzeuge zum Kauf an. Die Modelle sind echte Klassiker: Ein Lagonda und ein Bentley, Jahrgang 1922. Keller muss nicht lange auf ein Angebot warten: Schnell meldet sich ein Friedrich Wilhelm Salzmann aus Schweden. Der Mann gibt an, er vertrete einen reichen Käufer aus China. Und dieser sei sehr an den Fahrzeugen interessiert.
Kellers Aufmerksamkeit ist geweckt. Die Männer vereinbaren ein Treffen in Zürich. Der vermeintliche chinesische Käufer sowie Salzmanns Schwiegersohn reisen an. Sie nehmen die Fahrzeuge in Augenschein, geben sich beeindruckt. Man wird sich schnell einig. Das Angebot: Für 1,1 Millionen Franken sollen die Fahrzeuge den Besitzer wechseln.
Internationales kriminelles Netzwerk
Ein gutes Geschäft, wie Keller denkt. Aber vielleicht auch einfach ein zu gutes, um überhaupt wahr zu sein? Sicher ist: Am Ende verliert der Oldtimer-Besitzer ein Vermögen an eine Betrüger-Bande. Wie das Untersuchungsverfahren zeigt, soll es sich dabei um einen international tätigen Roma-Clan handeln. Eine kriminelle Organisation, gegen deren Mitglieder bereits in mehreren Ländern Verfahren laufen. Doch genau dieses internationale Netzwerk macht es schwierig, Täter zu überführen.
In Kellers Fall kam es am Mittwoch zum Berufungsprozess vor dem Zürcher Obergericht. Eine Frau war in der Sache im Dezember 2023 erstinstanzlich schuldig gesprochen worden. Doch mit der ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 28 Monaten war sowohl die Beschuldigte wie auch die zuständige Staatsanwaltschaft nicht einverstanden. Beide zogen den Fall an die nächste Instanz weiter. Was genau wirft ihr die Anklage aber vor?
Ein perfides Täuschungsmanöver
Oldtimer-Besitzer Paul Keller ist nach dem ersten Treffen im Juli 2020 überzeugt, die Interessenten meinen es ernst. Verstärkt wird dieses Gefühl, als ihm wenig später der Kaufvertrag und eine Passkopie zugeschickt werden. Am Telefon erwähnt Vermittler Salzmann allerdings noch eine Kaufbedingung: Er wolle eine Vermittlungsgebühr von 200'000 Franken. Und da er in der Vergangenheit schon mehrfach betrogen worden sei, möchte er vor Ort prüfen, ob diese Gebühr auch wirklich vorhanden ist. Er schlägt deshalb erneut ein Treffen in Zürich vor.
Dazu kommt es am 31. Juli 2020. Salzmanns Schwiegertochter – die Frau, die den Fall ans Obergericht weitergezogen hat – klingelt in Begleitung eines weiteren Mannes an Kellers Haustüre. Sie setzen sich an den Esstisch, Keller präsentiert sein Couvert, in dem sich die 200'000 Franken befinden. Er zählt den Betrag vor seinen Gästen ab. Darauf nimmt die Schwiegertochter das Couvert an sich und verschliesst es mit einem Klebeband. Der Begleiter bittet Keller noch, ein Papier zu unterscheiben. Danach trinken sie einen Kaffee.
Bevor der Oldtimer-Besitzer die Frau und den Mann an den Flughafen Zürich fährt, legt er das Couvert zurück an einen sicheren Ort. Was er in diesem Moment nicht weiss: Das nützt ihm nicht mehr viel. Die böse Überraschung trifft ihn erst, als er wieder nach Hause kommt. Im Couvert ist längst kein Geld mehr. Statt der Banknoten findet er nur noch Papierschnitzel. Die Trickdiebe hatten den Umschlag in einem günstigen Moment mit einem zweiten ausgetauscht.
Flucht nach Frankreich
Als Keller den Diebstahl meldet, sind die Beschuldigten längst über alle Berge. Wie die Ermittlungen später zeigen, bringt sie ein Fahrer zuerst vom Flughafen zur Raststätte Würenlos. Danach reisen sie über die Grenze in die französische Stadt Besançon.
Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Sie sind Mitglieder eines kriminellen Roma-Clans. Beide sind rumänische Staatsbürger, wohnen in Frankreich und sind einschlägig in mehreren europäischen Ländern vorbestraft. Anhand einer Haarprobe können sie eindeutig identifiziert werden. Es kommt zur Verhaftung in Frankreich, für eine Befragung bringt man sie in die Schweiz. Hier gestehen sie die Tat, geben aber keinerlei Auskunft über Hintermänner oder Netzwerk.
Das Bezirksgericht Bülach hatte die Beschuldigten zu je einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann fasste 32, die Frau 28 Monate. Während er auf eine Berufung verzichtete, zog die heute 57-Jährige den Fall weiter. «Ich bin kein Mitglied einer kriminellen Bande», sagt sie am Mittwoch vor dem Zürcher Obergericht. Sie sei lediglich eine Mitläuferin, die sich aus Geldsorgen einspannen liess. «Ich bin schwer krank, leide an Krebs, das Geld brauchte ich für meine Behandlungen», beteuerte sie gegenüber der Richterin.
Sie habe sich deshalb auch nicht gegen eine Auslieferung in die Schweiz gewehrt, weil sie jetzt mit allem abschliessen wolle, um danach noch mit ihren Enkeln eine schöne Zeit zu verbringen. Denn keiner wisse, wie viel Zeit ihr noch bleibe. Wie ihr Pflichtverteidiger in seinem Plädoyer vertiefte, sei das auch der Grund für die Berufung. «Sie bestreitet die Tat nicht. Aber sie war bei der Planung nicht involviert und kennt auch keine Hintermänner.» Er forderte eine Reduktion der Strafe auf 16 Monate.
Staatsanwaltschaft fordert höheres Strafmass
Das sieht die Staatsanwaltschaft völlig anders. Wie sie vor Gericht ausführte, sei die Frau sehr deutlich Teil der kriminellen Organisation. Zum einen, weil es sich beim Mittäter um ihren Schwiegersohn handle, zum anderen, weil sie wegen ähnlicher Delikte mehrfach vorbestraft sei. So wird aktuell noch gegen die Beschuldige in Frankreich ermittelt. «In diesem Verfahren geht es um einen Diamanten-Diebstahl», so die Staatsanwältin. Sie hält deshalb an ihrer erstinstanzlichen Anklage fest und fordert zusätzlich einen Schuldspruch bezüglich des bandenmässigen Vorgehens. «Damit erhöht sich auch das beantragte Strafmass auf 32 Monate», wie sie abschliessend erklärt.
Aber folgte das Obergericht ihrem Antrag auch? Nicht ganz. Beim Urteilsspruch gegen 17 Uhr wird klar: Das Gericht stützt das Urteil der ersten Instanz. «Wir erachten sie des gewerbsmässigen Diebstahls sowie der Geldwäscherei für schuldig», richtet sich die Richterin an die Beschuldigte. Damit bleibe auch das Strafmass dasselbe. Die Frau muss für 28 Monate ins Gefängnis. Ob die Frau aber Teil des kriminellen Roma-Clans sei, könne aufgrund der vorliegenden Beweise nicht abschliessend bejaht werden. In diesem Punkt sprach das Gericht die Beschuldigte vom Vorwurf frei. Die Frau willigte ein, von der Sicherheitshaft, in der sie sich seit dem 24. April befindet, in den vorzeitigen Strafvollzug zu wechseln.
* Name geändert
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