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Geschäftsführer (63) vor Gericht

64 km/h zu viel: Limitierter Sportwagen rast in Radarfalle

Wer an einen Raser denkt, hat in der Regel dieses Bild vor Augen: männlich, jung, mit Migrationshintergrund. Aber stimmt diese Vorstellung wirklich? Der Beschuldigte, der sich am Montag vor einem Zürcher Gericht verantworten musste, hat jedenfalls ein völlig anderes Profil.

Sie sind viel zu schnell, überschätzen ihren Fahrstil und suchen das Risiko. Gefährdet die Person am Steuer noch andere Verkehrsteilnehmende, spricht man von einem Raserdelikt. Ein solcher Fall ist am Montagnachmittag am Bezirksgericht Dielsdorf im Kanton Zürich verhandelt worden.

Gleich der erste Blick in die Anklageschrift wirft eine spannende Frage auf: Ist das gängige Bild vom jungen Raser mit Migrationshintergrund nur ein Klischee? Denn zumindest in diesem Fall könnte der Beschuldigte nicht deutlicher davon abweichen: Vor Gericht steht ein 63-jähriger, vermögender Schweizer Geschäftsmann. Und ihm wird kein Kavaliersdelikt vorgeworfen. Ganz im Gegenteil. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten sowie eine Busse von 2000 Franken. Doch was ist passiert? 

Überlandstrasse führt durch Naherholungsgebiet

Der Fall geht zurück auf den 7. Juli 2023. An diesem Sommertag gegen 9 Uhr morgens ist der Geschäftsmann auf der Dielsdorferstrasse in der Zürcher Gemeinde Neerach unterwegs. Er sitzt am Steuer eines superleichten Sportwagens, der Alpine von Renault. Ein limitiertes Sondermodell, das schnell über 100'000 Franken kostet.

Die Strecke führt durch ein Ausflugs- und Erholungsgebiet, dem Neeracherried, eines der grössten Flachmoorgebiete der Nordschweiz. Velofahrer, aber auch Reiter kreuzen hier regelmässig die Strasse. Der Geschäftsmann drückt dennoch aufs Gaspedal. Als ihn ein Radargerät erfasst, stehen auf der Anzeige 148 Kilometer pro Stunde. Abzüglich der Toleranz von 4 km/h liegt er damit noch immer 64 km/h über der erlaubten Maximalgeschwindigkeit von 80. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen qualifizierter grober Verletzung der Verkehrsregeln angeklagt.

Der Geschäftsmann erfüllt damit den Tatbestand des 2013 eingeführten Raserartikels 90 Abs. 3 SVG. Der besagt: Wer Überland mehr als 60 km/h zu schnell unterwegs ist, wird mit einer Freiheitsstrafe belegt. Ursprünglich waren 12 Monate als Mindeststrafe angedacht, seit einer Gesetzesrevision 2023 sind auch mildere Strafen möglich, was den Antrag der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland von nur zehn Monaten erklärt. 

Sind es also nicht nur junge, übermütige Autolenkende, die bei der Geschwindigkeit über die Stränge schlagen? Die Antwort dazu findet sich in der jährlich veröffentlichten Erhebung des Bundes. Jeweils im Oktober gibt das Bundesamt für Statistik die Zahl der nach Strassenverkehrsgesetz verurteilten Personen bekannt. Die neusten Daten stammen vom Oktober 2023 und beziehen sich auf das Vorjahr. Demnach kam es 2022 zu insgesamt 468 Raserdelikten in der Schweiz. Das sind 57 Fälle weniger als 2021, aber immer noch 39 mehr als 2020.

In Bezug auf das Alter der Verurteilten ist das Bild eindeutig: Raser in der Schweiz sind jung, männlich und verfügen in der Mehrheit der Fälle über einen Migrationshintergrund. 2022 waren 270 der verurteilten Raser zwischen 18 und 29 Jahre alt. Im Gegensatz dazu waren es bei den ü50-Jährigen gerade mal 36 Personen.

Rasende Frauen – eine Seltenheit

Bei der Mehrheit der verurteilten Personen handelte es sich zudem um ausländische Staatsbürger, die in der Regel über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügen. Nur in ganz wenigen Fällen hatten die Beschuldigten keinen Wohnsitz in der Schweiz.

Die eindrücklichste Zahl der Statistik bezieht sich allerdings auf die Aufteilung nach Geschlecht. Bei der qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung treten Frauen praktisch nicht in Erscheinung. 2022 kam es gerade mal zu 28 Verurteilungen, was einem Anteil von sechs Prozent entspricht. 

Raser hat Führerausweis noch nicht zurück

Das Verfahren gegen den 63-jährigen Geschäftsmann am Montag fand im abgekürzten Verfahren statt. Der Mann bestreitet die Raserfahrt nicht. Auf die Frage, warum er denn so schnell unterwegs war, gab er gegenüber dem Richter persönliche Gründe an: «Das war kurz nachdem meine Frau verstorben ist. Ich war noch völlig durcheinander und hatte so viel im Geschäft zu tun. Also bin ich ab durch die Mitte.»

Den Führerausweis hat der Mann seit dem Vorfall nicht zurückbekommen. «Das ist mir eine Lehre und wird mir sicher nicht mehr passieren. Seither bin ich vor allem zu Fuss und mit dem Velo unterwegs.» Der Richter folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Busse von 2000 Franken, zudem muss er die Verfahrenskosten von 2100 Franken bezahlen.

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