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Politik & Wirtschaft •
Rückkehr zur Autoikone «Golf»

Riskanter VW-Namenswechsel

Aus Raider wurde Twix. Aus Twitter wurde X. Aus Corolla wurde Auris. Und aus Golf sollte ID.3 werden. Nun scheinen die Markenstrategen des Volkswagen-Konzerns den enormen Wert der Marke «Golf» erkannt zu haben und stoppen den ID.3.

Raider heisst jetzt Twix. Diese globale Markenänderung eines Schokoriegels ist der Generation Z kaum mehr bekannt. Aktueller ist eher der schrille Namenswechsel des weltweit wichtigsten Kurznachrichtendienstes: Nachdem Elon Musk für 44 Milliarden Dollar Twitter kaufte, entschied er sich spontan für ein neues Branding und taufte Twitter auf «X» um. Weshalb man ohne Not einen weltweit etablierten Markennamen fallen lässt, ist für Aussenstehende oft nur schwer nachvollziehbar

Marken-Desperados

Auch in der Autoindustrie gibt es fragwürdige Namenswechsel. Der Toyota Corolla ist das meistverkaufte Auto der Welt. Seit 1966 liefen über 50 Millionen dieses Autos der Kompaktklasse vom Band. 2007 entschied sich Toyota überraschend in allen europäischen Kernmärkten für eine Namensänderung. Nachdem sich der Name Corolla in den Köpfen der Menschen als zuverlässiger, kostengünstiger Kompaktwagen etabliert hatte, wechselten irgendwelche Marken-Desperados auf den Namen Auris. Corolla hiess nun Auris. Nur 12 Jahre später wurde erkannt, dass der Name Corolla bei den europäischen Autofahrern nach wie vor über ein sehr positives Image verfügte. Toyota entschied sich zur Rückkehr zum alten Namen. Der Auris heisst jetzt wieder Corolla.

Kultobjekt Golf

Autohersteller sollten sich zukünftig ausschliesslich von Markenstrategen beraten lassen, welche über einen ausreichenden Intelligenzquotienten verfügen. Auch sinnvoll wäre es, vor einem Namenswechsel die Meinung von der Strasse einzuholen. Beispiel Volkswagen: Mit dem Golf verfügt VW über eine Markenikone mit ähnlicher Strahlkraft wie der Corolla von Toyota. Die Fangemeinde des Golfs ist weltumspannend. Der Golf GTI ist ein Kultobjekt. Als es um die Transformation des fossilen Golfs auf Elektroantrieb ging, hätte VW konsequent den Namen Golf weiternutzen sollen. Der bewährte Name hätte Kontinuität ausgestrahlt und dadurch manchem Skeptiker den Umstieg auf das Batterieauto erleichtert

Seelenloser ID.3?

VW setzt bei ihren Batterieautos auf den Namen ID. Beim elektrischen Vertreter der Golfklasse wählten die VW-Markenstrategen den seelenlosen Namen ID.3. ID steht für «Intelligentes Design». IM würde vermutlich für «Intelligente Markenstrategie» stehen. Beides scheint bei Volkswagen so eingeschränkt vorhanden wie seltene Erden. Jedenfalls stockt der ID.3-Verkauf gewaltig. Das Design des ID.3 ist zwar nicht hässlich – aber umwerfend ist es eben auch nicht. Dazu kommt die Dauerkritik am modularen Infotainment-Baukasten. Und auch der Mangel an Elektromotoren setzt VW arg zu.

Der ID.3 wird zum Golf

Immerhin ist nun den Markenstrategen von Volkswagen ein Licht aufgegangen – besser spät als nie. Bekanntlich wird 2028 die neunte und letzte fossile Golf-Generation starten. Mittlerweile hat VW erkannt, dass nach dem Golf der ID.3 niemals das Format zum würdigen Nachfolger haben wird. Wie «Auto Motor & Sport» nun berichtete, sollen Golf und ID in einer einzigen Baureihe vereint werden. Im Klartext: Der ID.3 wird zum Golf. Wer weiss: Vielleicht werde ich als ehemaliger Golf-Fahrer (Golf VR6 sowie Golf V6 4Motion) zukünftig in einem Golf mit Elektroantrieb sitzen. Voraussetzung wäre ein ähnlich kultiges, reduziertes Design wie damals der Ur-Golf. Und als GTI sollten zwei Elektromotoren den Hot Hatch deutlich unter vier Sekunden auf 100 km/h hochtreiben.


Kolumnist und Autor Pentti Aellig ergänzt als erfahrener Autokenner und Publizist das STREETLIFE-Redaktionsteam. Als SVP-Kantonsrat und Gemeindepräsident politisiert er im Kanton Schaffhausen aktiv mit. Wir weisen darauf hin, dass die Ansichten unserer Kolumnisten nicht mit jenen der STREETLIFE-Redaktion übereinstimmen müssen.

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